Hingeschaut

«Promi Big Brother» zum Fünften - und zum Letzten?

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Mit einigen fragwürdigen Änderungen vermittelte Sat.1 in den vergangenen Wochen den Eindruck, als hielte man die Reality-Show in diesem Jahr weitgehend auf Sparflamme. Und die Auftaktfolge? Die landete ein paar Punkte in der B-Note und vermittelte nicht den Eindruck eines «Promi BB Light» - der erhoffte Turbo nach dem schwachen Vorjahr wurde aber auch noch nicht gezündet.

Die drei größten Privatsender des Landes sind in diesen Tagen zum Punkten verdammt, hat sich doch die ohnehin seit Jahren schon andauernde Krise des Privatfernsehens zuletzt noch deutlich verschärft. Mittendrin im Kampf gegen den schleichenden Bedeutungsverlust ist bereits seit Jahren Sat.1, das nun immerhin zwei Wochen lang am späten Abend dank «Promi Big Brother» auf die mediale Relevanz hoffen darf, die dem Routineprogramm zunehmend abgeht. Zur selbstinszenatorischen Folklore gehört da fast schon standesgemäß, auch die neueste fünfte Staffel als kleine Revolution eines Formats anzupreisen, das in seiner Ursprungsform bereits steil auf die Volljährigkeit zugeht. Härter, spannender und spektakulärer sollten die Lebensbedingungen für die Bewohner, der in guter alter Orwell-Tradition bedrohlich heroisch über allem thronende große Bruder und die Duelle werden, glaubte man der Sat.1-PR.

Dieser zu glauben, fiel zahlreichen Fans allerdings in diesem Jahr besonders schwer, streute man doch in den vergangenen Wochen immer wieder kleine Details, die in ihrer Gesamtbetrachtung eher für eine televisionäre Austeritätspolitik stehen als für großen Aufbruch und eine Sendung, die nun ihren großen Glanzpunkt zu erreichen gedenkt: Es gibt diesmal keinen Livestream mehr ins Haus, der es den Menschen ermöglicht, anderen Menschen beim Menschsein vor Kameras zuzuschauen. Es gibt nur noch bei der Auftakt- und Finalshow ein Studio-Publikum, die Halbzeitshow am kommenden Freitagabend wird nicht mehr als großes Primetime-Event aufgezogen, sondern lediglich als ganz normale Tageszusammenfassung gegen 22:15 Uhr. Und - nicht nur für zahlreiche Hardcore-Anhänger eine äußerst verblüffende Entscheidung, sondern auch für viele objektive Branchen-Beobachter - die «Lateshow» auf sixx fällt weg. Trotz toller Quoten und bisweilen unterhaltsamerer Inhalte als in den gerade 2016 wieder recht zähen Shows im Hauptprogramm muss Melissa Khalaj ihr Dasein von nun an mit Aaron Troschke in den Untiefen des Internets fristen.


"Nichts" ersetzt Kanalisation, Jochen ergänzt Jochen


Im Gegenzug befördert wurde dafür Jochen Bendel, der gemeinsam mit Jochen Schropp nun durch die Hauptshow führen darf. Und das tut er im ersten Anlauf gleich einmal sehr wortreich und leicht überdreht. Dabei ergänzt sich das Duo gleich bei der ersten gemeinsamen Live-Show überraschend gut, neigt allerdings auch dazu, jeden Moment "totzuquasseln". So gerne man das «Big Brother»-Urgestein auch da sehen mag und so sehr man es ihm gönnt, drei Jahre nach dem vermeintlichen Tiefpunkt seines Schaffens - dem Einzug ins RTL-Dschungelcamp - wieder in moderierender Funktion im Hauptprogramm angekommen zu sein, so sehr beschleicht einen auch das Gefühl, dass zwei Jochens auf einmal über 15 Abende hinweg doch schnell anstrengend werden können. An Klasse und Witz haben die Moderationstexte jedenfalls nicht zugelegt, wenngleich sie zumindest die allerschlimmsten marzahn'schen Vulgarismen hinter sich gelassen haben. Aber die Menge und Rasanz an bemüht humorigen Anmerkungen ist bei der Premiere schon recht hoch ausgefallen - nur zünden wollte eben kaum etwas.

