Die Kritiker

«Arnes Nachlass»

von

Der Degeto-Film ist eines der Highlights des Fernsehjahres - wenn man sich auf ihn einlassen kann.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Aspekt Telefilm und Degeto
  • Drehbuch: Lothar Kurzawa (nach dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz)
  • Regie: Thorsten Schmidt
  • Kamera: Hannes Hubach
  • Produzent: Markus Trebitsch
  • Koproduzenten: Benjamin Benedict und Christian Granderath
Inhalt
Arne kommt als Pflegekind in die Familie eines alten Freundes seines Vaters. Er hofft, bei Harald, dessen Frau Elsa und deren Kindern Hans, Wiebke und Lars Nähe und Geborgenheit zu finden.
Aber es fällt ihm schwer, sich zu integrieren - sein Vertrauen in die Gemeinschaft ist durch sein großes Unglück erschüttert worden: Nachdem seine Firma im Bankrott geendet war, hatte Arnes Vater seine ganze Familie in einem „kollektiven Suizid“ ermordet. Nur durch Zufall hat Arne überlebt.

Arne ist ein sensibler Junge. Die entsetzliche Tat seines Vaters, der Verlust seiner ganzen Familie haben ihn schwer traumatisiert. Er ist nett, immer höflich, immer zuvorkommend, immer sympathisch. Gerade dadurch wirkt er auf andere unnahbar und seltsam. In der neuen Familie fühlt er sich wie ein Fremder. Nur zu Wiebke fühlt er sich hingezogen, obwohl sie sich immer wieder von ihm distanziert. Nachdem Arne durch eine Ungeschicktheit das Segelboot, das die Jugendlichen zusammen restauriert hatten, beim Stapellauf zerschellen lässt und er nach einem gemeinsamen Diebeszug vermeintlich zum Verräter wird, kommt es zum Bruch mit Wiebke und ihren Brüdern. Auch Harald ist tief enttäuscht von seinem Pflegesohn. Für Arne eine ausweglose Situation.

Darsteller


Jan Fedder («Großstadtrevier») als Harald
Max Hegewald («Weissensee») als Arne Hellmer
Suzanne von Brosody («Lola rennt») als Elsa
Dennis Mojen («Poll») als Hans
Franziska Brandmeier («Schimanski – Loverboy») als Wiebke
Sven Gielnik («Der Kommissar und das Meer») als Lars

Kritik


Jan Fedder ist nicht der große Star dieses Films. Obwohl er seine Arbeit hervorragend macht. Aber die Stars heißen hier anders: Max Hegewald, Franziska Brandmeier, Dennis Mojen und Sven Gielnik.

Hegewald hat es am schwersten von allen. Weil seine Figur so sonderbar ist, so entrückt, so fremd, so ganz anders als alle anderen in seinem Alter. Arne ist weder cool noch nerdig. Er ist verschroben, höflich, verletzlich, sozial schwerfällig, liebevoll, traumatisiert, hochbegabt, anpassungsunfähig – diese ganze Bandbreite glaubwürdig zu verkörpern, ist eine ordentliche Aufgabe. Eine, an der viele von Hegewalds gleichaltrigen Kollegen mit Pauken und Trompeten scheitern würden. Aber bei ihm gelingt es. Vortrefflich sogar.

Er kann den Casterinnen Jacqueline Rietz und Gitta Uhlig danken, dass ihm Schauspieler hingesetzt wurden, die ihn dabei unterstützen und ihn seine Tour-de-Force nicht an die Wand spielen lassen.

Franziska Brandmeier zum Beispiel, die eine ähnlich komplexe Figur spielt, in der sich das dramaturgische Leitthema des Films bricht. Ihr Verhältnis zu Arne ist komplex. Man könnte es auch schwierig nennen: Beide fühlen sich zueinander hingezogen, doch die äußeren Umstände verhindern jedes Mal auf's Neue, dass daraus etwas rechtes werden könnte. Dass das auf die Dauer spannend anzusehen bleibt, ist auch Brandmeiers Verdienst.

Oder nehmen wir Dennis Mojen und Sven Gielnik als Hans und Lars, Arnes neue Brüder, von denen der eine dem neuen Familienmitglied mehr, der andere weniger aufgeschlossen ist; der eine ist offen, der andere verschlossen, der eine zielstrebig, der andere lethargisch. Was nach einem auf allerhand überstrapazierte Lapalien reduzierten Dualismus klingen mag, – für diesen Verdacht sorgt das Wort „Degeto“ auf dem Presseheft – wird zur vielschichtigen Charakterstudie, da die Konflikte nicht bei plumpen Pöbeleien und blödsinnigem Pathos steckenbleiben, sondern fragilere Szenen entworfen werden, und die Darsteller die gesamte Klaviatur an Emotionen zu nutzen verstehen, die ihnen das Drehbuch anbietet.

Siegfried Lenz' Romane kann nicht einmal die in der Degeto institutionalisierte Banalität verhunzen. Hier wird mit Anspruch erzählt, mit Tiefgang, mit Authentizität. Da braucht es keinen Pathos, erst recht keinen aufgesetzten. Der Stoff ist ohne hemmungslose Überzeichnung viel nahegehender. Wenn man das bei der „Degeto“ nur häufiger beherzigen würde.

«Arnes Nachlass» ist wohl der traurigste Film des Fernsehjahres. Der sentimentalste. Der melancholischste. Darauf muss man sich einlassen; für Zyniker ist das nichts. Wer das schafft, wird am Mittwochabend reich belohnt.

Das Erste zeigt «Arnes Nachlass» am Mittwoch, den 13. November um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/67287
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