Weißt du noch?

Watt, wer bist du denn?! Wie «The Masked Singer» die Aufspaltung unserer Mediengesellschaft aufzeigt …

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… und weshalb es dem Showgenuss keinen Abbruch tut. Oder: Weißt du noch, als Heinz Hoenig mit «Der große Bellheim» in aller Munde war?

Woche eins bei «The Masked Singer»: Nachdem ProSieben vorab damit warb, nur große Namen für die Show gewonnen zu haben, statt irgendwelche dahergelaufene Pseudoprominenz, wird der Oktopus enthüllt. Es ist Lucy Diakovska von den No Angels, woraufhin sich im Netz die Stimmen teilten. Die Einen waren von der Enthüllung ernüchtert. «The Masked Singer» habe also "nur" jemanden wie Lucy angeworben. Andere waren beeindruckt: Die Alben der No Angels holten in Deutschland immerhin achtfach Gold. Drei Alben der Girlgroup landeten auf Platz eins der Charts, Singles der Gruppe gelangten vier Mal auf die Eins. Und nach der No-Angels-Phase blieb Lucy durch Raab-Events und Musicalauftritte aktiv.

Woche zwei bei «The Masked Singer»: Susan Sideropoulos wird als der Schmetterling enttarnt. "Hä, wer ist die denn?", schallte es vereinzelt wieder durch's Netz. Für Andere ist Sideropoulos einer der größten Stars des deutschen Soap-Hypes der 2000er-Jahre, zusammen mit Alexandra Neldel und Yvonne Catterfeld, und es ist auch nicht so, als sei sie danach in den Ruhestand gegangen. Sie spielte 2013 in der Sat.1-Satire «Der Minister» mit, 2016 in der Kinokomödie «Gut zu Vögeln» und erst letztes Jahr hatte sie eine Gastrolle in der Sat.1-Comedy-Krimiserie «Einstein». Anders gesagt: Klar, Sideropoulos ist keine Helene Fischer, aber sehr wohl achtbare Medienprominenz.

Woche drei bei «The Masked Singer»: Der Kakadu nimmt seine Maske ab und stellt sich als Heinz Hoenig heraus. Während manche Showfans fragend vor dem Fernseher sitzen und sich wundern, ob sie nun erstaunt sein sollten, hält es andere kaum auf dem Sofa. Heinz Hoenig?! Der Heinz Hoenig hat sich auf diesen Wahnsinn eingelassen? Sensationell!

Heinz Hoenig, der Mann mit den Multimillionenerfolgen


Es ist schon seltsam, wenn nicht gar traurig, zu sehen, wie rasch offenbar im kollektiven Gedächtnis gigantische Erfolge verblassen. Heinz Hoenig hat allein mit den beiden «7 Zwege»-Realfilmen zusammengerechnet über zehn Millionen verkaufte Kinotickets auf dem Buckel. 2004 und 2006 gehörten die Märchenparodien zu den größten Hits, die über deutsche Leinwände flimmerten, und beeinflussten zu jener Zeit die hiesige Popkultur. Zitate wie ein überdramatisch ausgesprochenes "In jener Nacht …", "Das Aquarium schlägt zurück" oder das Lied "Hey Zwerge, hey Zwerge, hey Zwerge, ho" wurden auf Schulhöfen und in Büros rauf und runter zitiert.

Und die «7 Zwerge»-Filme waren noch lange nicht Heinz Hoenigs erster Kassenschlager. 1981 war er Teil der Besatzung in Wolfgang Petersens oft zitiertem, massenhaft wiederholtem und kürzlich auch als Sky-Serie weitererzähltem Klassiker «Das Boot». Er spielte auch in einem der wenigen erfolgreichen deutschen Kinothriller mit («Die Katze» von 1988) und in jüngeren Jahren war er beispielsweise auf der großen Kinoleinwand in der Ruhrpott-Nostalgie-Komödie «Radio Heimat» zu sehen.

Der vielleicht größte Eckpfeiler in Hoenigs Karriere dürften aber die TV-Mehrteiler sein, bei denen er unter der Regie Dieter Wedels agierte. 1993 erzählte Wedel an sogleich vier Abenden im ZDF mit «Der große Bellheim» die dramatische Geschichte eines ehemaligen Kaufhausleiters, der sich in seinem Ruhestand Sorgen um sein Erbe, die finanzielle Sicherheit seiner Firma und illegale Tricks machen muss. Hoenig spielt darin einen nach Rache gierenden Ex-Angestellten Bellheims, der nun Vorstandschef einer Handelsgruppe ist.

Die Kritik auf den Vierteiler fiel, trotz vereinzelter Vorwürfe, er würde sich szenenweise verdächtig eng an einigen US-Vorbildern entlanghangeln, überaus positiv aus, die Reichweite lag bei der Erstausstrahlung im Mittel bei rund elf Millionen Fernsehenden. 1996 legte Wedel für das ZDF mit dem Thriller «Der Schattenmann» sogar einen Fünfteiler nach. Neben Hoenig und dem «Der große Bellheim»-Hauptdarsteller Mario Adorf waren unter anderem Heinter Lauterbach und Claude-Oliver Rudolph in dem immens gefragten Straßenfeger zu sehen. Erneut gab es Vorwürfe des Ideendiebstahls, unter anderem aus «Der Pate», «Good Fellas» und John le Carrés Roman «Der Nacht-Manager», dessen ungeachtet wurde der Mehrteiler nicht zuletzt dank der Schauspielleistungen von Adorf und Hoenig mit Lob und Preisen überschüttet.