Als Pluspunkt sahen viele Fans die Abkehr von der Kanalisation, deren abschreckende Wirkung im vergangenen Jahr rasch im Nichts verpufft ist und lediglich für eine Trennung der Teilnehmer sorgte, die mitunter gar die Dynamik im Haus hemmte. So ganz wollten sich die Macher von Endemol Shine aber offensichtlich noch nicht von der Luxus-Elend-Ambivalenz lösen: im "Nichts" lebt nun der Großteil der Teilnehmer, das glücklichste Quartil jedoch darf ins "Alles" ziehen. Das ist Ver- und Entschärfung zugleich, denn das Nichts hat bei weitem nicht so viel Nichts zu bieten wie Keller bzw. Kanalisation in den Vorjahren, das zu erstrebende Alles wiederum bleibt aber nur einem kleinen Teil der Promis vorbehalten. Doch so sehr man sich auch darum bemüht, den schwächeren Bereich als besonders hart, karg und spartanisch zu kennzeichnen, bleibt zunächst mal der Eindruck haften, dass man sich unter einem Nichts doch auch deutlich weniger hätte vorstellen können.


Die Duelle: Größe schützt nicht vor Beliebigkeit


Was allerdings dafür umso mehr im Nichts verpufft, ist die vollmundige Ankündigung, dass die Duelle in diesem Jahr eine deutliche Aufwertung erfahren und in einer großen Arena stattfinden sollen. Groß wirkte das am Ende der Show gezeigte Spiel zwar durchaus, aber zugleich auch reichlich fantasielos von etlichen bereits bestehenden Action-Spielshows abgekupfert: Die beiden Duellanten (oder besser: ihre Vertreter, weil Sarah Knappik und Zachi Noy (Foto) zwar vom Publikum auserwählt wurden, aber ihre Körper dieser Belastung offenbar nicht standhalten) steigen in überdimensioniert große Kugeln und müssen sich durch einen Pool kämpfen, bevor sie anschließend im Mittelteil eines großen Kreisels zehn Sekunden lang ausharren sollen. Nett, ganz kurzweilig, aber auch beliebig - und sicherlich kein einleuchtendes Argument dafür, das Studiopublikum zu verbannen. Blöd für das Duell-Konzept überdies, dass sich die Gruppe ohnehin schon im Vorfeld komplett einig war, dass es doch bitte Zachi nach all seinen Strapazen zu gewinnen habe - selbst Sarah Dingens.

Thema Studiopublikum: Das gab es ja an diesem Abend durchaus noch, wenn auch irritierenderweise nur im ersten Teil der Show und ganz anders als in den Vorjahren. Feierte sich Sat.1 zuletzt noch für ein besonders pompöses Studio, standen Schropp und Bendel diesmal auf einem Podest inmitten von Fans, was von sympathischer Nähe zeugte, in einigen Szenen aber den für nach Perfektion und der Aufrechterhaltung einer Illusion der völligen Dauerekstase beim Medienkonsum strebende Fernsehmacher den unschönen Nebeneffekt hatte, dass man manchen Menschen anmerkte, wie semi-euphorisiert sie nach einer Stunde Standgucken von Einspielern und Anmoderationen waren. In diesem Punkt lässt sich aber wirklich mal sagen, dass sich der Auftakt in diese Staffel elementar anders angefühlt hat als 2013 bis 2016. Und dieses "Anders" soll einmal wertungsfrei im Raum stehen bleiben.


