Die Kino-Kritiker

«Alpha»: Tödliche Langeweile

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Ein Junge und sein Hund, 20.000 Jahre in der Vergangenheit: Der jugendliche Sohn eines Stammesanführers geht während der Jagd verloren und kümmert sich um einen verletzten Wolf, womit eine neue Art der Freundschaft geboren wird. Klingt kitschig bis süß – ist aber dröge.

Filmfacts: «Alpha»

  • Regie: Albert Hughes
  • Produktion: Albert Hughes, Andrew Rona
  • Drehbuch: Daniele Sebastian Wiedenhaupt; nach einer Story-Idee von Albert Hughes
  • Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Jóhannes Haukur Jóhannesson
  • Musik: Joseph S. DeBeasi
  • Kamera: Martin Gschlacht
  • Schnitt: Sandra Granovsky
  • Laufzeit: 96 Minuten
Es ist der Stoff, aus dem unzählige Familien-Abenteuerfilme gesponnen werden: Ein Junge lernt ein wildes Tier kennen, vorzugsweise einen unbändigen Hund, freundet sich mit ihm an und erlebt gemeinsam mit dem Vierbeiner spannende Geschichten. Natürlich geht es zwischendurch auch um Leben und Tod, damit auch ja die Tränendrüsen des jungen Publikums und der sentimentaleren Elternteile gedrückt werden. Das kann unausstehlich kitschig werden oder schlicht, aber süß. Oder im Falle von «Alpha» in gepflegte Langeweile enden. Und das trotz des erzählerischen Kniffs, dass sich dieser Film sozusagen um die allererste "Ein Junge und sein Hund"-Geschichte der Menschheitsgeschichte dreht.

Denn «Alpha» handelt von einem Eiszeit-Menschen, der einen verletzten Wolf umsorgt, wodurch sie sich anfreunden und gemeinsam Jagen gehen. Aber selbst dieses Alleinstellungsmerkmal hilft «Alpha» nicht, um positiv aus der Masse herauszustechen. Eher sogar im Gegenteil. Dabei führte doch Albert Hughes, also eine Hälfte des brüderlichen Regie-Duos hinter den knallharten Soziodramen «Menace II Society» und «Dead Presidents», Regie und dachte sich zudem die Story aus.

Und so ganz kann oder will Albert Hughes sein inszenatorisches Naturell auch nicht abschütteln: «Alpha» mag eine Familienfilmgeschichte erzählen und streckenweise auch klar auf Kinder (oder die inneren Kinder des älteren Publikums) abzielen. So wird die Domestizierung des Wolfes historisch vollkommen inakkurat auf wenige Tage heruntergebrochen und die Logik der realen Welt auf die herzliche Logik eines Familienfilms zurecht gebogen. Wolf fletscht Zähne, Wolf bekommt Trinknapf, Wolf schlabbert freundlich-knuffig dreinblickend aus dem Napf, Wolf lässt sich bald darauf streicheln. Der Kopf mag rebellieren, aber für das tierliebe Herz von Kindern und innerlich Junggebliebenen ist das schlüssig.

Hughes und Drehbuchautor Daniele Sebastian Wiedenhaupt überspannen den Bogen allerdings wiederholt und verpassen «Alpha» all die lachhaften Tropen eines miesen Prequels. "Erinnert ihr euch an diese Charaktereigenschaft einer beliebten Figur? In diesem Moment wurde sie geboren!"-Passagen werden hier lustig auf die Mensch-Hund-Beziehung umgemünzt: Nahezu alle Hundeklischees werden in «Alpha» innerhalb von wenigen Erzählminuten und wenigen Tagen Handlungszeit 'entdeckt'. Da muss man schon ein riesiger Hundefan sein, um das noch süß zu finden.

Und dennoch: So kindlich-großäugig Hughes hier die Geburtsstunde der Mensch-Hund-Freundschaft aufzieht, ersäuft er dies in einer grau-gräulich-erdfarbenen Bildästhetik und lässt unsere menschliche Hauptfigur (Kodi Smit-McPhee) und seinen pelzigen Begleiter mehrmals brutale Attacken und knochenbrecherische Missgeschicke durchleiden. Diese mildert Hughes auch weder durch Komik noch durch muntere Abenteuerstimmung auf. Selbstverständlich ist gegen härtere Familienunterhaltung nichts zu sagen – die lieben Kleinen halten wesentlich mehr Aufregung aus als ihre Eltern oft lieb haben wollen.

Jedoch ist es eine Frage der Balance, ob ein Familienabenteuer mit Gewaltspitzen zu einem «Antarctica – Gefangen im Eis» wird (also zu einem aufregenden, eisigen Schlittenhunde-Survivalabenteuer mit Paul Walker) oder zu einem Streifen, bei dem sich die naiv-kindliche Logik und der starr-grimme inszenatorische Tonfall gegenseitig aufgeben und letztlich nur dröge, zähe Filmminuten ergeben.

Die atonale Grundstimmung von «Alpha» ist die eine Sache, der visuelle Aspekt eine andere: Obwohl für diesen Film zahlreiche Außenaufnahmen gemacht wurden, sieht «Alpha» nahezu durchweg wie ein verstaubtes X-Box-360-Spiel aus. Kameramann Martin Gschlacht («Amour Fou») leuchtet die Szenerien matschig aus, und in der Postproduktion muss auch allerhand schief gelaufen sein, so leblos, künstlich und eintönig sehen die Schauplätze dieses Abenteuers aus, das Cutterin Sandra Granovsky ohne größeren Sinn für Kontinuität zusammenfügt. Hughes' Gimmick, wiederholt das Geschehen im Seitenprofil einzufangen und so den Aufbau vieler Höhlenmalereien zu imitieren, hat derweil etwas für sich, selbst wenn der Regisseur es sehr beliebig einsetzt.

Untermalt von austauschbarer Musik des Komponisten Joseph S. DeBeasi mutet «Alpha» wiederholt wie eine Realfilmversion von Pixars Flop «Arlo & Spot» an, nur mit Mensch und Hund statt mit Dinosaurier und Höhlenmensch als zentrale Figuren. Abgesehen davon, dass der Pixar-Film wenigstens eine starke Optik aufweist, während «Alpha» sich zum Ausgleich hinsichtlich bemühter Rührseligkeit zurückhält – und sogar ganz nebenher jahrtausendealte Weltbilder die Schlucht hinunter schubst, indem ganz klar gemacht wird, dass ein guter Anführer nicht nur Stärke, sondern auch Besonnenheit benötigt. Zu der Erkenntnis kommen nicht einmal diverse Filme, die im Hier und Jetzt spielen. In dieser Ödnis von einem Film ist das doch ein erfreulicher, kleiner Lichtblick.

Das macht jedoch längst nicht vergessen, dass für «Alpha» fünf Bisons getötet wurden, bloß um in diesem durchweg dröge und künstlich aussehenden Film als Requisite zu dienen. Ob das ein K.O.-Kriterium für «Alpha» ist, liegt im Auge der Betrachtenden, aufgewertet haben die toten Bisons den Film oder seinen Look jedenfalls nicht.

Fazit: Ein kindlich-naives, grimmiges, trotzdem kitschiges Familien-Survivalabenteuer, das in matschiger Optik vor sich hin plätschert: «Alpha» ist einfach nur öde.

«Alpha» ist ab dem 6. September 2018 in einigen deutschen Kinos zu sehen.

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