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'Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen'

von   |  1 Kommentar

Quotenmeter.de traf sich mit «The First Avenger: Civil War»-Darsteller Paul Bettany und mit -Regisseur Anthony Russo, um mit beiden detailliert über Freud und Leid der Zusammenarbeit mit Marvel zu sprechen.

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Zur Person: Anthony Russo

  • 1973 in den USA geboren
  • Arbeitet regelmäßig mit seinem Bruder Joe zusammen
  • Er und Joe wurden von Steven Soderbergh («Lügen, Sex und Video», «Ocean's»-Trilogie]]) als vielversprechende Regisseure entdeckt
  • Die Russos inszenierten unter anderem diverse Folgen von «Arrested Development» und «Community» sowie den Kinofilm «Ich, Du und der Andere»
  • Sie wurden für ihr Marvel-Debüt «The Return of the First Avenger» als Action-Neuentdeckungen gefeiert
Sie und ihr Bruder Joe führen in «The First Avenger: Civil War» eine neue Version von Spider-Man ein – die erste, die Teil des 'Marvel Cinematic Universe' ist. Dem gingen zähe Verhandlungen mit Sony Pictures voraus, und das Studio wird nun zusammen mit Marvel eine neue Reihe an Filmen über diese Figur verwirklichen … Gab es daher Einflussnahme darauf, wie Sie Spider-Man einsetzen?
Nein, wir haben darüber bestimmt. Wir haben entschieden, wie wir Spider-Man anlegen und wir waren es auch, die ihn gecastet haben. Denn es stand von Anfang an fest, dass der neue Spider-Man in unserem Film eingeführt wird, während sein Solofilm lange nur als vage Idee existierte. Es gab noch keine Story, geschweige denn ein Drehbuch … Als wir vorgeschlagen haben, Spider-Man in den Film einzubauen, hatten wir ein exaktes Bild vor Augen, und genau diese Interpretation der Figur haben wir besetzt und verwirklicht. Wir wollten einen sehr jungen Spider-Man, denn wir fanden immer, dass es das Jugendliche an ihm ist, das ihn in der Welt der Superhelden herausstechen lässt. Deshalb haben wir auch genau danach gesucht. Wir wollten ihn auch behutsam modernisieren, so wie wir es mit Captain America gemacht haben.

Unsere sehr spezifische Idee hinter «The Return of the First Avenger» und «The First Avenger: Civil War» ist, dass wir Cap in einen modernen Kontext sowie in ein etwas realistischeres Setting versetzen möchten. Denn was Captain America wiederum für uns besonders macht, ist, dass er weder fliegen kann, noch zu einem Riesen wird, wie der Hulk, oder aus einer anderen Welt kommt, wie etwa Thor. Er ist eigentlich nur ein Mann – bloß einer, der bis an die Grenzen des Möglichen gelangt. Daher wollten wir die ihm gebührende Filmsprache von «The Return of the First Avenger» an sehr geerdet halten und so sehr ans Cinéma vérité anlehnen, wie es im Superheldenkino möglich ist. Und wenn wir Spider-Man in einem «Captain America»-Film einführen, so müssen wir versuchen, diese Ästhetik bestmöglich auch auf ihn anzuwenden. Wir wollten ihn modernisieren, statt ihn im New York der 50er existieren zu lassen, mit einer altmodischen Beziehung zu seiner Tante. Wir wollten, dass er wie ein Kind aus dem heutigen Queens wirkt, mit einem interessanten, zeitgemäßen Verhältnis zu seiner Tante. Das war der Kontext, in den das Casting eingebettet war. Die Leute von Marvel haben gewiss darüber hinausgedacht, und bereits überlegt, wie sie die Figur nach ihrem Auftritt in unserem Film gebrauchen können. Was aber meinen Bruder Joe und mich anbelangt, so hatten wir nur im Blick, jemanden zu finden, der perfekt zu dem passt, was wir für unseren Film wollten, und dass es jemand wird, den Marvel danach weiter gebrauchen kann.

Es war ein sehr aufwändiger Castingprozess, und wir haben mit einigen Kandidaten jeweils zwei Screentests gemacht – einen mit Robert Downey Junior und einen mit Chris Evans. Und dann mussten wir das auch noch streng geheim halten. Denn obwohl Marvel und Sony eine Einigung erzielt hatten, was die Nutzungsrechte dieser Figur angeht, so mussten während unseres Castings noch sehr viele Einzelheiten geklärt werden. Daher war das eine sehr sensible Angelegenheit und Sony hatte große Angst davor, dass Informationen nach außen dringen.

