Hingeschaut

«CC:N»: Comedy Central lebt, erfindet das Rad aber nicht neu

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Comedy Central, das mit Eigenproduktionen zuletzt weniger von sich reden machte, testet ab dieser Woche ein neues Format mit Ingmar Stadelmann als News-Anchor aus. Woran es hapert und was gelungen ist…

Comedy Central unterbricht den Abspielmodus


In diesem Jahr ist Comedy Central zehn Jahre alt geworden. „Wir sind kein Abspielkanal“ lautete die anfängliche Devise von Senderchef Markus Andorfer, der zum Sendestart im Januar 2007 tatsächlich die ein oder andere Eigenproduktion mitbrachte (zum Beispiel «NightWash», «Kargar trifft den Nagel», «Para-Comedy» oder «Badesalz») – bis im Oktober 2008 der Rotstift angesetzt wurde.

Das 24-Stunden-Programm von Comedy Central ist seitdem Geschichte, von Eigenproduktionen hat man sich weitestgehend verabschiedet. Und letztlich wurde man genau das, was man zu Beginn partout nicht sein wollte: ein Abspielkanal von eingekaufter US-Ware, der wenig kostet. Insbesondere mit den x-ten Wiederholungen von Cartoons wie «South Park», «Bob's Burgers» oder «American Dad» möchte man Quote machen.

Lokale Produktionen sind also rar geworden bei Comedy Central. Und wenn dann doch neue Projekte an den Start gingen, waren sie schnell wieder in der Versenkung verschwunden. Von «Fat For Fun», einer Versteckten-Kamera-Show mit dicken Menschen oder «Netz-O-Rama», einer deutschen «Tosh.0»-Version mit den angeblich lustigsten und schockierendsten Videos aus dem Netz, ist jedenfalls keine Rede mehr.

Hinter der Kamera von «CC:N»

  • Head Autorin: Sintje Rosema («Marry Me!», «Ladykracher», «Böse Mädchen»)
  • Regie: Florian Baeker
  • Producer: Sarah Heidtmann, Anne Büttner, Matthias Bazyli
  • Kamera: Markus Müller, Thomas Schneider, Sebastian Wunderlich
  • Produktionsfirma: Anderthalb Medienproduktion GmbH
Mit «CC:N» wagt Comedy Central in diesen Tagen einen neuen Anlauf, der größer angelegt ist: Erstmals in der Geschichte des Berliner Spartenkanals lässt man ein für den deutschen Markt hergestelltes Format von montags bis freitags auf Zuschauerfang gehen, wenn auch zunächst nur zu Testzwecken für fünf Wochen lang. Der erste Gag steckt bereits im Titel: Die Abkürzung «CC:N» steht nämlich für „Comedy Central News“ – wegen CNN, verstehen Sie?

Vertane Chance: Tagesaktualität bleibt auf der Strecke


Das Konzept ist simpel: Pro Ausgabe wird ein bestimmtes Thema behandelt, die Palette reicht von „Europa“ über „Games“ bis hin zu „Drogen“. Moderator Ingmar Stadelmann soll dabei ordentlich die Sarkasmuskeule schwingen, wie Comedy Central selbst behauptet. Folgerichtig sehen wir im Vorspann einen mit einer Keule schwingenden Ingmar Stadelmann. Interviewpartner und/oder Reporter kommen ebenfalls zum Einsatz, was man unter anderem von der «heute-show» zu Genüge kennt.

Anders als bei der von Oliver Welke präsentierten Satire-Show sucht man Tagesaktualität bei «CC:N» allerdings vergeblich. Geschuldet ist das der Tatsache, dass inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden und somit bloß gelegentlich auf generelle Entwicklungen und Trends eingegangen werden kann. Schade eigentlich, da eine tägliche Comedyshow nach dem Ende von «TV total» hierzulande nach wie vor vermisst wird. Hier hätte Comedy Central eine echte Marktlücke schließen können. Was nicht ist, kann nach (erfolgreicher) Beendigung der Testphase noch werden?

