Die Kritiker

«Angst – Der Feind in meinem Haus»

von

Na dann mal auf gute Nachbarschaft! Heino Ferch und Anja Kling ziehen als Ehepaar mitsamt ihren Kindern in eine neue Wohnung. Der neue Nachbar entpuppt sich jedoch zunehmend als kranker Stalker.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Heino Ferch als Randolph Tiefenthaler
Anja Kling als Rebecca Tiefenthaler
Udo Samel als Dieter Tiberius
Dietrich Hollinderbäumer als Hermann Tiefenthaler
Hary Prinz als Sebastian
Sandra Borgmann als Anwältin
u.a.

Hinter der Kamera:
Regie: Thomas Berger
Buch: Dirk Kurbjuweit
Kamera: Frank Küpper
Produzenten: Jutta Lieck-Klenke, Dietrich Kluge
Im Gegensatz zur Familie kann man sich seine Nachbarschaft prinzipiell aussuchen, allerdings lernt man die üblicherweise erst kennen, nachdem man sich für eine Wohnung entschieden hat. Das musste Dirk Kurbjuweit vor langer Zeit leidvoll in Erfahrung bringen. Der Autor und Journalist schrieb einen in großen Teilen autobiographischen Roman über das Erlebte, das er selbst als „Horror“ bezeichnet: Ein beängstigender Stalker im eigenen Haus, der ihm und seiner Familie Missbrauch an den eigenen Kindern vorwirft – eine beängstigende Situation, die rein theoretisch jeden treffen könnte, was diesen Horror so greifbar macht. Nun wurde diese Geschichte unter dem Titel «Angst – Der Feind in meinem Haus» für das ZDF als Psychothriller verfilmt:

Randolph Tiefenthaler (Heino Ferch) und seine Frau Rebecca (Anja Kling) ziehen mit ihren beiden Kindern in eine schöne Stadtvilla aus der Gründerzeit. Bedingung für den Kauf des Hauses war, dass Herr Tiberius (Udo Samel), der Bruder des ehemaligen Besitzers, weiterhin im Souterrain wohnt. Aus anfänglich netten Aufmerksamkeiten des älteren Herrn wird schnell übergriffiges Verhalten. Tiberius belästigt erst Rebecca und stalkt schließlich die ganze Familie. Er behauptet sogar gegenüber der Polizei, die Kinder würden von den Eltern sexuell missbraucht.

"My Home is my Castle" heißt es, aber diese Familie hat keinen Raum mehr, in den sie sich zurückziehen kann. Das Schreckliche für die Eltern ist ihre eigene Hilflosigkeit, denn sie wissen sich nicht wirklich zu wehren gegen den Nachbarn im Souterrain. Bei den Tiefenthalers liegen die Nerven blank, statt Alltag herrscht nur noch Angst. Doch weder von der Polizei noch von einer Anwältin ist Unterstützung zu erwarten. Da bietet Hermann Tiefenthaler (Dietrich Hollinderbäumer), Polizist in Pension, seinem Sohn Hilfe an.

Gleichzeitig wird ein weiterer Handlungsstrang verfolgt, der sich im weiteren Verlauf des Plots geschickt mit dem Hauptstrang verbindet: Die Entfremdung der beiden Ehepartner. Weil Randolph angibt, praktisch täglich länger zu arbeiten und deshalb seine Abende im Büro zu verbringen, spioniert ihm Rebecca nach und überprüft, ob es vielleicht eine andere Frau in seinem Leben gibt. Da liefert der Stalker natürlich noch einmal besonderen Zündstoff. Denn obwohl sie eigentlich sicher sind, dass der Ehepartner sich niemals an den Kindern vergreifen würde, bekommen sie die Bilder, hervorgerufen durch die Briefe des Nachbarn, nicht mehr aus dem Kopf.

Zudem müssen sie mit den Reaktionen der Personen umgehen, denen sie von den Problemen mit dem Stalker erzählen. Die Zweifel wachsen, ob man sich mit dem Satz „Ich habe meine Kinder nicht sexuell missbraucht“ nicht erst Recht verdächtig macht. Glaubt einem das gegenüber? Diese Frage beschäftigt Randolph und Rebecca sowohl im Umgang mit ihrer Anwältin, als auch mit ihren Freunden. Zudem sehen sie sich einem Austausch von Täter und Opfern ausgesetzt, da sie mit ihrem zur Schau gestellten Reichtum das arme ehemalige Heimkind mit schwerer Vergangenheit provozieren würden. Gleichzeitig sind dem Jugendabend und der Polizei die Hände gebunden. Der Rechtsstaat stößt selbsterklärend dort an seine Grenzen, wo keine Straftaten nachgewiesen wurden. Die Reaktionen der Hauptcharaktere sind ebenso emotional wie nachvollziehbar und liefern für andere Eltern ein hohes Identifikationspotential.

Insgesamt bringen Heino Ferch und Anja Kling die Besorgnis gegenüber den Kindern, im Falle Klings die Angst gegenüber dem Nachbarn, und die schiere Wut auf den Stalker überzeugend auf den Bildschirm. Allerdings machen sich die beiden nicht nur Sorgen um ihre Kinder, sondern auch um ihr Ego und ihre Investition. Dabei lässt sich eine archaische Rollenverteilung erkennen: Da die sorgenvolle, ängstliche Mutter, die die vermeintliche Gefahr früher erkennt und als verletzliches Opfer dargestellt wird, dort der Mann als Familienoberhaupt, von dem erwartet wird die Probleme zu lösen. Ein konservatives, allerdings immer noch übliches Fernsehbild des deutschen Familienlebens.

Die Psychoattacken auf die Familie verfehlen also nicht ihre Wirkung auf die Eltern, ihre Wirkung auf den Zuschauer funktioniert allerdings nur bedingt. Zwar ist kontinuierlich ein ordentliches Spannungsniveau gegeben, zu einem richtig fesselnden Psychothriller fehlt möglicherweise etwas das Überraschungsmoment. Zu viel erscheint vorhersehbar, unerwartete Wendungen wollen nicht recht gelingen. Dabei ist der langsame Aufbau der Spannung durchaus gelungen. Zunächst erscheint der Nachbar lediglich als netter, möglicherweise etwas schrulliger Typ, doch mit jedem Brief, mit jedem Blick den er in die Wohnung wirft, wird die Angst der Familie greifbarer. Trotz der überzeugenden Performance von Udo Samel als wirklich unheimlicher Nachbar, hinterlässt dessen Figur auf Grund seiner Unbedarftheit kaum nachhaltigen Eindruck.

Das ZDF zeigt «Angst - Der Feind in meinem Haus» heute, den 16. Oktober um 20.15 Uhr.

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