Soap-Check

«Herz über Kopf»: Auch Kathi ist gescheitert

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Soap Check special: Wieso die neue Dailys nicht zünden. Zuletzt scheiterten fünf Versuche von Privatsendern.

Fünf Versuche, fünf wenig erfolgreiche Enden. Keinem deutschen Sender ist es in jüngerer Vergangenheit gelungen, eine neue tägliche Drama-Serie im linearen Fernsehen zu etablieren. Nach «Alles oder Nichts» (Sat.1), «Schwestern – Volle Dosis Liebe», «Leben. Lieben. Leipzig» (beide RTL II, beide liefen nur für drei Wochen als ausgedehnte Testphase) und RTLs «Freundinnen» ist bald auch «Herz über Kopf» Geschichte. Die Crimenovela wird deutlich früher als geplant, nämlich am 7. Februar 2020, ihr Finale erhalten. Dann werden etwas mehr als 110 Folgen gelaufen sein. Geplant waren 180.

Einigen Ausreißern zum Trotz (in der Spitze kam «HüK» bis dato auf 10,2 Prozent), zuletzt lagen die Quoten der Produktion einer filmpool-Tochterfirma namens TFS (steht für The Fiction Syndicate) weit unter Senderschnitt – bei nur rund sechs Prozent – und somit noch einmal ein gutes Stück unter den Werten, die «Freundinnen» zuvor auf dem Slot generieren konnte. Die UFA-Produktion schaffte immerhin rund siebeneinhalb Prozent. Offenbar kam das etwas dunklere «Herz über Kopf» noch schlechter bei den Fans an als zuvor das locker-leichte und im Seichten fischende «Freundinnen», das ganz zum Schluss mit einem Knall in Form einer Geiselnahme von den Zuschauern ging.

Allein daran merkt man schon, wie vielschichtig der Aufbau einer normalen Daily sein kann. Es gibt unfassbar viele Faktoren, die die Macher hinter den Kulissen in der allerersten Planungsphase abstecken müssen. «Freundinnen» etwa entschied sich für eine gewisse Übersichtlichkeit, hatte vier ganz zentrale Figuren und ein paar weitere Nebencast-Figuren, sodass am Ende die Geschichten von zwölf bis 14 Leuten erzählt wurden. Im Vergleich zu anderen Dailys setzt auch «Herz über Kopf» auf einen eher kleinen Hauptcast: Zu Beginn waren es elf Figuren, seit Woche sechs ist mit Sebastian Engels ein zwölfter hinzugekommen. Vier weitere Darsteller, darunter Tanja Titschewitsch, gehören zum erweitertem Ensemble,

Vom inhaltlichen Aufbau her hat sich «HüK» dennoch einem klaren Sendungsversprechen verschrieben: Im Mittelpunkt steht, ganz wie früher bei bekannten Telenovelas, eine Frau im besten Alter: Kathi. Und Kathi war einst mit Manuel verheiratet, der in finanzielle Nöte geriet, einen Raub beging, untertauchte und somit Kathi und ihren im Rollstuhl sitzenden Sohn alleine ließ. Nach langem Warten verliebte sich Kathi in einen neuen Mann, der ausgerechnet verdeckter Ermittler ist und über Kathi eigentlich Manuel auf die Schliche kommen will. Der üblichen Zwei-Männer-kämpfen-gegeneinander-um-eine-Frau-Komponente kam hier also noch eine gewissermaßen berufliche hinzu. Manuel und Robert stehen sich antagonistisch gegenüber. Genau hier liegt aber schon der erste Denkfehler. Da Manuel ja gewissermaßen auf der Flucht ist, läuft das Gegenspiel zu Beginn nur über weite Entfernung.

Alle weiteren Geschichten, etwa eine Affäre von Robert mit einer Staatsanwältin, die Krankheit von Kathis Sohn oder Storylines rund um Kathis Schwester Sonja werden eher beiläufig eingestrickt. Am präsentesten sind da noch die Vorgänge im Polizeipräsidium gewesen – hier hat sich die produzierende Firma offenbar die früheren Nachmittagserfolge wie «Niedrig & Kuhnt» zum Vorbild genommen. Grundsätzlich sind die Storylines der Serie nämlich ähnlich simpel gestrickt, was wohl dem Sendeplatz um 17 Uhr Rechnung tragen soll. Es gilt weiterhin die Annahme, dass das Publikum zu dieser Zeit nicht die volle Aufmerksamkeit auf den Bildschirm richten kann, dass es teils auch Episoden verpasst und das Fernsehen also vermehrt Nebenbei-Medium ist. Das schließt allzu komplexe Wendungen und mannigfaltige Figurenzeichnungen aus.

Das Ergebnis sind aber vorhersehbare Wendungen und Figuren, die nach einem festen Schema gezeichnet sind. Der Zuschauer empfindet das mitunter als unstimmig oder sogar langweilig. Nun gilt den Machern per se kein Vorwurf; denn während «Freundinnen» sicherlich zu seicht war, scheiterte «Alles oder Nichts» an einem Wust aus Intrigen in einer steril wirkenden Baufirma. Wärmer und weniger verworren ging es beim RTL-Neustart um 17 Uhr zu, doch auch die Erzähltemperatur brachte keinen echten Einschaltimpuls hervor.

So darf nach nun mehr fünf kurzlebigen Versuchen und der Tatsache, dass die bisher „jüngste“ Daily im deutschen Fernsehen «Köln 50667» ist (gestartet vor knapp sieben Jahren), festgestellt werden, dass es hierzulande wohl unabhängig von der exakten Herangehensweise keinen Bedarf an einer neuen Daily gibt. Möglicherweise hängt das auch mit dem Aufkommen von Netflix und Co. zusammen. Die Dienste, die teuer produzierte Hochglanzserien mit vielen Folgen ebenfalls zeitlich flexibel und somit für jeden Zuschauer nach Bedarf als „Daily“ zur Verfügung steLLen, sind gerade auf diesem Sektor zu einer großen Konkurrenz geworden. Gut möglich, dass 2020 also ein Jahr wird, in dem die deutschen Sender von neuen fiktionalen Produktionen für den Nachmittag und Vorabend erst einmal die Finger lassen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Esel
01.01.2020 12:36 Uhr 1
Das Scheitern von Alles oder nichts finde ich immer noch enorm schade. Denn auch wenn bei der Umsetzung nicht alles geklappt hat und es zu wenig Sympathieträger gab, hatte die Serie viel Potential und den besten Bösewicht seit langem (Jascha Brock). Ich bin sicher, die inhaltlichen Startschwierigkeiten hätte man ausgeglichen bekommen. Aber es stimmt wohl leider, dass es zur Zeit keinen Markt für neue Dailys in Deutschland gibt.
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