„Humor ist immer ein Kann-Angebot. Kein Muss!“


Zur Person Ingmar Stadelmann

  • aktuell Moderator bei 1LIVE und der Radio-«LateLine»
  • sporadische Auftritte als Außenreporter bei der «heute-show»
  • 2016: «Mission Wahnsinn – Für Geld zum Held» bei ProSieben
Das sind Ingmar Stadelmanns eigene Worte. Streiten lässt sich über Humor ohnehin vorzüglich, trotzdem wirkt die ein oder andere Pointe doch arg zurechtgelegt und teils zu brav. „Die Geburtenrate in Deutschland liegt momentan bei 1,5 Kindern pro Frau“ stellt der Moderator etwa bei der Familien-Ausgabe fest und schiebt hinterher: „Und bei Männern ist sie noch geringer.“ Mehr anecken dürften da schon ein paar der Späße, die Stadelmann über Religion macht. Warum es in der Bundesrepublik nur um die 100.000 Juden gebe, würden wir schließlich alle wissen. Unabhängig davon, ob einzelne Witze zünden oder nicht: Stadelmann liefert als News-Anchor eine durchweg solide Leistung ab. Dennoch: Man wird das Gefühl nicht los, dass ihm mehr Spontanität und mehr Freiraum gut tun würden – so wie man es von seinen Auftritten als Comedian oder seinen Radio-Jobs gewohnt ist. Die Frage ist halt, ob das Skript von «CC:N» dies überhaupt zulassen würde.

Für die nötige Auflockerung sorgen Einspieler und Schalten zu Außenreportern, die sich vor einem Greenscreen hingestellt haben. Bei „Der Verhätscheler“, eine offensichtliche Parodie auf «Der Bachelor», buhlen sieben unfruchtbare Frauen um ein Adoptivkind. In die „Residenz Evil“ werden unliebsame Eltern von ihren erwachsenen Kindern verbannt. Mit „Bobbys Bible Palace“ wird ein bekannter YouTube-Channel aufs Korn genommen. Ob dies nun das Gelbe vom Ei ist? Darüber wird letzten Endes einzig der Zuschauer zu entscheiden haben.

Unter handwerklichen Gesichtspunkten kann man «CC:N» übrigens nichts ankreiden, der Gesamtlook ist stimmig. Das kleine, aber feine Studio erinnert an klassische Late-Night-Shows. Man nehme: Den obligatorischen Schreibtisch, bestückt mit einer Tasse sowie anderem Krimskrams (darunter ein mysteriöses rotes Schnurtelefon), im Hintergrund ist eine Weltkarte zu sehen. Zack, feddich: Ein Late-Night-Studio.

Fazit


Unterm Strich ist das schnelle Tempo der nicht ganz ernst gemeinten Nachrichten positiv hervorzuheben, Längen entstehen so kaum – schon alleine deswegen nicht, weil eine Ausgabe nur rund zehn Minuten dauert. Zudem kommt frischer Wind ins zuletzt sehr eintönige Programm von Comedy Central. Eine Neuerfindung des Rads ist «CC:N» jedoch gewiss nicht. Wer ein hochgestochenes Gagfeuerwerk der Extraklasse sowie große Innovationen erwartet, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Darüber hinaus muss man wohl oder übel hinnehmen, dass Aktualität lediglich bedingt gegeben ist. So oder so: Es würde Comedy Centrals Image aufpolieren, wenn man «CC:N» nach Ablauf der ersten Staffel irgendwann zurückbringen und dauerhaft installieren würde. Bis dahin hat man vielleicht an einigen Stelllschrauben gedreht. «South Park» und Co. kann man nebenbei ja weiterhin in Dauerrotation senden.

Diese Kritik basiert auf der Sichtung zweier vorab zur Verfügung gestellten Ausgaben zu den Themen „Familie“ und „Religion“. Im TV geht‘s zum Auftakt um „Terrorismus“. Comedy Central beginnt mit der Ausstrahlung am Montag, den 15. Mai um 21 Uhr.

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