Hingeschaut

«Die Superhändler»: Sükrü Pehlivan probiert's mal ohne Gemütlichkeit

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Mit einem duellorientierten Aufeinandertreffen von Verkäufern und Händlern möchte RTL ab sofort dem Trödel-Genre neuen Schwung verleihen. Das kann klappen, scheiterte in der Vergangenheit aber schon einmal auf einem anderen Sender.

Raus aus der gescripteten Einöde: Von nun an sollen die beiden neuen Formate «Die Superhändler - 4 Räume und 1 Deal» um 14 Uhr sowie «Freundinnen - Jetzt erst recht» um 17 Uhr dafür sorgen, dass sich der RTL-Nachmittag wieder zunehmend für diejenigen Zuschauer öffnet, die kein Interesse an erfundenen Betrugs-, Verdachts- und Blaulichtsreportsfällen in der Dauerschleife haben. Und die Zeit drängt auch allmählich, denn das einstige Hype-Genre der Daytime liegt inzwischen derart konsistent unterhalb der Sendernorm, dass es die Gesamtbilanz des Privatsenders immer stärker belastet. Der frühere der beiden Neustarts leidet von Beginn an darunter, dass er offensichtlich an «Bares für Rares» erinnert und damit Probleme haben wird, aus dessen großem Schatten herauszutreten. Dabei setzt die Sendung durchaus ihre eigenen Akzente - ein Lob, das jedoch eher nach Großbritannien gehen muss als nach Köln.

Denn die neue Produktion von UFA Show & Factual ist eine Adaption der britischen Erfolgsshow «Four Rooms», was RTL auch ganz offen kommuniziert - gerne angereichert mit der Information, dass die Sendung dort schon länger läuft als Horst Lichters Superhit hierzulande. Das Konzept: Vier Kandidaten versuchen pro Sendung, ihre Schätzchen an die Händler zu bringen, die isoliert voneinander in vier Räumen sitzen. Dabei muss der Verkäufer entscheiden, in welcher Reihenfolge er die Händler konsultieren möchte, denn er darf jeden Raum nur einmal betreten und muss dort einen finalen Deal erzielen oder eben das jeweilige Angebot final ausschlagen.

Kommt Ihnen diese Idee vielleicht dunkel bekannt vor? Dann müssen Sie nicht zwingend britisches Fernsehen konsumiert haben, denn - und das kommuniziert die Kölner Programmstation aktuell weitaus schmallippiger als die britische Herkunft - die Sendung lief hierzulande bereits vor zwei Jahren. Der Norddeutsche Rundfunk zeigte damals unter der Moderation von Kai Pflaume drei Folgen unter dem einigermaßen nichtssagenden Titel «Wer bietet mehr?» und konnte uns schon damals inhaltlich überzeugen. Doch statt der Vision Hauptprogramm wurde das Projekt schnell wieder eingestampft, da es nicht auf Anhieb auf die erhoffte Gegenliebe beim Publikum stieß. Der ersten negativen Vorerfahrung im deutschen Fernsehen zum Trotz bietet der zweite Anlauf für die Beteiligten auch große Chancen: Für UFA Show & Factual, mit dem Konzept in Deutschland doch noch Fuß zu fassen. Und für RTL, mit einer handwerklich bereits gelungenen Umsetzung zu dem Erfolg zu kommen, der in Großbritannien seit 2011 bereits zu Buche stand.


Härter und lauter: RTL reißt den Trödel aus der Gemütlichkeit


Hinsichtlich des Grundtons jedenfalls unterscheiden sich «Die Superhändler» in zweierlei Hinsicht recht deutlich vom ZDF-Genre-Pendant: Man betont deutlich stärker den "Duell"-Charakter zwischen Verkäufer und Händler, die als zwei Antagonisten auftreten und stark divergierende Interessen verfolgen. Dabei spielt das 1:1-Aufeinandertreffen eine wichtige Rolle, denn während bei «Bares für Rares» die Händler als fünfköpfige Gruppe auf ein Exponat losgelassen werden und eher das Ziel verfolgen, sich bei Interesse gegenseitig zu übertreffen, ist deren primärer Gegenspieler hier der Verkäufer. Zumeist laufen die Treffen in den einzelnen Zimmer also in etwa so ab, dass der jeweilige Händler das zum Verkauf stehende Stück abzuwerten versucht, während der Besitzer es so wertvoll wie möglich quatscht - und anschließend eine schrittweise Annäherung bis zur jeweiligen monetären Schmerzgrenze stattfindet, sofern beide Parteien wahrhaftig an einem Deal interessiert sind. Im ZDF dagegen blickt der Verkäufer meist vergleichsweise unbeteiligt auf die Gruppendynamik und muss sich erst zum Ende hin entscheiden, ob er sein kleines oder großes Schmuckstück zum höchsten gebotenen Preis verkaufen möchte.

Darüber hinaus unterscheidet sich aber auch die Aufmachung der beiden Sendungen relativ deutlich: «Bares für Rares» ist so etwas wie der Urquell der Gemütlichkeit und Entspanntheit, der seinen Experten mehrmals pro Folge die Zeit einräumt, minutenlang über ein Exponat, dessen Geschichte und dessen heutigem Marktwert zu monologisieren. Diese meist reichlich unspektakulären, aber inhaltlich bereichernden Einschätzungen fehlen in dem RTL-Format quasi komplett - ebenso wie die Bereitschaft, hin und wieder Momente des Schweigens und der Ruhe hinzunehmen. Diese Sequenzen, etwas nach einem Verkaufsgespräch auftretend, werden zumeist mit kraftvollen oder emotionalen Ausschnitte aus bekannten Popsongs angereichert, was die Sendung im direkten Vergleich weitaus lauter wirken lässt und ihr den heimeligen Charme des Lichter-Formats nimmt.