Marvel behandelt jeden Film einzeln, sie geben ihn allen ihren individuellen Raum, um zu atmen. Sie wollen, dass jeder Film so gut wird, wie er nur kann, und darum vermeiden sie es, dir zu viel aufzubürden.
Anthony Russo
Wie läuft der Arbeitsprozess zwischen Ihnen und Studiochef Kevin Feige ab – gibt er vorab eine Übersicht, was alles in Ihren Filmen geschehen muss, um das Filmuniversum in eine von ihm bestimmte Richtung zu lenken?
Die serielle Erzählweise des 'Marvel Cinematic Universe' ist einer der Aspekte, die an diesem Franchise so großen Spaß machen, weshalb es natürlich Verbindungen zwischen den einzelnen Filmen gibt. Aber was uns als Filmemachern ebenfalls so sehr an Marvel gefällt, ist etwas, das uns im ersten Moment bewusst wurde, in dem wir mit ihnen darüber gesprochen haben, dass wir die 'Winter Soldier'-Storyline als Grundlage für «The Return of the First Avenger» nehmen wollten. Marvel behandelt jeden Film einzeln, sie geben ihn allen ihren individuellen Raum, um zu atmen. Sie wollen, dass jeder Film so gut wird, wie er nur kann, und darum vermeiden sie es, dir zu viel aufzubürden. Bei «The Return of the First Avenger» etwa gab es nur einen Storyaspekt, den Studiochef Kevin Feige berücksichtigt sehen wollte: Er hatte die Idee, dass in diesem Film S.H.I.E.L.D. zu Grunde gehen sollte. Das Wie und Warum hat er den Autoren und uns Regisseuren überlassen. Er überlässt es stets den Filmemachern, zu entscheiden, welche Geschichte sie erzählen wollen.

Gab es auch bei «The First Avenger: Civil War» einen Wunsch seitens Kevin Feige?
Bei «The First Avenger: Civil War» gab es überhaupt keine Agenda seitens Marvel. Mein Bruder und ich haben uns monatelang mit den Autoren Christopher Markus und Stephen McFeely zusammengesetzt, um herauszufinden, welches Abenteuer wir als nächstes mit Captain America erleben wollen. Wir haben mit Kevin und dem weiteren Marvel-Team über die Möglichkeiten und unsere Ansätze gesprochen, und das war ein sehr organischer Prozess. Wichtig ist ihnen, dass man zurückblickt, und schaut, worauf man aufbaut und die bisherigen Filme achtet. Was aber die Richtung angeht, die man noch einschlagen wird – da möchte Marvel, dass man sie überrascht. Denn sie wissen, dass die Langlebigkeit ihres Franchises davon abhängt, das Vorhersehbare hinter sich zu lassen, um neue Tonfälle und Ideen anzusteuern. Das wissen sie zu schätzen, und daher lassen sie einem große Freiheit, wie du deinen Film gestaltest. Im Schnitt sind es ein oder zwei Ideen, von denen sie sich wünschen, dass du auf sie eingehst.

