Sonntagsfragen

'Es fühlte sich zwischendurch so an, als würden wir uns durch ein Minenfeld bewegen'

von

«Vaiana»-Produzentin Osnat Shurer und die Regisseure Ron Clements (Mitte) & John Musker (rechts) sprechen über die Herausforderungen, die der neue Disney-Film mit sich brachte.

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Fast die ganze Story wurde durch die erste unserer Reisen auf den Kopf gestellt. [...] Bevor wir die erste Recherchereise unternommen haben, wollten wir, basierend darauf, was wir über polynesische Mythologie gelesen haben, einen Film mit Maui als Protagonisten verwirklichen. Wir wollten einige seiner Abenteuer zu einer zusammenhängenden Geschichte verschmelzen.
Regisseur Ron Clements
In diesem Zusammenhang: Wie haben sich die Recherchereisen, die für «Vaiana» unternommen wurden, auf die Handlung ausgewirkt?
Ron Clements: Fast die ganze Story wurde durch die erste unserer Reisen auf den Kopf gestellt. Die Idee, einen Film zu machen, der im westlichen Pazifik spielt, hatte John – denn dort spielte noch kein Disney-Trickfilm und wir beide hatten immer eine Faszination für diese Gegend über. Bevor wir die erste Recherchereise unternommen haben, wollten wir, basierend darauf, was wir über polynesische Mythologie gelesen haben, einen Film mit Maui als Protagonisten verwirklichen. Wir wollten einige seiner Abenteuer zu einer zusammenhängenden Geschichte verschmelzen.

Es war dann John Lasseter, der uns empfohlen hat, zuvor eine intensive Recherchereise unternehmen. Vor Ort haben wir dann durch die Gespräche mit den verschiedensten Menschen ein ganz neues Gespür für diese Gegend gewonnen und dafür, welche Geschichten man vor dieser Kulisse erzählen kann und sollte. Es beginnt bei solchen Details, wie Einwohner der pazifischen Insel segeln – Navigatoren sagten uns stets, dass man beim Segeln eine sanfte Vereinigung mit dem Ozean eingehen sollte. Und auf Tahiti sagte uns einer der Ältesten: „Wir wurden so oft von eurer Kultur verschlungen, es ist an der Zeit, dass ihr euch von unserer verschlingen lasst.“ Der Satz ist bei uns hängen geblieben und diente während der Produktion als Mantra. Nach dieser ersten Reise blieb nur wenig von unseren anfänglichen Storyideen über – und unter den Eindrücken des Trips fingen wir an, die Geschichte neu zu entwerfen. So kamen wir darauf, die Geschichte von Vaiana zu erzählen, die wissen will, wieso ein Volk von Seefahrern plötzlich aufhörte, zu segeln …

War die Produktion von «Vaiana» aufgrund dieses Aspekts, dass sich der Film an einer anderen Kultur bedient, herausfordernder als sonst?
Alle, unisono: Oh ja!

Es fühlte sich zwischendurch schon so, als würden wir uns durch ein Minenfeld bewegen. Wir mussten immer wieder darauf achten, dass wir genau zuhören, Wünsche unserer Berater respektieren und auch oft genug nachfragen, was sie von manchen Details halten.
Regisseur John Musker
John Musker: Es fühlte sich zwischendurch schon so an, als würden wir uns durch ein Minenfeld bewegen. Wir mussten immer wieder darauf achten, dass wir genau zuhören, Wünsche unserer Berater respektieren und auch oft genug nachfragen, was sie von manchen Details halten. So war Maui zunächst glatzköpfig. Erst bei einem späteren Recherchetrip kam dies zur Sprache – und dann haben wir erfahren, dass es zumindest für einige Völker wichtiger Teil seiner Legende ist, dass er eine wallende Mähne hat. Da war die Produktion bereits fortgeschritten – doch wir erkannten: Wir müssen das so umsetzen! Sowas hat den Produktionsprozess verkompliziert, zweifelsohne.

Osnat Shurer: Wobei es sehr geholfen hat, dass wir neben dem 'Occeanic Story Trust' auch Künstler mit polynesischen Wurzeln direkt in unserem eigenen Team hatten. Und den ersten Drehbuchentwurf steuerte Taika Waititi bei, der maorischer Herkunft ist. Generell gesagt, war es zwar eine Herausforderung, dass wir Elemente nicht frei erfinden konnten – diese Form an kollektiver Arbeit dagegen war uns nicht ungewohnt. Wir sind es im Trickmedium gewohnt, sehr kooperativ zu sein. Bei Disney und Pixar haben wir studiointerne Kerngruppen und studioübergreifend tauschen wir uns regelmäßig aus, um einen unbefangenen Blick auf unsere Filme zu haben. Dass wir eine Beratergruppe hinzugezogen haben, um kulturelle Authentizität zu erzielen, war da nur der konsequente nächste Schritt.

John Musker: Die Zusammenarbeit war sehr ergiebig. So hat uns der 'Oceanic Story Trust' ermutigt, für den Film eine fiktive Insel als Schauplatz zu kreieren, so dass wir etwas künstlerische Freiheit erlangen – und dem Konflikt entgehen, dass einige Mythen von Volk zu Volk leicht unterschiedlich ablaufen.

Ron Clements: Schade war daher, dass wir teils stark von Leuten kritisiert wurden, die nicht den ganzen Film gesehen haben, sondern nur Einzelbilder kannten – wenn überhaupt. So fanden manche Maui auf dem ersten Filmbild, das veröffentlich wurde, zu mollig. Von denen, die den ganzen Film gesehen haben, hören wir das nicht – dieses eine Bild war leider unvorteilhaft ausgesucht.

Wir könnten einen Film machen, der im Weltall spielt, und niemand würde sich weiter darum scheren. Hier hingegen bedienen wir uns an einer anderen Kultur – dass wir da, aller künstlerischen Freiheit zum Trotz darauf achten, niemandem auf die Füße zu treten, fanden wir angebracht.
Regisseur Ron Clements
John Musker: Wir haben den Film unter anderem in Tahiti gezeigt und der polynesischen Community in Los Angeles – und die Zuschauer waren immer zu Tränen gerührt. Das war uns der größte Lohn. Denn das war unser Job: Da wir keine persönlich erdachte Geschichte erzählen, sondern sie einer anderen Kultur entlehnen, müssen wir mit Respekt da herangehen, wenn wir Respekt zurückerhalten wollen.

Ron Clements: Es war eine Herausforderung, aber sie hat sich bezahlt gemacht. Wir könnten stattdessen auch einen Film machen, der im Weltall spielt, und niemand würde sich weiter darum scheren. Hier hingegen bedienen wir uns an einer anderen Kultur – dass wir da, aller künstlerischen Freiheit zum Trotz darauf achten, niemandem auf die Füße zu treten, fanden wir angebracht. Nicht jeder Film muss auf diesem Weg entstehen, hier war es aber notwendig und richtig.

Vielen Dank für das Gespräch.

«Vaiana» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.

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