Der Moderator ist ein Volltreffer, die Händler machen Hoffnung


Mehr zu Sükrü Pehlivan

  • kommt 1972 in Mönchengladbach zur Welt und lebt dort auch heute noch
  • beginnt schon als Kind, auf Flohmärkten Dinge zu verkaufen, um sein Taschengeld aufzubessern
  • ist gelernter Fachinformatiker und arbeitete als Programmierer (eröffnete 2003 die erste eBay-Verkaufsagentur Deutschlands)
  • ist seit 2005 im Fernsehen zu sehen, sein bekanntestes Format «Der Trödeltrupp» läuft seit 2009
  • eröffnet 2010 einen eigenen Goldhandel (Filialen in Mönchengladbach und Düsseldorf)
In vielerlei Hinsicht positiv hervorzuheben ist die Ernennung von Sükrü Pehlivan als Moderator der Sendung - so offensichtlich diese Wahl für ein Format der RTL-Gruppe auch sein mag, immerhin läuft sein «Trödeltrupp» bereits seit 2009 erfolgreich auf RTL II. Pehlivan fungiert als Moderator und Experte in Personalunion und präsentiert sich dank seiner jahrelangen Erfahrung insbesondere als Begleiter und Berater der Verkäufer als sehr stark: Er nimmt sie an die Hand, sagt offen und ehrlich seine Meinung, wenn er eine Preisvorstellung für oberzogen hält, versucht aber nichtsdestotrotz stets, auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen und ihnen die optimale Strategie für die jeweiligen Konsultationen bei den Händlern mit an die Hand zu geben.

Damit ist er für diese Sendung nicht nur weitaus wertvoller als Horst Lichter für «Bares für Rares», der im Grunde der verzichtbarste Protagonist der besagten Sendung ist und wahrscheinlich noch heute dem Herrgott dafür dankt, ihm diesen ebenso späten wie unverhofften Karriereschub beschert zu haben. Auch im Vergleich mit Kai Pflaume («Wer bietet mehr?») kann Pehlivan auf deutlich mehr Argumente verweisen, weshalb er genau der Richtige ist, um als Gesicht dieser Sendung herzuhalten - kaum jemand würde seinen Bezug zum Trödel oder sein Fachwissen in Frage stellen. Verzichtbar sind allerdings die Plattitüden, die er hölzern in die Kamera plappert, wenn er alleine im großen Flur steht, während in einem der Räume gerade ein Deal gemacht wird - oder auch nicht.

Einen guten Ersteindruck hinterlassen überdies auch die vier Händler, die allesamt unterschiedliche Hauptinteressen im Hinblick auf die Exponate abdecken und zudem unterschiedliche Charaktere verkörpern, die mehr oder minder typisch für einen telegenen Geschäftsmann (oder -frau) sind. Auch wenn sich erst mit der Zeit zeigen wirkt, wie gut die Chemie wirklich ist, stimmt einen der Ersteindruck durchaus positiv.

Kleiner Quotentipp: Wie gut läuft «Die Superhändler» in der Zielgruppe (14-49 Jahre)?
Herausragend, ich erwarte 15% oder mehr.
7,3%
Ziemlich gut, zwischen 12,5% und 15% sind drin.
19,3%
Mittelprächtig, aber noch zweistellig.
26,6%
Nicht einmal zweistellig, erwarte nur etwas mehr als 8%.
26,6%
Desolat, wird nicht mal 8% einfahren.
20,2%


Fazit: Zweiter Anlauf für «Four Rooms» könnte gelingen


Unterm Strich ist «Die Superhändler» ebenso wie schon die vorherige NDR-Adaption dieser aus dem Vereinigten Königreich stammenden Idee gut gelungen - was nicht weiter überrascht, da die Verantwortlichen hinter der Kamera jeweils UFA Show & Factual sind. Die Aufmachung der Sendung ist für den Privatsender ein wenig fetziger und krawalliger geraten, die Optik etwas weniger stilvoll, aber davon abgesehen unterscheiden sich die beiden Adaptionen von «Four Rooms» nicht allzu sehr. Die Sendung hatte schon vor zwei Jahren weitaus mehr Potenzial, als der öffentlich-rechtliche Sender ganz offensichtlich in ihr gesehen hat und auch 2018 noch gibt es gute Gründe dafür, anzunehmen, dass es auf dem Markt der Trödelshows kaum Kreationen gibt, die realistischer mit «Bares für Rares» koexistieren können als diese hier - vor allem auch, weil die inhaltliche Nähe zum vorhandenen Daytime-Hit nicht so groß ist, dass man lediglich wie eine nette, aber letztlich verzichtbare Kopie daherkommt, die nichts Eigenes zu bieten hat.

Problematisch ist neben dem Umstand, dass von den diversen Anläufen, weitere Trödelsendungen im deutschen Fernsehen erfolgreich zu etablieren, generell kaum einer und der Versuch mit diesem Konzept im Speziellen schon nicht gelang, auch der nicht ganz angenehme Sendeplatz: Eingeklemmt zwischen «Punkt 12» und eben doch wieder zwei altbekannten Scripted Realitys wird man sich wohl schwer damit tun, das Publikum aufzutreiben, das Lust auf Trödel hat und erfährt, dass sich neuerdings beim RTL um 14 Uhr nicht mehr angebrüllt wird. Dem deutschen Fernsehen wäre ein Erfolg aber zu wünschen, denn sehenswerter als das in den vergangenen Monaten und Jahren meist auf diesem Slot versendete Material ist das neue Baby von Sükrü Pehlivan allemal.

RTL zeigt «Die Superhändler» von nun an immer montags bis freitags um 14 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/103311
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