Sonntagsfragen

Jörg Pilawa: ‚Das lineare Fernsehen wird sich 2078 mit einer Quizshow verabschieden‘

von   |  1 Kommentar

Der Quizonkel, der jetzt auch wieder Talkonkel ist, im Exklusiv-Interview: Warum er 2017 langsamer machen will, wie es mit ihm am ARD-Vorabend weitergeht, wie sich das Quizgenre in 17 Jahren verändert hat und was ihn nun im «Riverboat» beim MDR erwartet.

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Wenn man heute aber mal zurückdenkt, die alten Shows anschaut und die Kritik dazu liest, die es damals gab, stellt man fest, dass wir schon ziemlich harmlos waren im Vergleich zu den skurrilen Geschichten, die heute in Scripted Realitys erzählt werden und von denen viele Seher glauben, dass sie real sind.
Jörg Pilawa über TV-Nachmittagssendungen von früher
Mit Ihrem Wechsel zum «Riverboat» kehren Sie ein bisschen zu Ihren Wurzeln zurück. In den 90ern hatten Sie in Sat.1 eine eigene Talkshow um 11 Uhr. Blaue Wände, acht bis zehn Holzstühle…
Das war ja damals ein Wahnsinns-Hype. Ich bin dankbar, dass ich das machen durfte, so konnte ich das Handwerk lernen. Wir hatten viele Menschen bei uns im Studio, haben viele Themen besprochen. Ich bin auch froh, dass wir vormittags etwas sachtere Themen hatten als die Shows, die nachmittags und unter größerem Konkurrenzdruck liefen. Wenn man heute aber mal zurückdenkt, die alten Shows anschaut und die Kritik dazu liest, die es damals gab, stellt man fest, dass wir schon ziemlich harmlos waren im Vergleich zu den skurrilen Geschichten, die heute in Scripted Realitys erzählt werden und von denen viele Seher glauben, dass sie real sind.

Gab es eigentlich in all den Jahren, die Sie jetzt für ARD und ZDF gearbeitet haben, jemals den Gedanken, zurück zu den Privaten zu wechseln?
Als Produzent hatte ich da immer mal wieder Kontakt. Als Moderator nicht. Wir haben da ja eigentlich zwei Parallel-Universen, deren Schnittmenge zunehmend geringer wird.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihre Zuschauer, die Privaten haben ihre Zuschauer. Und voller Respekt gucke ich auf Formate wie «Die Höhle der Löwen» bei VOX oder auf «Team Wallraff» und das «Jenke Experiment» bei RTL. Auch bei den klassischen Shows wie das «Das Supertalent», «Let´s Dance» oder jetzt wieder der „Dschungel“. Alle Achtung, wie RTL es da geschafft hat, durch Eventprogrammierungen echte Marken zu schaffen.

Beim «Riverboat» soll mit Ihnen nun ein frischer und auch jüngerer Wind wehen?
Verjüngung durch den ergrauten Ü50er (lacht). Zunächst einmal finde ich es gut, dass der MDR die Marke «Riverboat» stärkt. Die Sendung läuft jetzt einmal pro Woche statt wie früher nur alle 14 Tage. Dafür gibt es zwei Moderratoren-Duos, die sich abwechseln. Das gefällt mir. Es war dann schnell die Frage, mit wem ich mir die Moderation vorstellen könnte – und als die Macher mit Stephanie Stumph um die Ecke kamen, war ich wirklich froh. Ich kenne sie vom Panel in «Kaum zu glauben» und habe sie dort immer als tolle und wache Kollegin erlebt. Sie ist nicht auf den Mund gefallen, haut mal einen raus und hat richtig Bock auf diese Aufgabe.

Gerade in Zusammenhang mit dem Wunsch nach einer deutschen Late-Night-Show heißt es ja immer: In Deutschland würde es keine so guten Talkgäste geben. Die kommen ja nur, um ihre CDs in die Kamera zu halten. Haben Ihre Gäste ihre CD fortan auch immer griffbereit?
Das ist schon ein Problem. In Bezug auf Late-Night-Shows sehe ich aber noch ein anderes. Wir haben an Late-Night-Shows auch eine ganz bestimmte Erwartungshaltung. Ich empfehle allen mal die amerikanischen Late-Nights am Tag nach der Trump-Wahl anzuschauen. Viele Moderatoren haben sich da sehr gut selbst reflektiert, sich selbst einen Spiegel vorgehalten und erkannt, dass sie Trump sehr lange nicht ernst genug genommen haben.

Es gibt US-Late-Night-Shows, die in hohem Maße politisch sind. Sie sind in ihren Aussagen viel klarer als Formate, die es bei uns gab. Mit einem Harald Schmidt 2.0 bin ich sicher, dass es für Late Night hierzulande Zuschauer geben würde. Team «heute-Show», bitte übernehmen sie.......

Talkshow darf kein Nummernprogramm sein.
Jörg Pilawa
Zurück aber zu den CD’s und denen, die sie in die Kamera halten wollen. Ein Problem für Sie als Talkmaster?
Natürlich bekomme ich einfacher Leute, die gerade eine CD oder ein Buch vorstellen wollen. Es tut sich aber was, die „Bringschuld“ als Gast ist im Vormarsch. Manche sagen sogar zu mir: Aber bitte lade mich nicht nur ein, wenn ich PR für mein Buch brauche. Wichtiger als der Einzelgast ist immer noch der Mix der Gäste. Talkshow darf kein Nummernprogramm sein. Wo sind die Schnittpunkte, wie bringe ich die Gäste untereinander ins Gespräch.

Letzte Frage: Welche Vorsätze hatten Sie sich für 2017 genommen?
Tatsächlich bin ich jemand, der privat wie auch beruflich schon immer Ende Dezember die Vorsätze der anderen notiert. Rauchen aufhören, mehr Sport, gesünder Essen, die Frau nicht mehr betrügen. Ende Januar kommen die Leute dann immer zu mir und sagen: Ich rauche jetzt doch wieder, mehr Sport schaffe ich nicht… Ich halte es da mit Oscar Wilde, „Gute Vorsätze sind der nutzlose Versuche, die Naturgesetze außer Kraft zu setzen.“

Vielen Dank für das Interview.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
16.01.2017 01:57 Uhr 1
sehr schön.
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