Wir haben Kevin erläutert, was uns mit «The First Avenger: Civil War» vorschwebt. Kevin mochte unseren Pitch. Doch es gab Widerrede von Ikes Seite des Unternehmens, die unserer Vorstellung des Filmes nicht zustimmen wollte. Und, ja, das führte zu einem Konflikt innerhalb Marvel, den schlussendlich Disney lösen musste.
Anthony Russo
In dieser Hinsicht ist es spannend, darauf einzugehen, was während der Planungsphase von «The First Avenger: Civil War» hinter den Kulissen geschehen ist: Es kam zu Spannungen zwischen der Gruppe rund um Marvel-Entertainment-CEO Ike Perlmutter und Marvel-Studios-Präsident Kevin Feige. Unter anderem über das Budget des Films und darüber, ob Tony Stark/Iron Man überhaupt im Film vorkommen soll. Die Branchenportale waren voll davon, letztlich hat Konzernmutter Disney entschieden, dass Marvel Studios nicht weiter direkt Perlmutter unterstellt sind. Manche Seiten beschrieben es so, dass Feige „Marvel Studios von Perlmutters Einfluss befreit hat“. Welchen Einfluss hatte diese ganze Situation auf Ihre Arbeit?
Das Ganze ist eine sehr spannende Hinter-den-Kulissen-Geschichte. Im Grunde lief es wie folgt ab: Wir haben Kevin erläutert, was uns mit «The First Avenger: Civil War» vorschwebt. Kevin mochte unseren Pitch. Doch es gab Widerrede von Ikes Seite des Unternehmens, die unserer Vorstellung des Filmes nicht zustimmen wollte. Und, ja, das führte zu einem Konflikt innerhalb Marvel, den schlussendlich Disney lösen musste. Daher war dieses Thema für uns durchaus eine Zeit lang ein Hindernis, weil es unseren Entwicklungsprozess erschwert hat. Aber Sie müssen wissen, dass Kevin das stets sehr gut zu handhaben wusste. Er war praktisch der Mittelsmann zwischen uns und der New Yorker Marvel-Crew rund um Ike. Deswegen musste er sich deutlich mehr mit dieser Sache herumschlagen, während wir nur selten damit zu tun hatten. Aber nun ist der Prozess wesentlich einfacher geworden, denn Kevin muss nicht weiter Ikes Segen einholen.

Joss Whedon war nach seinem zweiten «Avengers»-Film, freundlich gesagt, völlig erschöpft. Ihr habt nun bereits zwei «Captain America»-Filme inszeniert und dreht bald beide Teile von «Avengers: Infinity War». Wie stellt ihr sicher, dass ihr von dieser Maschinerie nicht niedergewalzt werdet?
Es ist sehr, sehr schwer, das stimmt. Aber das Gute ist: Es gibt ja zwei von uns. Außerdem haben wir eine riesige Passion für das Material. Wir fühlen uns als Geschichtenerzähler wohl, da wo wir sind. Die Arbeit für Marvel gehört zu den spaßigsten unserer Karriere. Es ist die Leidenschaft für das, was wir Kreieren können, die uns antreibt, und wir sind wahnsinnig glücklich, dass wir «The First Avenger: Civil War» drehen durften. Wir sind stolz auf den Film und wir wollen das mit «Avengers: Infinity War» fortsetzen. Wir wollen die Geschichte wieder in unerwartete Gefilde steuern, die das Publikum und uns selbst überraschen. Wir möchten austesten, was man mit diesen Filmen alles machen kann. Das ist unser erklärtes Ziel und wir haben Zuversicht, dass wir dazu in der richtigen Verfassung sind.

Bei diesen Filmen ist es so, dass du die gesamte Produktion um die Verfügbarkeit deiner Darsteller herumplanst. Das ist ein sehr vertrackter Prozess. Aber das ist der Deal, den du machst, um diese Filme zu verwirklichen zu können. Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen, aber man gewöhnt sich dran.
Anthony Russo
Stimmen die Berichte, dass beide Teile von «Avengers: Infinity War» in einem Rutsch gedreht werden?
Ja, es wird ein einzelner, langer Dreh. Wobei das etwas missverständlich ist, weil es suggeriert, dass es ein langer Film ist, den wir in zwei Hälften herausbringen. Dem ist nicht so. Es sind zwei unterschiedliche Filme, und der Grund dafür, dass wir diese beiden Filme am Stück drehen, ist, dass es sehr kompliziert ist, diesen Cast zu koordinieren. Bei diesen Filmen ist es so, dass du die gesamte Produktion um die Verfügbarkeit deiner Darsteller herumplanst. Das ist ein sehr vertrackter Prozess. Aber das ist der Deal, den du machst, um diese Filme zu verwirklichen zu können. Es ist nicht der ideale Weg, um Filme zu machen, aber man gewöhnt sich dran. Man muss etwas Extraarbeit leisten, doch das ist nur gerecht, denn dafür bekommst du diesen unglaublichen Cast. In «Infinity War» haben wir diesen Auflauf an Filmstars, und für Marvel ist es viel ökonomischer, wenn wir für beide Teile zusammen einen langen Drehtermin blocken, an dem die Darsteller zur Verfügung stehen sollten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Nr27
29.04.2016 19:56 Uhr 1
Schöne Interviews, vor allem das mit Bettany war sehr aufschlußreich! :)
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