Die Kino-Kritiker

«X-Men: Dark Phoenix» - Kleiner Konflikt, große Wirkung

von

Die Zeichen für «X-Men: Dark Phoenix» standen lange nicht gut, doch nun erweist sich der neueste und vorerst letzte Teil der Mutantensaga als absolut souveränes Superheldendrama, das vor allem mit seinen Figuren überzeugt.

Filmfacts: «X-Men: Dark Phoenix»

  • Start: 6. Juni 2019
  • Genre: Action/Fantasy
  • Laufzeit: 113 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Mauro Fiore
  • Musik: Hans Zimmer
  • Buch & Regie: Simon Kinberg
  • Darsteller: Alexandra Shipp, Evan Peters, James McAvoy, Jennifer Lawrence, Jessica Chastain, Kodi Smit-McPhee, Michael Fassbender, Nicholas Hoult, Sophie Turner
  • OT: Dark Phoenix (USA 2019)
Die «X-Men»-Reihe hat mittlerweile knapp zwei Jahrzehnte auf dem Buckel und unterlag qualitativ ständigen Schwankungen. Während «Logan» und «Zukunft ist Vergangenheit» generell als die stärksten Filme des Mutantenuniversums gelten, gehören mit «Apocalypse» oder «X-Men Origins: Wolverine» auch einige Superheldenblockbuster dazu, die von der Kritik so richtig eins auf den Deckel bekommen haben. Letzteres gilt auch für den neusten Film der Reihe: «X-Men: Dark Phoenix» – und das schon lange bevor der Film der Presse, geschweige denn dem Publikum überhaupt vorgestellt wurde. Mit ein Grund dafür dürften die holprige Produktionsgeschichte – der Start des Films wurde mehrmals, zuletzt im September 2018, verschoben – und die den Film deutlich unter Wert verkaufenden Trailer sein. Und so ließ sich zum Zeitpunkt der Berliner Pressevorführung im Vorfeld der Interviews zu «Dark Phoenix» dann auch ein allgemeiner Missmut gegenüber dem Film vernehmen. So viel Voreingenommenheit ist schade – und wir können an dieser Stelle Entwarnung geben.

Die vorab veröffentlichten Vorschauen werden dem Kern der Handlung, die hier, anders als suggeriert, viel mehr im Mittelpunkt steht als die solide Action, nicht gerecht und die Verschiebung des Films ist ja letztlich sowieso nur eine (zugegebenermaßen unschöne) Randnotiz. Als Abschluss des Mutantenuniversums braucht sich «X-Men: Dark Phoenix» also keineswegs verstecken.

Aufstieg des dunklen Phoenix


Im Zuge einer lebensgefährlichen Mission im Weltall verliert Jean Grey (Sophie Turner) beinahe ihr Leben als sie ein kosmisches Wesen absorbiert, das sie mit Kräften ausstattet, die weit über jenen liegen, die sie oder alle anderen Mutanten besitzen. Nach ihrer Rückkehr auf die Erde kämpft sie mit diesen gottgleichen Fähigkeiten, aber die Mächte in ihr lassen sich nicht bändigen. Jean verliert die Kontrolle über sich, fügt jenen Schmerzen zu, die sie am meisten liebt. Ihre Taten führen zu einem Zerwürfnis unter den X-Men, die Helden sehen sich plötzlich mit ihrem bislang gefährlichsten Feind konfrontiert – einer Mutantin aus den eigenen Reihen.

Wenn man den Trailern Glauben schenkt, dann ist «X-Men: Dark Phoenix» in erster Linie vollgestopft mit Effekten. Bei einem Film, in dem gerade auf der Zielgeraden Menschen mit außerweltlichen Fähigkeiten miteinander kämpfen, benötigt man die natürlich auch – doch das, womit die aller erste Regiearbeit von Drehbuchautor und Filmproduzent Simon Kinberg (schrieb auch schon die Skripte zu «X-Men: Apocalypse», «Zukunft ist Vergangenheit» und «Der letzte Widerstand») punkten kann, ist ausgerechnet all das, wofür man gar keine Computereffekte braucht. Nach einem kurzen aber eindringlichen Auftakt im Weltall, in dem Jean mit ebenjener dunklen Materie in Berührung kommt, durch die sie später zu gigantischen Kräften gelangt, spielt sich der damit einhergehende Konflikt weniger auf körperlicher denn vielmehr auf emotionaler Ebene ab. Insbesondere der um den Ruf der Mutantengemeinschaft fürchtende Professor Charles Xavier (James McAvoy) gerät in den Fokus und später sogar in Verruf, eher an seinem eigenen (Helden-)Image interessiert zu sein, als an der Sicherheit seines Teams.