1998 arbeitete Hoenig dann mit Wedel am viel diskutierten Sat.1-Sechsteiler «Der König von St. Pauli», in dem er einen Boxer spielt, der mit einigen Freunden ein vor dem Verkauf stehendes Striptease-Lokal retten möchte. Bei der Erstausstrahlung insgesamt 620 Minuten lang, ist die Miniserie mittlerweile wohl besser durch ihre stark gekürzten ARD-Wiederholungen bekannt. 2002 geriet der ZDF-Sechsteiler Wedels, «Die Affäre Semmeling», derweil nach sehr starkem Start in die Negativ-Branchenschlagzeilen, weil er im weiteren Verlauf massiv an Reichweite verlor. Hoenig wurde dennoch gelobt – und Wedel sollte mehr als eineinhalb Jahrzehnte später deutlich schlimmere Schlagzeilen schreiben.

Popkulturelle Vergesslichkeit kann «The Masked Singer» auch nichts anhaben


Was lehrt uns das? Zunächst: Große Fernsehfilmerfolge sind keine Erfolge mit hoher kultureller Halbwertszeit. Zwar sind viele Wedel-Mehrteiler auf DVD erhältlich, manche von ihnen wurden auch mehrmals wiederholt, dennoch sind es eher einmalige TV-Ereignisse. Wer sie nicht miterlebt hat, wird sie wahrscheinlich nicht nachholen, während etwa Serien- und vor allem Kino-Klassiker bekanntlich die Jahrzehnte überdauern und so ihre Stars in der öffentlichen Aufmerksamkeit halten (so sollten wohl mehr Leute, die nach «Good Fellas» geboren sind, den Scorsese-Hit gesehen haben, als es beim «Der Schattenmann» der Fall ist).

Darüber hinaus zeichnen die Reaktionen auf die «The Masked Singer»-Enthüllungen ab, was passiert, wenn in Zeiten der fragmentierten Medienwelt plötzlich eine Sendung wieder über 25 Prozent Marktanteil generiert und jene vereint, die sonst getrennt fernsehen. Wer jung ist und primär ProSieben-Shows schaut, wird wohl kaum vergangenes Jahr Heinz Hoenigs über drei Millionen Menschen ansprechende Auftritte im ZDF-Krimi «Die Spezialisten» miterlebt haben. Und während selbst der Autor dieser Zeilen, der Soaps nie verfolgt hat, ein klar definiertes Bild von Susan Sideropoulos hat, weil ihre «GZSZ»-Glanzzeit stattfand, während der TV-Markt noch etwas kleiner war und man damals einfach durch Gespräche, Zapping, Auftritte in anderen Shows und Berichterstattung auch als Soap-Muffel von Sideropoulos Wind bekam, sieht es heute anders aus.

Der Name Joyce Ilg, der eine Zeitlang im Internet als potentielle Identität des Monsters gehandelt wurde, zeigt dies beispielhaft auf. Ist Ilg ein großer Name für «The Masked Singer»? Ein YouTube-Star, ganz ohne "Die zockt nur ihr Publikum ab"-Beigeschmack, der obendrein auch in TV und Film aktiv ist, sollte doch so wahrgenommen werden? Joyce Ilg bei «The Masked Singer» wäre damit zu vergleichen, Sideropoulos zur Blütezeit ihrer Karriere für solch eine Sendung zu gewinnen. Oder doch nicht? "Die Idee Ilg" rief nämlich auch Ablehnung hervor. Wer sei die denn schon, wurde geurteilt, "ich bin in den Winkeln YouTubes nicht unterwegs", lautete die Erklärung.

Wer noch vor fünf, maximal zehn Jahren ein Star in seinem Sektor war, sei es Sport, dramatisches Kino, Musik, komödiantisches Fernsehen oder sonstwas, wurde zu einem gewissen Grad auch von jenen wahrgenommen, die nichts damit am Hut haben. Heutzutage ist das mediale Dauerrauschen hingegen so groß, dass man schwerlich etwas mitbekommt, das man nicht gezielt verfolgt. Und ohne mediale Lagerfeuer, wie es «Wetten, dass..?» einst war, verschwinden die Ereignisse, bei denen die Mediennation gemeinsam über den jeweils eigenen Tellerrand blickt.

«The Masked Singer» macht dennoch großen Spaß, da hier Rategenuss, die Freude an irren Performances, eine Wohlfühl-Showdramaturgie und optional das Bejubeln respektierter Promis zusammenfinden. Selbst, wenn es ein Plus darstellt, muss man Heinz Hoenig nicht (wieder-)erkennen, um die Show zu genießen. Zudem sieht es so aus, als hätte die Redaktion die Promis breit genug gefächert zusammengestellt, damit nicht etwa eine demografische Gruppe alle Teilnehmenden als Stars erachtet und andere Zuschauergruppen niemanden wiedererkennen.

Und wer weiß – vielleicht etabliert sich «The Masked Singer» auf Dauer wirklich zu einem dieser raren TV-Lagerfeuer, bei dem Publikumsgruppen zusammenfinden, die sonst ihre getrennten Medienleben leben?

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