Die glorreichen 6

Die glorreichen 6: Richtig gute Flops (Teil V)

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Wirtschaftliche Misserfolge verdienen nicht automatisch ein Naserümpfen: Wir stellen sechs starke Filme vor, die an den Kinokassen untergingen. Wie das Regiesseursbiopic «Ed Wood».

Die Handlung


Filmfacts «Ed Wood»

  • Regie: Tim Burton
  • Produktion: Denise Di Novi, Tim Burton
  • Drehbuch: Scott Alexander, Larry Karaszewski
  • Darsteller: Johnny Depp, Martin Landau, Sarah Jessica Parker, Patricia Arquette, Jeffrey Jones, Bill Murray
  • Musik: Howard Shore
  • Kamera: Stefan Czapsky
  • Schnitt: Chris Lebenzon
  • Laufzeit: 127 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Der unfähige, aber engagierte Möchtegernregisseur Ed Wood tut alles in seiner (überschaubaren) Macht stehende, um Fuß in Hollywood zu fassen. Als er erfährt, dass Produzent George Weiss das Leben der Transfrau Christine Jorgensen verfilmen will, bettelt Wood ihn an, ihm den Regieposten zu überlassen. Es gelingt. Doch: Aufgrund von Rechteproblemen wird aus dem Projekt allerdings ein fiktionalisiertes Geschlechtsumwandlungsprojekt, in dem der Produzent einen idealen Exploitationfilm sieht. Wood, der sein Idol Bela Lugosi unbeholfen in den Film hineinschreibt, macht stattdessen einen semi-autobiografischen Film über Transvestismus daraus. Der unerfahrene Regisseur, der sich für ein ungeheuerliches Talent hält, haut den Film in irrsinnigem Tempo und mit absurdem Tonfall heraus – und fällt mit dem sonderbaren Endergebnis auf die Nase.

Ed Wood hat somit seine Chancen im Studiosystem verspielt und nimmt sich daher vor, seinen nächsten Film unabhängig zu finanzieren. Deswegen trommelt er eine Truppe vollkommen ungleicher Träumer, Traumtänzer und Außenseiter zusammen, mit denen er seinen nächsten Film auf die Beine stellen möchte. Mit noch geringeren Mitteln und von zahllosen Problemen geplagt, die er unkritisch als künstlerische Herausforderungen feiert, nimmt Wood lachend einem Inszenierungsstil an, der ihm zu unsterblichen Ruhm verhelfen sollte – als vermeintlich schlechtester Regisseur aller Zeiten.

Der Misserfolg


Die Autoren Scott Alexander und Larry Karaszewski haben sich während ihrer Studienzeit die Idee in den Kopf gesetzt, einen Film über den legendär-miesen Regisseur Ed Wood zu machen. Ihr Pitch überzeugte Regisseur Michael Lehrmann und Produzentin Denise Di Novi, die Tim Burton als weiteren Produzenten ins Boot holte. Burton zeigte schon in seinen Jugendjahren eine Faszination für Ed Wood und war vom Skript, das Alexander & Karaszewski verfassten, begeistert, war jedoch in die Vorproduktion von «Mary Reilly» vertieft – als er das Projekt aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Studio verließ, und Lehrmann in einen anderen Film verwickelt wurden, übernahm Burton das Sagen bei «Ed Wood».

Das Studio Columbia Pictures, bei dem «Ed Wood» ursprünglich erscheinen sollte, war jedoch mit Burtons Entscheidung, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen, nicht einverstanden und verkaufte die Filmrechte an den Disney-Konzern, der aufgrund guter Erfahrungen mit Burton erneut mit ihm zusammenarbeiten wollte – und anders als Columbia in einem 18-Millionen-Dollar-Schwarz-Weiß-Film kein wirtschaftliches Risiko sah. Disney veröffentlichte den Film, von positiven Kritiken begleitet, im Herbst 1994 unter seinem Touchtstone-Pictures-Label – und machte keinen Gewinn. Für Burton sollte es der erste Flop als Regisseur werden.



Die 6 glorreichen Aspekte von «Ed Wood»


«Ed Wood» ist ein einzigartiges Biopic: Statt hinter die Fassade einer berühmten, wichtigen Persönlichkeit zu blicken oder eine wenig beachtete Person für eine Tat zu glorifizieren, ist dieses humorige Drama eine kopfschüttelnde Verneigung. Es vergeht kaum ein Moment, in dem Regisseur Tim Burton Zweifel daran entstehen lässt, dass er Ed Wood wegen seines Optimismus und seine unerschütterliche Arbeitsweise mag, und genauso entsteht zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel daran, dass Ed Wood sich gehörig überschätzt hat.

Burton ist nie zynisch Wood gegenüber, er imitiert mit einer schäbigen Vorspannsequenz und überbelichteter Schwarz-Weiß-Fotografie liebevoll seinen Stil und feiert jedes Mal, wenn Wood sich über seine Zweifler hinfort setzt, als Triumph. Und dennoch verklärt Burton Woods Fähigkeiten nicht – die Szenen, in denen ein typischer Drehtag unter Ed Wood nachgestellt wird, sind wegen Woods Ignoranz gegenüber Pleiten, Pech und Pannen urkomisch. Gleichwohl verdeutlicht das Skript von Scott Alexander und Larry Karaszewski, wie sich Kunst und Schund je nach Betrachter unterscheiden können: Wie Wood sein Idol Bela Lugosi auch nach seinem Ableben in seine Filme einarbeitet, mag durch Woods unbeholfene Weise sinnlos wirken, für andere vielleicht sogar geschmacklos, doch der Kontext macht zugleich klar, dass es in Woods Augen eine liebevolle Hommage darstellt.

Hauptdarsteller Johnny Depp verschwindet geradezu in dieser dümmlich-gut gelaunten, energiereichen Rolle und Martin Landau brilliert in seiner verletzlichen Bela-Lugosi-Imitation, die ihm und Make-Up-Künstler Rick Baker, der Landau in die Leinwandlegende transformierte, zurecht Oscars einbrachten. Das Zusammenspiel zwischen Depp und Landau verleiht diesem schräg-dramatischen Biopic eine bittersüße Note, wodurch «Ed Wood» zu weit mehr wird als einem Gimmick-Biopic, das gegen allen Konventionen jemanden feiert, der nichts geleistet hat.

«Ed Wood» ist auf DVD und Blu-ray erschienen sowie via Amazon, iTunes, Google Play, Wuaki, Videoload und Juke verfügbar.

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