Hingeschaut

«TV Total Prunksitzung»: Es hätte schlimmer kommen können...

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Trotz schaler Gags und gespielter Heiterkeit bot die «TV Total Prunksitzung» zumindest partiell solide Unterhaltung.

Schon seit vielen Jahren werden die Karnevalsübertragungen in erster Linie von älteren Menschen gesehen, sodass die privaten Sendestationen zuletzt immer größeren Abstand von derartigem Stoff nahmen. Doch wenn der seit Jahren für beinahe alle erfolgreichen ProSieben-Showformate verantwortliche Stefan Raab die Organisation der «TV Total Prunksitzung» übernimmt, lässt sich sogar das sonst so junge ProSieben auf den altbekannten Brauch ein. Und in erster Linie bekommt der Zuschauer auch das geboten, was er erwartet: Miese Pointen bei penetranter Fröhlichkeit und peinliche Showacts, die nur schwer mit voller Aufmerksamkeit und niedrigem Promillewert zu ertragen sind. Dank namhafter Gäste und der nicht ganz so altbackenen Aufmachung war die Show zumindest in Teilen erträglich...

Dass die Sendung trotz des Jugendwahns durch den ganz eigenen Karnevals-Flair dominiert und keinesfalls nur unter dem Deckmantel einer Prunksitzung geführt werden soll, offenbart sich dem Zuschauer bereits mit dem sehr klassischen Eröffnungsauftritt der Bonner Stadtsoldaten, mit dem Stefan Raab ins Studio kutschiert wird. Nach der Vorstellung des so genannten Elferrats beginnt die eigentliche Show, die vor allem von einem geprägt ist: Vielen, vielen Auftritten von Comedians. Während sich manche zumindest die Mühe machen, ihr Programm diesem besonderen Anlass anzupassen, langweilt Matze Knop mit einem erneuten Auftritt als Loddar Matthäus. Auch die Robert-Geiss-Parodie von Martin Klempnow wirkt auf großer Bühne weitaus weniger als innerhalb «Switch reloaded», da sich die Rolle schon nach nicht einmal zehn Minuten einige Male wiederholt.

Einen bedenklichen Niveausturz erlebt das Spektakel nach einer knappen halben Stunde, als sich Comedian Markus Krebs breitbeinig auf einen Barhocker setzt und Machosprüche ins Mikrofon grunzt, über die man schon zu Zeiten Adenauers in normalem Zustand bestenfalls müde lächelte. Doch es gibt auch einige unterhaltsame Momente beim Schaulaufen der deutschen Comedyszene: Carolin Kebekus liefert einen soliden und für Faschingsverhältnisse beinahe schon bösen Stand-Up ab und überzeugt zudem einige Zeit später auch als singendes Funkenmariechen. Das geniale Duo Pastewka und Engelke wirkt als Volksmusik-Alptraumpaar Wolfgang und Anneliese schon aufgrund des bayerischen Dialekts leicht deplatziert auf einer Kölner Karnevalssitzung, doch immerhin spielen sie auf unterhaltsame Art und Weise mit diesen Verständigungsproblemen - wenngleich sich hierdurch besonders stark offenbart, wie bemüht und gekünstelt Raabs Kölsch klingt. Bei aller Albernheit kommt auch ein gemeinsamer Gesangsauftritt Raabs mit Elton sympathisch daher, in der vor allem letzterer aufs Korn genommen wird.

Damit die Show nicht zu stark an eine jecke XXL-Version des «Quatsch Comedy Club» erinnert, werden die Comedy-Programme hin und wieder von musikalischen Auftritten aufgelockert. Vor allem hier ist der Bezug zum Karnevalsfest klar ersichtlich, denn neben zahlreichen Gardetänzern, Funkenmariechen und Blaskapellen treten auch die beiden Kultbands Brings und De Höhner auf - mit letzteren performt Stefan Raab sogar gleich mehrfach. Und natürlich darf auch das Raab-Team nicht fehlen: Lena versucht sich mäßig gelenkig als Gardetänzerin, Elton zieht weiter seine Rolle als Raab-Sidekick durch und Ingrid und Klaus sitzen ebenso schunkelnd wie schweigend im Elferrat herum. Wer letztere aus «TV Total» kennt, wird vor allem über ihre Schweigsamkeit sehr dankbar gewesen sein. Warum man aber Reiner Calmund, Charlotte Roche und die Ludolfs für die Show eingeladen hat, wird das Geheimnis der Macher bleiben. Sie alle kommen quasi gar nicht zu Wort und fungieren lediglich als prominente Dekoration.

Wirklich beeindruckend ist die sehr gute Stimmung, die sich quasi durch die kompletten Stunden Show zieht. Das Publikum ist ebenso dankbar wie anspruchslos, klatscht, schunkelt und singt bei jeder Gelegenheit brav mit und trägt somit entscheidend zum absurd-fröhlichen Feeling bei, das die Faschingszeit generell prägt. Auch der Gastgeber macht trotz zahlreicher platter und misslungener Nummern stets den Eindruck, als habe er Spaß an dieser Show. Er musiziert, versucht sich in schlechtem Kölsch, unterhält sich kurz mit seinen Gästen oder hält mithilfe einiger aus «TV Total» bekannter Nippel selbst eine kleine Büttenrede. Mitunter hat man das Gefühl, als mache Raab die Sendung mehr für sich selbst und das Studiopublikum als für den Zuschauer vor dem heimischen Fernsehgerät. Denn der kann von all der fidelen Stimmung natürlich nur einen Bruchteil miterleben.

Alles in allem gelingt es der «TV Total Prunksitzung», mit relativ einfachen Mitteln ziemlich leicht verdauliche Unterhaltung anzubieten. Das von den öffentlich-rechtlichen Stationen überaus altbackene Image des Fernsehkarnevals kann zumindest leicht entstaubt werden, doch eine Sternstunde der TV-Unterhaltung ist Raab mit der Show ebenso wenig gelungen wie eine wirkliche Revolution des Karnevals. Wer bislang nichts mit diesem sehr eigentümlichen Brauch anfangen konnte, wird hierdurch mit Sicherheit nicht zum Fan geworden sein. Somit geht ein Raab-Event erstaunlich unspektakulär dahin und man kann sich des Eindrucks nicht völlig erwehren, dass der Entertainer es vor allem deshalb ins Leben gerufen hat, weil er selbst noch etwas mehr Spaß an der fünften Jahreszeit haben wollte.

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