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«Downhill» - So viel besser als «Höhere Gewalt»

von   |  1 Kommentar

Im US-Remake des skandinavischen Kritikerlieblings «Höhere Gewalt» muss sich erneut eine Familie mit dem vermeintlichen Fehlverhalten des Vaters auseinandersetzen, als eine gewaltige Lawine über sie hereinbricht.

Filmfacts: «Downhill»

  • VÖ: iTunes US
  • R-Rated
  • Genre: Tragikomödie
  • Laufzeit: 86 Min.
  • Kamera: Danny Cohen
  • Musik: Volker Bertelmann
  • Buch: Nat Faxon, Jim Rash, Jesse Armstrong
  • Regie: Nat Faxon, Jim Rash
  • Darsteller: Julia Louis-Dreyfus, Will Ferrell, Miranda Otto, Zoe Chao, Zach Woods, Julian Grey
  • OT: Downhill (USA 2020)
2014 stammte einer der weltweiten Kritikerlieblinge aus Skandinavien. Ruben Östlunds Familiendrama «Höhere Gewalt» erhielt sogar die große Ehre, für das Koproduktionsland Schweden ins Rennen um den Golden Globe sowie den Oscar zu gehen. Bei ersterem schaffte er es unter die letzten fünf. Die Nominierung für den Academy Award blieb ihm derweil verwehrt. Beides ist verständlich. Denn auch wenn der «The Square»-Regisseur auf den ersten Blick bestechend scharf eine Ehe seziert, finden sich unter der Oberfläche doch jede Menge Klischees und Verallgemeinerungen, dank derer man die Qualität von «Höhere Gewalt» unbedingt hinterfragen sollte. Östlund machte es sich nämlich nicht nur verdammt einfach, einen brodelnden Konflikt abzubilden, indem er seine Figuren die offenen Fragen vornehmlich totschweigen ließ, anstatt sie offen miteinander kommunizieren zu lassen. Allen voran das Beharren auf geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen (in Wirklichkeit sind alle Männer feige, alle Frauen stark und mutig) macht «Höhere Gewalt» in Wirklichkeit zu einem in seiner Einseitigkeit regelrecht ärgerlichen Film – und trotz einiger starker Einzelszenen eben keineswegs zu dem heraufbeschworenen Meisterwerk.

Nun nahmen sich die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Nat Faxon und Jim Rash gemeinsam mit ihrem Co-Autor Jesse Armstrong («Four Lions») des Stoffes an. Auch in ihrer dritten Zusammenarbeit nach «The Descendants» und «Ganz weit hinten» erweisen sich die beiden Autorenfilmer als kongeniale Beobachter menschlicher Ausnahmesituationen und heben Östlunds Originalstoff mithilfe gezielter Änderungen in Tonalität und Inszenierung auf eine ganz neue, deutlich überzeugendere Ebene.



Es sollte ein schöner Urlaub werden...


Für Pete (Will Ferrell) und Billie Stanton (Julia Louis-Dreyfus) und ihre beiden Jungs ist es der Skiurlaub ihres Lebens: eine Woche in den österreichischen Alpen. Da beide Elternteile in ihrem Job ordentlich gefordert werden, wollen sie nun für sieben Tage die Seele baumeln und den Alltag hinter sich lassen. Doch was als wunderbare Woche des Skifahrens und Zusammenseins geplant war, wird stattdessen zu einer Reihe unangenehmer und emotional belasteter Momente, in denen Pete und Billie auf eine Weise ehrlich mit sich selbst und untereinander sein müssen, wie sie es nicht erwartet hatten. Denn als zu Beginn der Reise eine kontrollierte Lawine über die Familie hereinbricht, reagiert Pete so gar nicht, wie es seine Familie eigentlich von ihm erwartet hätte…

Die Ausgangslage in «Höhere Gewalt» und «Downhill» ist dieselbe: Zu Beginn ihres Skiurlaubs wird die im Mittelpunkt stehende Familie von einer Lawine überrollt. Und auch wenn am Ende alles gut ausgeht, ist es vor allem das Verhalten ihres Gatten, das die Ehefrau und Mutter Billie nachhaltig verstört. Denn anstatt seine Liebsten zu beschützen, schnappt sich Pete nur noch rasch sein Smartphone, ehe er alleine flüchtet. Erst als sich die Lage beruhigt hat, kehrt er wieder zu ihnen zurück und hat längst mit der Situation abgeschlossen, während seine Gattin die vielen Eindrücke erst noch verarbeiten muss. Ein Streit schwillt an, der zusätzlich davon genährt wird, dass sich Pete keiner Schuld bewusst ist und seine Reaktion als Übersprungshandlung abtut, während Billie vom Verhalten ihres Mannes maßlos enttäuscht ist und fortan nicht nur seinen Gemütszustand, sondern insbesondere die Stabilität ihrer Ehe infrage stellt.

