Die Kritiker

«Tödliche Geheimnisse - Jagd in Kapstadt»

von   |  2 Kommentare

Ein Film, der selbst Donald Trumps kürzlich gefeuertem Chefideologen Steve Bannon wohl zu paranoid und demagogisch wäre: Die prominent besetzte ARD-Eigenproduktion lässt einen vor intellektueller Zumutungen ergrausen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Nina Kunzendorf als Rommy Kirchhoff
Anke Engelke als Karin Berger
Katja Riemann als Lilian Norgren
Oliver Masucci als Paul Holthaus
Paula Beer als Tessa Norgren
Benjamin Sadler als Prof. Jonas Schwarz
Francis Chouler als Larry Jordan

Hinter der Kamera:
Produktion: Two Oceans Production und Wiedemann & Berg Television GmbH
Drehbuch: Florian Oeller
Regie: Sherry Hormann
Kamera: Armin Golisano
Produzenten: Gabriela Sperl, Max Wiedemann und Quirin Berg
Fassen wir das Weltbild des im November hier bereits verrissenen, an anderer Stelle aber vielgelobten Films «Tödliche Geheimnisse» zum Einstieg noch einmal zusammen: Ein bösartiger, Monsanto nachempfundener Konzern vergiftet wissentlich die ganze Welt mit hochgefährlichen Pestiziden, und anstatt das zu unterbinden, will die Europäische Kommission Wege finden, um ihm dieses Verbrechen auf ewig weiter zu ermöglichen, wofür man mit den Verhandlungen zum amerikanischen Freihandelsabkommen den perfekten Mechanismus gefunden zu haben glaubt. Der Konzern, respektive seine Chefin Lilian Norgren (Katja Riemann), geht freilich auch ganz persönlich über Leichen und lässt Lobbyisten, die die Seiten wechseln wollen, eiskalt verschwinden. Engagierte, ehrbare, der Sache verpflichtete Journalistinnen befinden sich selbstverständlich in höchster Gefahr.

Dieses Weltbild ist in Deutschland äußerst populär: Monsanto als ein Geschwür des globalen Kapitalismus, und die Europäische Kommission als eine ruchlose Institution, die frevelhaft und böswillig die Interessen ihrer Bürger aus selbstsüchtigen bis ideologischen Motiven verkauft, wovon nur eine winzige finanzielle Elite profitieren kann und soll.

In dieser albernen, aber bei einem bestimmten Publikum effektiven Verkürzung durchzog den ganzen Film die gemeine Unappetitlichkeit der Demagogie. Er war ein Pamphlet: ein substanzloses, intellektuell unsinniges, aber nicht minder wirkungsvolles. Er mochte sich in seiner Ambition sicherlich gerne mit Alan J. Pakulas Meisterwerk «All the President’s Men» vergleichen lassen. Doch er landete beim diametralen Gegenteil und wirkte eher wie das scheußliche «Steam Experiment», jener wahnhafte klimaskeptische Ausfluss von Donald Trumps kürzlich gefeuertem Chefdemagogen Steve Bannon.

Die ARD war der Ansicht, dass ein solch tumbes Machwerk eine Fortsetzung verdiente. Die steht uns nun am Samstagabend ins Haus. Die äußere Handlung ist weitgehend unwichtig, und nach wie vor wenig mehr als der Vorwand, um die mittlerweile schier wahnhaften Verschwörungstheorien abzuspulen, die den dramaturgischen Kern der Produktion ausmachen: Die Journalistin Rommy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) sucht immer noch nach Paul Holthaus (Oliver Masucci), jenem Lobbyisten des Monsanto-Verschnitts Norgreen Life, der die Seiten wechseln und auspacken wollte, bevor die Chefin des menschenverachtenden Konzerns Lilian Norgren ihn kidnappen ließ. Um so zu tun, als erzähle man nicht nur politisch relevant, sondern auch mit emotionaler Tiefe und psychologischer Hintergründigkeit, darf Lilian Norgren das Kind ihres verschwundenen Lobbyisten austragen, während Rommy Kirchhoff zunehmend zum Mutterersatz für Paul Holthaus‘ Sohn wird. Auf ihrer Suche nach dem Verschwundenen, und um an weitere Informationen über die gemeingefährlichen Machenschaften von Norgreen Life zu gelangen, hat es sie nun nach Südafrika verschlagen.

Denn gerade auf Feldern in der afrikanischen Provinz wird Norgreens hochgiftiges Pankosal (lies: Glyphosat) tonnenweise eingesetzt – mit entsprechend hohen Krebsraten, die Norgreen Life und die mit ihm verbandelten Behörden freilich ohne größere Schwierigkeiten unter den Teppich kehren. Um allerdings weiterhin den Anschein zu erwecken, als sei man Philanthrop, entwickelt im Auftrag des Konzerns der deutsche Forscher Professor Jonas Schwarz (Benjamin Sadler) im Kongo eine Genschere, mit der sich die durch Glyphosat, Verzeihung: Pankosal, verursachten Krankheitsbilder heilen lassen. Mit stolzen Preisen, die sich ein afrikanischer Farmer natürlich nie wird leisten können, aber hehren Zielen, und selbstverständlich mit Methoden, bei denen unaufgeklärten und an der Sache desinteressierten Deutschen die Düse geht: Genmanipulation.

