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VoD-Analyst Max Reichert: 'Eines der absoluten Erfolgsrezepte von Netflix ist die Ansprache von jüngeren Frauen'

von   |  2 Kommentare

VoD-Serien sind skandalresistent, dafür hat der gesamte Streamingmarkt ein massives Problem damit, Frauen über 40 anzusprechen. Reichert gibt im Quotenmeter.de-Interview mehr Einblicke – und verrät, welche Filme in der VoD-Welt besonders gefragt sind.

Zur Person

Max Reichert ist Research Associate beim deutschen VoD-Marktforschungsunternehmen Goldmedia. Goldmedia ist Kooperationspartner mit Quotenmeter.de und stellt für uns wöchentlich die zehn meistgestreamten Serien Deutschlands zusammen.
Wie erhebt Goldmedia heute seine Daten zur VoD-Nutzung?
Mit den Goldmedia VoD-Ratings werden seit Januar 2017 Zuschauerzahlen für den deutschen Pay-VoD-Markt ermittelt. Dadurch existiert erstmals ein Analysetool für detaillierte Auswertungen zur VoD-Nutzung auf Pay-VoD-Portalen wie Netflix, Amazon Prime Video, Sky oder maxdome. Methodisch fußt die Erhebung auf einer rollierenden Online-Befragung mit 80.000 Befragten pro Jahr. Erfasst werden die Zuschauerzahlen als „Day-after-Recall".

Neben der genauen Analyse des Nutzerverhaltens – bis auf die Ebene konkreter Abrufzahlen für einzelne Titel – liefern die Goldmedia VoD-Ratings auch detaillierte Informationen zu den Anbieterkatalogen. Die Basis bildet eine Titeldatenbank mit inzwischen 1,7 Mio. Pay-VoD-Titeln aus allen Anbieterplattformen.

Was hat sich in der Datenerhebung geändert, seit Goldmedia damit begonnen hat, die VoD-Nutzung zu erfassen?
Wir beschäftigen uns bei Goldmedia schon sehr lange mit dem VoD-Markt. Bereits 2014 haben wir erste Forecasts erstellt – noch bevor Netflix am Markt war. In der Folge haben wir immer wieder und zu unterschiedlichen Zeiten Messungen durchgeführt, dann aber festgestellt, dass wir die Entwicklung des Marktes – vor allem auf Titelbasis – nicht ausreichend abbilden können. So haben wir schließlich eine tägliche Messung entwickelt, mit der wir Markttrends sehr viel genauer darstellen können.

Wir verfeinern und optimieren unser Tool kontinuierlich. Zum Beispiel werden wir die Stichprobe weiter vergrößern, um so den Long-Tail noch besser abbilden zu können.
Max Reichert
Gibt es Pläne, wie Goldmedia die Datenerhebung künftig weiter verfeinern will?
Wir verfeinern und optimieren unser Tool kontinuierlich. Zum Beispiel werden wir die Stichprobe weiter vergrößern, um so den Long-Tail noch besser abbilden zu können. Zudem haben wir mittlerweile eine wirklich beeindruckende Datenbasis, mit der wir seit Anfang des Sommers ein KI-Tool füttern. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir damit komplexe Prognosemodelle für Reichweiten im VoD-Bereich erstellen.

Einmal spitzfindig gefragt: Zu welchem Zweck erhebt Goldmedia eigentlich die VoD-Nutzung? Die Fernsehsender brauchen die GfK, um die Quoten zu erheben, da sie es selber nicht können – die Streamingdienste dagegen kennen ihre eigenen Nutzungszahlen …
Das stimmt, aber die Streamingdienste kennen eben auch nur ihre eigenen Zahlen. Was jedoch bei den anderen Anbietern wirklich gut läuft, sehen sie nur bei uns. Gleiches gilt für Produktionsfirmen und Fernsehsender, die unser Tool abonniert haben – es geht um Konkurrenzbeobachtung, faktenbasierte Argumente für Lizenz-Verhandlungen mit den Plattformen und vor allem auch um das frühzeitige Erkennen von Trends.

Zudem sagen die reinen Abrufzahlen wenig darüber aus, wer den Titel tatsächlich gesehen hat, oder wie viele Leute vor dem Bildschirm gesessen haben. Wir aber wissen das.

Wir erleben bei Serien häufig, dass kurz vor Erscheinen der nächsten Staffel die Zuschauerzahlen der vorherigen Staffel steigen. Beispielsweise beim Start der neuen Staffel von «Tote Mädchen lügen nicht»: Hier zeigte sich, dass eine größere Zahl männlicher Zuschauer die erste Staffel nachgeguckt hat – offenbar um dann mit der Partnerin die zweite Staffel gemeinsam beginnen zu können.
Max Reichert
Welche drei Statistiken, die Sie erhoben haben, finden Sie persönlich am erstaunlichsten – und weshalb?
Viermal im Jahr fassen wir, zusätzlich zur tagesaktuellen kontinuierlichen Erfassung der Zuschauerzahlen, die wichtigsten Entwicklungen und Trends in Quartalsberichten zusammen – unseren VoD-Quarterly Reports. Natürlich kommt es bei den Auswertungen dann auch vor, dass uns Zusammenhänge überraschen. Wichtig aber ist vor allem, dass wir für Trends, die man bei den täglichen Auswertungen sieht oder erahnt, auch belastbare Daten haben. Welche Trends ich hervorheben würde:

Eines der absoluten Erfolgsrezepte von Netflix ist die Ansprache von jüngeren Frauen. Kein VoD-Anbieter hat in dieser Zielgruppe mehr Nutzer. Netflix richtet auch seine Eigenproduktionen verstärkt auf diese Zielgruppe aus und ist hier gegenüber anderen inhaltlich im Vorteil. Frauen ab 40 sind unter den Nutzern fast überall unterrepräsentiert – vielleicht auch deswegen, weil die entsprechenden Inhalte fehlen. Dies ist eine klare Marktlücke im VoD-Bereich.