Die Widersprüchlichkeit seines Charakters und seiner Pläne ist dann zeitweise sogar spannender als die eigentliche Hauptfigur, denn auch wenn «Game of Thrones»-Star Sophie Turner die innere Zerrissenheit ihrer mit den Kräften hoffnungslos überforderten Jean glaubhaft und emotional mitreißend verkörpert, geraten ihre Aussagen und Taten nicht halb so überraschend wie die ihres Mentors. Mit Ausnahme einer Szene, in der Simon Kinberg nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell angenehm konsequent ist. Nur so viel: Nicht alle werden die Ereignisse überleben…

Keine Weltenrettung, sondern innere Konflikte


Neben Charles Xavier und Jean Grey bekommt Erik Lehnsherr alias Magneto (Michael Fassbender) die meiste Aufmerksamkeit. Herausgerissen aus seinem selbst gewählten Leben in Abgeschiedenheit, hat er ganz persönliche Gründe, um den ‘Dark Phoenix‘ zu finden. Durch die unterschiedlichen Interessen innerhalb der X-Men und die damit einhergehenden verschiedenen Plänen, sich an der Rettung der jungen Frau zu beteiligen, entwickelt sich im Inneren der Gemeinschaft ein weitaus emotionalerer Konflikt als sonst, wenn die Welt wieder nur ein weiteres Mal vor irgendeinem Gegner gerettet werden muss. Das bekommt man im Falle von «X-Men: Dark Phoenix» vor allem daran zu spüren, dass sich die Auftritte der von Jessica Chastain («Molly’s Game») verkörperten Gegenspielerin Vuk wie Fremdkörper anfühlen. «Dark Phoenix» ist einer dieser Filme, der ohne einen klassischen Antagonisten sogar noch besser funktioniert hätte.

So gibt es immerhin Abzüge in der B-Note, denn die Beweggründe der bleichen Außerirdischen sind zumindest nachvollziehbar und ohne sie sähe eine große Actionszene im letzten Drittel des Films nicht halb so spektakulär aus, wie sie es jetzt tut.

Simon Kinberg profitiert sowohl als Regisseur als auch als Autor stark von den unterschiedlichen Fertigkeiten und Beschaffenheiten seiner Helden. Wenngleich das Finale von «Dark Phoenix» schon stark in Richtung CGI-Overkill tendiert, rettet Kameramann Mauro Fiore («Die glorreichen Sieben») Großteile der Szenen mit Übersicht und Kinberg damit, dass er die Choreographien so abwechslungsreich wie möglich gestaltet. Hier wird geschlitzt, geschossen, geprügelt und vor allem von den abwechslungsreichen Mutantenfähigkeiten Gebrauch gemacht. Darüber hinaus reizt Kinberg das PG-13-Rating respektive die FSK-Freigabe ab 12 Jahren so weit aus wie möglich, um auch Knochenbrüche und blutige Aufspießungen zumindest kurzzeitig in Nahaufnahme präsentieren zu können. Komponistenikone Hans Zimmer unterlegt das Ganze mit einem extra treibenden Soundtrack, ohne dabei in allzu trashige «Illuminati»-Gefilde abzudriften.

Und wenn man dann zu guter Letzt nochmal einen Blick auf die Cast-Liste wirft, dann ist es schon beachtlich, wer aus der einst klein begonnen «X-Men»-Reihe alles hervorgegangen ist: James McAvoy («Glass»), Michael Fassbender («Song to Song»), Jennifer Lawrence («mother!») und Nicholas Hoult («Mad Max: Fury Road») sind mittlerweile Weltstars, die hier noch immer mit genau derselben Inbrunst aufspielen wie zu ihren Anfangszeiten. Die nicht minder tüchtigen Evan Peters («Elvis & Nixon»), Kodi Smit-McPhee («Alpha»), Alexandra Shipp («Love, Simon») und nicht zuletzt Sophie Turner könnte es nicht besser getroffen haben.

Fazit


Auch wenn „X-Men: Dark Phoenix“ nicht zwingend einen klassischen Bösewicht gebraucht und dem Finale eine Reduktion der Computereffekte gut getan hätte, ist der vorerst letzte Film aus dem Mutantenuniversum eine gelungene emotionale Auseinandersetzung mit inneren Konflikten, die viele neue Diskussionsansätze rund um die bekannten Figuren bietet und noch dazu angenehm kurzweilig ist.

«X-Men: Dark Phoenix» ist ab dem 6. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D.

Kurz-URL: qmde.de/109868
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelRTL probiert’s am Nachmittag wieder mit einer Gerichtsserienächster Artikel«NBA Finals» zwingen die Konkurrenz in die Knie
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung