Die Kino-Kritiker

«Countdown» - Eher was für Horror-Einsteiger

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Eine App, die dir anzeigt, wie viel Zeit du noch zum Leben hast – das ist die Prämisse von «Countdown», einem Teenie-Horrorfilm, der diesem Begriff endlich mal wieder so richtig gerecht wird.

Filmfacts: «Countdown»

  • Start: 30. Januar 2020
  • Genre: Horror
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Maxime Alexandre
  • Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
  • Buch & Regie: Justin Dec
  • Darsteller: Elizabeth Lail, Jordan Calloway, Talitha Eliana Bateman, Peter Facinelli, Dillon Lane
  • OT: Countdown (USA 2020)
1996 hauchte der mittlerweile verstorbene Horrorfilmer Wes Craven dem dato toten Horrorkino neues Leben ein. Er schuf mit «Scream» nicht nur den Horrorfilm der Dekade und kreierte mit Ghostface die erste Horrorikone seit Jason Vorhees, Michael Meyers, Freddy Krüger und Co., sondern erschloss sich direkt eine ganz neue Zielgruppe. Zwar waren junge Erwachsene auch in den Achtzigerjahren schon immer das Ziel oben genannter und diverser weiterer Killer in allen möglichen Slasher-Filmen, doch die derartige Massenproduktionen damals hauptsächlich konsumierenden Jugendlichen werden groß. Und da jede Generation mit ihren eigenen Horrorfilmen aufwächst, schossen nach «Scream» – neben insgesamt drei Fortsetzungen – noch viele weitere Emporkömmlinge dieses neu auf den Weg gebrachten Teenie-Horrortrends aus dem Boden; die «Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast»s, die «Düstere Legenden»s sowie die Hochglanz-Remakes von japanischen Horrorfilmen, in denen vornehmlich junge, hübsche Frauen zum Ziel des Terrors auserkoren wurden. Dieser Trend reichte weit bis in die Nullerjahre, eh er vom Torture-Porn abgelöst wurde, bis in den 2010er-Jahren schließlich anspruchsvoller Psychohorror das Gruselkino dominierte.

Justin Dec versucht mit seinem Kinodebüt «Countdown» nun die Lücke zwischen Werken wie «Midsommar» auf der einen und Filmen wie «Conjuring» auf der anderen Seite zu füllen; die Lücke, in der man Filme über Teenager am Rande des Wahnsinns verzweifelt sucht. Und was böte sich da besser an, als sich sogleich auch die Technik vorzunehmen, mit der die Jugend von heute wie auf magische Weise verschmolzen scheint? In „Countdown“ wird folgerichtig eine App zum Todbringer. Irgendwie nett, irgendwie bekannt, irgendwie okay.



Achtung: Die Todesapp geht um!


Eine App, die Deinen Todeszeitpunkt voraussagt? Kann doch nur ein Fake sein! Denkt anfangs zumindest die junge Krankenschwester Quinn (Elizabeth Lail), als sie diese runterlädt und ungelesen die Nutzungsbedingungen akzeptiert. Ausprobieren kann man es ja mal. Während ihren Freunden noch Jahrzehnte Lebenszeit bleiben, zeigt Quinns Display etwas anderes an: Nur noch drei Tage zu leben und der Countdown läuft! Schon bald überschlagen sich die Ereignisse: Quinn erfährt von ersten Todesfällen unter den Nutzern und eine unheimliche Gestalt scheint, sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Immer verzweifelter versucht sie, hinter das Geheimnis der mysteriösen App zu kommen. Als sie Matt (Jordan Calloway) kennenlernt, dessen Zeit ebenfalls abläuft, wollen beide gemeinsam ihren Todes-Countdown stoppen – zwei Tage, ein Tag, eine Stunde…

Man braucht gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: Natürlich wirkt schon die Prämisse von «Countdown» wie aus insbesondere zwei bereits existierenden Horrorfilmen respektive -Franchises zusammengeklaut: Die Idee vom unheilvollen Medium – damals noch von einer heute antiquiert anmutenden VHS-Kassette stammend – erinnert stark an «Ring», der wiederum in Filmen wie «Slender Man» mehr schlecht als recht referenziert wurde. Und der weiterführende Plot, der davon handelt, wie die Hauptfigur Quinn gemeinsam mit ihrem Bekannten Matt versucht, den Ursprüngen der App auf den Grund zu gehen und so den weiteren Lauf der Dinge durcheinander zu bringen, besitzt starke «Final Destination»-Vibes – und auch wieder jede Menge «Ring»-Flair. An diese beiden großen Klassiker des Genrekinos reicht «Countdown» erwartungsgemäß nicht einmal ansatzweise heran. Gleichzeitig bemüht sich der Regie-Neuling Justin Dec aber auch gar nicht zu sehr darum, diesem Vergleich auf Biegen und Brechen gerecht zu werden.

Dass man ihn zwangsläufig anstellt, einfach weil es bereits Geschichten mit ähnlich verorteter Geschichte gegeben hat, ist ja letztlich auch nur bedingt seine Schuld. Denn wenn sich sein Film in Inszenierung und Erzählung an eine Zuschauergruppierung richten soll, dann sind das wohl in erster Linie die Teile des Publikums, die bislang eher wenig bis gar nicht in Berührung mit dem Horrorkino kamen. Insofern lässt sich diese Kritik auch auf zwei verschiedene Arten weiterführen, sodass man auch bei der Bewertung zwei völlig unterschiedliche Résumés ziehen kann.

Hardcore-Fans bleiben zuhause


Als Kenner des Genres bietet «Countdown» absolut nichts, was man so oder ähnlich nicht schon zigfach (und auch zigfach besser) gesehen hat. Nach einem halbwegs atmosphärischen Prolog, in dem wir einer Partygemeinschaft beim gemeinsamen Download der App zusehen und anschließend erleben, wie eines der Pärchen auf ziemlich gewaltsame Weise seinen zugegebenermaßen verdienten Tod findet, ist die Prämisse etabliert: Diese App tötet. Und wenn man versucht, den Tod auszutricksen, wird es umso brutaler (wir haben den Vergleich zu «Final Destination» ja bereits gezogen). Je weiter die Uhr abläuft, desto erschreckender werden außerdem die damit einhergehenden Visionen der potenziellen Opfer, die der horrorerfahrende Kameramann Maxime Alexandre («Crawl») routiniert einfängt. Seine Kameraschwenks unterwerfen sich dem kleinen Einmaleins des Horrorkinos. Erfahrene Zuschauer werden immer ganz genau wissen, wann denn die nächste gruselige Fratze oder was das Publikum sonst erschrecken soll auftauchen wird. Dass «Countdown» außerdem vor allem im Dunkeln spielt und die Komponisten Danny Bensi («Der verlorene Sohn») und Saunder Jurriaans («Enemy») einen bedrohlichen Score erstellt haben, der während der Schocks besonders laut aufgedreht wird, versteht sich von selbst.

Es ist also irgendwie alles wie immer; nur dass sich Dec in einem Subplot auch noch an einem halbgaren #MeToo-Kommentar versucht, wirkt im Anbetracht des unentschlossenen Endes arg befremdlich da mutlos. Immerhin spielt Peter Facinelli («Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht») das schmierige Arschloch überzeugend genug, als dass zumindest die unterschwellige Bedrohung durch ihn jederzeit glaubt.

Doch was passiert eigentlich, wenn man sich einmal in jenen Teil des Publikums hineinversetzt, der das Horrorkino noch nicht in und auswendig kennt? Der bekommt mit «Countdown» letztlich eben doch einen solide produzierten Gruselfilm präsentiert, der insbesondere von der der Zielgruppe ebenfalls bestens bekannten und auch hier solide agierenden Hauptdarstellerin Elizabeth Lail getragen wird. Die aus der erfolgreichen Netflix-Serie «You» bekannte Mimin fungiert von ihrer ersten Szene an als sympathische Identifikationsfigur, die leidenschaftlich ihrer Arbeit als Krankenschwester nachgeht und mit derselben Passion versucht, dem Ursprung der App auf den Grund zu gehen. Wenn später auch noch der nicht minder enthusiastische Jordan Calloway («Black Lightening») hinzustößt, ergibt sich zwischen den beiden eine stimmige Chemie.

Im weiteren Verlauf von «Countdown» stößt Justin Dec zudem in weitere Subgenres vor; wenngleich vor allem der auf skurrile Weise abgewandelte Exorzismus-Part fast unfreiwillig komisch wirkt (hier soll nicht etwa einem Menschen ein Dämon ausgetrieben werden, sondern dem Smartphone), strapaziert der zudem für das Skript verantwortliche Dec sicher den Geduldsfaden des ein oder anderen Horrorliebhabers, führt Neulinge aber so auch an Auswüchse des Genrefilms heran, ohne es direkt mit aller Kraft hineinzustoßen. Und zum Ausgleich für die Anspannung im finalen Drittel hat Dec dann auch noch einen Comic Relief in Form eines dämonen-fanatischen Priesters im Köcher, den P.J. Byrne («Bombshell») so voller Inbrunst spielt, dass er damit wohl auch diejenigen kurz zum Schmunzeln bringen wird, die bis dato öfter gegähnt als sich erschrocken haben.

Fazit


Hast du bereits mehr als fünf Horrorfilme in deinem Leben gesehen, weißt, wie das Genre erzählerisch sowie inszenatorisch funktioniert und stehst ohnehin lieber auf die Psyche provozierenden Horror der Marke «Hereditary»? Dann lass bloß die Finger von «Countdown», du wirst dich eineinhalb Stunden langweilen. Hast du dagegen bislang eher Schiss vor dem Gruselkino gehabt und möchtest dich nun (trotzdem) langsam an das Grauen auf der Leinwand herantasten? Hast vielleicht Spaß an Serien wie «Supernatural», erschrickst dich gern und Filme wie «Ring» oder «Conjuring» sind dir einfach noch eine Spur zu heftig? Dann riskier‘ mal einen Blick auf «Countdown», er könnte dir gefallen.

«Countdown» ist ab dem 30. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

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