Während sich Ruben Östlund ab diesem Zeitpunkt vor allem auf die unausgesprochenen Querelen seiner Protagonisten konzentrierte, lassen Jim Rash und Nat Faxon ihre beiden Hauptfiguren von Anfang an offen miteinander kommunizieren. Schon lange vor dem Lawinenabgang scheint es zwischen Billie und Pete zu kriseln, auch wenn beide diese Tatsache als zwangsläufig abtun; schließlich sind die zwei schon lange miteinander verheiratet. Durch die Katastrophe werden die unterschwellig ausgetragenen Streitpunkte allerdings neu angeheizt.

Mit Humor zum Kern des Problems


Anstatt sich weiter hinter Ausreden und Rechtfertigungen zu verstecken – so lange, bis Östlund subtil die Möglichkeit eines großen Knalls heraufbeschwört – sucht Billie das Gespräch respektive den Streit. «Downhill» ist somit von Anfang an deutlich konfrontativer als «Höhere Gewalt», was den Machern insbesondere auf der Dialogebene diverse neue Möglichkeiten bietet. Denn wo Östlund in seinem Film den Umständen entsprechend keinerlei Humor zuließ, verorten Jim Rash und Nat Faxon ihre Geschichte klar auch in der Komödie. Denn wie Pete hier über bisweilen skurrile Argumentation seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen versucht, während sich Billie nicht minder amüsant als unfehlbar darstellt, obwohl sie Dinge, die sie von ihrem Mann erwartet, selbst nicht stemmen kann, wird von den Hauptdarstellern Will Ferrell («Holmes & Watson») und Julia Louis-Dreyfus («Genug gesagt») kongenial dargeboten. Immer auch die in ihnen schwelende Traurigkeit ob des geplatzten Traumurlaubs berücksichtigend, haben die beiden sichtbar Spaß an den großen, bis an die Grenze zur Hysterie angelegten Streits.

Eine Szene, in der ein von Pete als Überraschung geplanter Helikopterausflug aufgrund kleinster Unstimmigkeiten in ein absolutes Desaster mündet, ist auf der einen Seite zum Brüllen komisch und legt auf der anderen Seite all die Probleme zwischen dem Ehepaar frei, sodass man am Ende weder weiß: Soll man nun lachen oder weinen? Und auf welcher Seite stehe ich hier eigentlich?

Wie sich Jim Rash und Nat Faxon trotz ihrer gelungenen Akzentverschiebung trotzdem auch vor dem Original verbeugen, wird zwischendurch immer wieder deutlich, wenn die beiden respektive Kameramann Danny Cohen («Florence Foster Jenkins») nicht bloß einzelne Bilder wie etwa die des Lawinenabgangs aus «Höhere Gewalt» eins zu eins übernehmen und auf eine ähnlich dominante Musikuntermalung setzen, sondern zudem gezielt Szenenabläufe rezitieren. Dazu gehören auch Teile des Finals. Die Macher leugnen nie, dass ihr Film eigentlich auf einem anderen basiert. Spannender sind natürlich trotzdem vor allem jene Momente, in denen die beiden sich gezielt von der Vorlage lossagen. So überzeugt nicht bloß der finale Shot aufgrund seiner Doppeldeutigkeit wesentlich mehr als das deutlich düstere Ende aus «Höhere Gewalt». Auch die komplexere Figurenzeichnung des Ehepaares macht «Downhill» zu dem deutlich spannenderen Film.

Anstatt sich in der Debatte auf vorgefertigte Gendermuster zu konzentrieren, Pete in die Täter- und Billie in die Opferrolle zu drängen, liefern sich beide eine Debatte auf Augenhöhe, da beide nicht frei von Schwächen sind und die Frage, ob Pete wirklich ein Feigling ist oder nur im Affekt gehandelt hat, deutlich breiter aufgefächert wird. Und so ist «Downhill» letztlich der deutlich bessere Film. Auch wenn hier doch viel mehr gelacht werden darf als in Ruben Östlunds Original.

Fazit


Nat Faxon und Jim Rash übertragen Ruben Östlunds streitbares Ehedrama «Höhere Gewalt» auf das Genre der bissigen Komödie und liefern damit nicht nur den wesentlich unterhaltsameren sondern vor allem den gelungeneren Film ab, da sie sich nicht mit einfachen Rollenklischees zufriedengeben und ihre Figuren zudem komplexer zeichnen.

«Downhill» ist in den USA bereits als Stream erhältlich.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
13.04.2020 13:58 Uhr 1
"Höhere Gewalt" habe ich schon 2 mal gesehen!! Sorry, aber, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Remake soviel besserr sein soll!
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