Teilnehmerfeld macht Hoffnung - auf Zoff und Fremdscham


Im Haus selbst steht natürlich zunächst einmal das gegenseitige Beschnuppern im Vordergrund, wobei die ersten Impressionen durchaus die Hoffnung des eventorientierten Reality-Teilzeit-Touristen und Profi-Twitterers auf Kasalla und hirnzerreißende Dümmlichkeit nähren. Als heißeste Anwärterin auf die Superbrain-Goldmedaille spielt sich in Folge eins die nach ihrer Teilnahme beim «Bachelor» wohl in irgendeinem Paralleluniversum fast schon bekannte Evelyn Burdecki (Foto) in den Mittelpunkt, als sie wenig verständig, aber umso begeisterter wirkend über das Konzept der künstlichen Befruchtung aufgeklärt wird. Es wird weiterer Unterrichtsstunden bedürfen, um ihr zu erklären, dass Mütter gemeinhin weniger dafür bekannt sind, "ihre Spermien dazuzugeben", aber amüsant ist diese intellektuelle Unbedarftheit zweifelsfrei. Und auch sonst ist das Teilnehmerfeld dieser Staffel zwar nominell weitaus schwächer besetzt als in den Vorjahren, lässt allerdings sein Potenzial schon in der einen oder anderen Szene aufblitzen.

Ein ganz hübsches kleines Goodie der ersten Folge ist überdies der "Big Spender" - eine Art Bahnhofsautomat, mit dessen Hilfe das "Nichts" um weitere Hilfsmittel neben den zehn pro Nase bereichert werden darf, die bereits vor Betreten des Nichts ausgewählt werden durften. Dafür nötig: Münzen, die sich das Kollektiv in Form von Herausforderungen erspielen kann, wenn sie diese annehmen und schaffen. Was der Automat dann letztlich ausspuckt, muss ebenfalls die Gruppe gemeinsam aushandeln. Der recht üppige Zigarettenbedarf Willi Herrens sowie die bloße Anwesenheit Sarah Knappiks sprechen dafür, dass nicht zum letzten Mal zwei Fünftel des Kontingents für weitere Glimmstengel draufgehen. Und innerlich wartet man als Reality-erfahrener Zuschauer schon jetzt darauf, dass sich die Militanz des einen oder anderen überzeugten Nichtrauchers Bahn bricht.

Großes Comeback oder großer Reinfall: Was erwartet ihr von der fünften «Promi BB»-Staffel?
Die wird mit Sicherheit ein großer Erfolg nach dieser tollen Auftaktfolge.
6,3%
Der Auftakt hat mir ganz gut gefallen, wird ordentlich laufen.
25,2%
Ich glaube, das wird nichts. Viel mehr als Mittelmaß ist nicht mehr drin.
36,8%
Das wird ein Totalausfall. Erwarte eine ganz große Enttäuschung.
31,6%


Fazit: Keine Sparflamme, keine Spannungsgarantie


Alles in allem macht die Auftaktfolge der fünften «Promi Big Brother»-Staffel nun wahrlich nicht den Eindruck, als wolle Sat.1 zumindest das Hauptformat in diesem Jahr ähnlich ambitionsarm runterspulen wie viele andere Bestandteile seines Programms. Zwar hat man so viele Fragezeichen wie noch nie im Gesicht, wenn man die Namen der Teilnehmer hört, doch wer zu einer äußerst weiten "Promi"-Definition bereit ist, wird eine Show geliefert bekommen, die ähnlich gut bis schwach werden kann wie in den vergangenen vier Jahren - je nachdem, welche Dynamiken in den kommenden beiden Wochen noch auftreten werden. Ob man den "Härter, besser, geiler"-Parolen der Programmverantwortlichen jedoch besondere Bedeutung beimessen darf, sollte auch in Frage gestellt werden. Die Auftaktfolge deutet nämlich eher darauf hin, dass die gewohnte Unterhaltung mit neuen Namen und ein paar ganz amüsanten kreativen Einfällen dargeboten wird, die aber das Gesamtbild letztlich weder signifikant bereichern noch schmälern dürften. Ob das reicht, um dieses Format zufriedenstellend zu tragen? Das ist zum jetzigen Stand schlichtweg nicht seriös vorherzusagen.

Sat.1 zeigt «Promi Big Brother» von nun an täglich gegen 22:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/95062
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Sentinel2003
12.08.2017 13:46 Uhr 1
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