Ein weiterer Trend ist das „Nachgucken“. Wir erleben bei Serien häufig, dass kurz vor Erscheinen der nächsten Staffel die Zuschauerzahlen der vorherigen Staffel steigen. Beispielsweise beim Start der neuen Staffel von «13 Reasons Why» (deutsch: «Tote Mädchen lügen nicht») auf Netflix: Hier zeigte sich unter anderem, dass eine größere Zahl männlicher Zuschauer die erste Staffel nachgeguckt hat – offenbar um dann mit der Partnerin die zweite Staffel gemeinsam beginnen zu können.

Oder dieser Trend: Netflix ist mittlerweile bei vielen Smart-TVs mit einer eigenen Taste auf der Fernbedienung vertreten – und diese Strategie zahlt sich offenbar aus: Während lange die Nutzung über Laptop und Tablet die präferierten Nutzungswege waren, liegt bei Netflix die Nutzung über Smart-TVs mittlerweile gleichauf.

Bei Serien hat uns überrascht, dass sie relativ robust gegenüber der Medienberichterstattung scheinen. Zum Beispiel wurden die Abrufzahlen von «House of Cards» so gut wie gar nicht negativ beeinflusst vom Skandal um Kevin Spacey.
Max Reichert
Gibt es im Streamingverhalten Deutschlands rückgängige Entwicklungen, die Sie ausmachen können seit Goldmedia seine Arbeit begonnen hat, etwa „diese Altersgruppe nimmt vom Streaming Abstand“ oder „Hitserie X war schlagartig out“?
Wir sehen momentan, dass das heiße Wetter sich auch auf das Streaming auswirkt, es scheint also auch ein „VoD-Sommerloch“ zu geben wie beim klassischen Fernsehen. Ansonsten gibt es bislang keine Hinweise, die auf eine negative Entwicklung in bestimmten Altersgruppen schließen lässt. Im Gegenteil: Der Markt wächst weiter.

Bei Serien hat uns überrascht, dass sie relativ robust gegenüber der Medienberichterstattung scheinen. Zum Beispiel wurden die Abrufzahlen von «House of Cards» so gut wie gar nicht negativ beeinflusst vom Skandal um Kevin Spacey.

Gibt es neue Trends, die Sie in der VoD-Landschaft ausmachen?
Zum einen natürlich, dass es immer mehr nationalen Content mit Eigenproduktionen gibt, der dann international vermarktet wird. Zum anderen sind interessante Entwicklungen im Sportbereich und bei Gameshows zu beobachten, wo einige VoD-Anbieter schon erste Schritte gewagt haben. Unsere Zahlen zeigen zudem, dass sich Eurosport Player und DAZN erfolgreich im Markt platzieren konnten. Und es gibt auch erste spannende Kooperationen mit Medien außerhalb des VoD-Bereichs, beispielsweise bei Computerspielen. VoD ist also nicht mehr nur allein ein Thema für Filme und Serien.

Ein weiterer Trend ist sicherlich die Öffnung für Inhalte von Drittanbietern: Amazon verfolgt diese Strategie auf den Fire-TV-Geräten schon länger und schließt Netflix-Inhalte in die Suchfunktion mit ein. Aber auch Sky hat auf seiner neuen Plattform Netflix eingebunden. Dieser Trend zu Kooperationen kommt den VoD-Nutzern entgegen, denn so wird der Zugang zu Inhalten mehrerer Plattformen immer einfacher. Unsere Daten zeigen auch, dass ein Großteil der VoD-Nutzer Zugang zu mehr als einer Plattform hat und dass diese Tendenz weiter steigt.

Auf den großen Mainstream-Plattformen sind die Blockbuster, die auch im Kino gut laufen, die Zuschauermagneten. Vor allem Superheldenfilme aus der «Avengers»-Serie funktionieren gut.
Max Reichert
Bei Quotenmeter.de berichten wir ja wöchentlich über die Seriencharts in Deutschlands VoD-Welt – aber gibt es auch erstaunliche Fakten in Sachen Film, die Sie an dieser Stelle verraten können?
Im VoD-Bereich werden deutlich mehr Serien als Filme abgerufen. Auf den großen Mainstream-Plattformen sind die Blockbuster, die auch im Kino gut laufen, die Zuschauermagneten. Vor allem Superheldenfilme aus der «Avengers»-Serie funktionieren gut. Aktualität ist hier einer der wichtigsten Faktoren. Das macht in diesem Bereich u.a. Sky Ticket sehr attraktiv, wo in der Regel die aktuellsten Filmtitel laufen.

An sich haben es Film-Eigenproduktionen im VoD-Bereich schwerer als Serien. Eine Ausnahme war hier aber z.B. der Film «Bright» mit Will Smith, der im Dezember 2017 bei Netflix erschienen ist und – trotz durchwachsener Kritiken – eine große Zuschauerzahl erreichen konnte.

Besten Dank für die informativen Antworten.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
04.08.2018 16:45 Uhr 1
Ist ja echt nen Ding: die Anspraxhe von jüngeren Frauen....ich bin Mann, 51 Jahre, und gucke die Inhalte dort genauso!
Quotermain
05.08.2018 09:06 Uhr 2
Erfolgsrezept "jüngere Frauen" ?



Das müssen dann wohl alles Couchpotatoes sein.

Sonst wäre "Solo, A Star Wars Story" im Kino ein Erfolg gewesen.

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