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn eine Produktion wie «Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt», die ihre Haltung allein aus Befindlichkeiten statt aus Fakten bezieht, diesem Thema nicht im Mindesten skeptisch, in der Essenz aber gänzlich ablehnend gegenüberstände. Zwar werden die enormen Möglichkeiten in stark dialogisierten Passagen tatsächlich anerkannt, durch die Handlung aber negiert. Denn alle Charaktere, die mit ihr zu tun haben, sind entweder von bösartigen Zielen zersetzt oder scheitern letztlich vollständig daran, diesen etwas Nennenswertes entgegenzusetzen. «Tödliche Geheimnisse» kann sich einen Nutzen für die breite Menschheit nur in einer völligen Abwesenheit kapitalistischer Strukturen vorstellen.

Interessant ist derweil die Beobachtung, dass Lilian Norgren nicht die am negativsten geführte Figur dieses Films ist. Diese zweifelhafte Ehre wird Larry Jordan (Francis Chouler) zuteil, einem Yuppie-Milliardär aus dem Silicon Valley, der mit dem Genscherenprojekt Zoe (lies: Crispr Cas9) von Professor Schwarz Milliarden machen will und dabei nur auf den ersten Blick edlere Ziele und aufrichtigere Werte vertritt als die Inkarnation des Bösen und Selbstsüchtigen Lilian Norgren. Die darf in der Fortsetzung zwar keine Abbitte für ihre Verbrechen aus dem ersten Teil leisten und torkelt nach wie vor als gewinnsüchtige und menschenverachtende Antagonistin durch den Film. Doch immerhin hat sie daran zu knabbern, dass ihre Tochter aus Ekel vor ihren Untaten den Kontakt zu ihr weitgehend eingestellt hat. Ihr werden menschliche Seiten zuerkannt, die Larry Jordan mit seiner Ideologie der Allesvernetzung – der dieser Film freilich genauso ablehnend gegenübersteht wie multilateralen Handelsabkommen und jedweder Art von Gentechnik – verwehrt bleiben.

Am Schluss – den darf man hier aus Mangel an narrativer Relevanz vorwegnehmen – scheitern Rommy Kirchhof und ihre (berufliche wie private) Partnerin Karin Berger (Anke Engelke) natürlich wieder einmal. Investigative Journalistinnen, so der mittlerweile bekannte Tenor, haben trotz aller Ambition gegen verbrecherische Konzernchefinnen und korrupte politische Strukturen nichts auszurichten. Diese defätistische, einer Selbstkastrierung gleichkommende Haltung ist schon an sich ein Schlag ins Gesicht der aufrichtigen Reporter, die tagtäglich verschiedenste Missstände gegen die vermeintlich übermächtigen Gegner aufdecken. «Tödliche Geheimnisse» diskutiert nicht ihre Probleme, die Grenzen ihrer professionellen Möglichkeiten, die zahlreichen, schwierigen Hindernisse, die sie bei ihrer Arbeit zu bewältigen haben – er stellt ihre Arbeit vielmehr als von Beginn an im Kern nutzlos dar. Sie müssen den Kampf verlieren, damit diese Dramaturgie funktioniert und ihr Weltbild folgerichtig zementieren kann: Dass wir finsteren Machenschaften diffuser Mächte weitgehend schutzlos ausgeliefert sind. Man könnte meinen, Florian Oeller sei ein Pseudonym für Xavier Naidoo.

Die von diesem Film verfolgte Argumentation wäre von zwei Seiten angreifbar: Einmal dadurch, dass diese diffusen finsteren Mächte nicht existieren, beziehungsweise nicht im Ansatz diese Macht haben, die uns dieser Film glauben lassen will. Dass demokratische Kontrollinstanzen und die Jurisprudenz funktionierende Korrektive sind und ihre Aufgaben nicht fehlerfrei, aber doch im Kern ordnungsgemäß ausführen. Und zweitens dadurch, dass investigative (journalistische) Arbeit nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist wie in der Welt, die «Tödliche Geheimnisse - Jagd in Kapstadt» uns vorstellt.

Die funktioniert freilich so erschreckend einfach, wie sie sich auch Donald Trump und Nigel Farage vorstellen. Bei ihnen heißen die diffusen finsteren Mächte Special Interests, Deep State, Liberal Elites oder Europäische Union, bei Rommy Kirchhof und Karin Berger: Agrarlobby, Chemielobby, Gentechniker und Freihandelsabkommen. Donald Trump und Nigel Farage entwickeln aus ihrer Ideologie heraus Gegenmodelle zu dem von ihnen wahrgenommenen Ist-Zustand; zwar unsinnige, aber in sich immerhin kohärente: wirtschaftsprotektionistische Maßnahmen und ein Rückzug aus dem Internationalismus. «Tödliche Geheimnisse» gelingt es dagegen nicht einmal, ein sinniges Gegenmodell zu den angeblichen Zuständen zu beschreiben, die es für so abartig hält. Der Film bleibt argumentativ armselig, inhaltlich unredlich und in seinem Duktus demagogisch. Steve Bannon würde er gefallen. Einem Gros der hiesigen Publizisten ebenfalls. Das sollte uns zu denken geben.

Das Erste zeigt «Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt» am Samstag, den 26. August um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/95239
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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
25.08.2017 14:21 Uhr 1
Das lustige dabei ist, das die Zeitschrift TV-Movie einen roten Stern vergab und es lobte. Aber keine Bange, das ist bei denen völlig normal, da jeder Film der aus Deutschland kommt automatisch einen roten Stern bekommt!
Sentinel2003
29.10.2017 10:55 Uhr 2
Hab jetzt erst Teil 1 gesehen und fand den Super!! Bin grad bei Teil 2, find den aber leider nach ca 20min. noch etwas schlechter....
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