Sonntagsfragen

‚In Deutschland stimmt das Bild des Golf-Sports noch nicht‘

von

Wir sprachen mit Sky-Kommentator Gregor Biernath über das Image des Golfs in Deutschland, die Unterschiede zu populären Sportarten und die Zukunft des Golf-Sports hierzulande.

Zur Person:

Gregor Biernath ist eine von vier Stimmen in Skys Kommentatoren-Team bei Golf-Übertragungen. Der Rheinländer begleitet die Golf-Ausstrahlungen im Pay-TV - früher bei Premiere, heute bei Sky - bereits seit 18 Jahren. Zu seinem Job kam er, indem er im Rahmen seines Sportjournalismus-Studiums ein Praktikum in der Golf-Redaktion bei Premiere begann. Es folgte ein Engagement als freier Mitarbeiter und kurze Zeit später sein erster Einsatz als Kommentator einer Golf-Übertragung.
Herr Biernath, als eingefleischter Fußballfan erschließt sich mir die Faszination Golf noch nicht ganz. Entgegen anderer Sportarten geht es im Golf ja überaus gemäßigt und ruhig zu – turbulente Szenen, die dadurch zu großer Spannung führen könnten, kommen daher nicht zustande. Wieso finden trotzdem so viele Fernsehzuschauer am Beobachten des Sports Gefallen?
Ich nehme an, dass die meisten Sky-Golf-Zuschauer auch selbst spielen. Diese Zuschauer haben natürlich einen ganz anderen Zugang. Für Laien mag Golf oberflächlich betrachtet langweilig wirken, wenn sie sich nicht tiefer damit beschäftigen. Aber gerade an den letzten Turniertagen kann es sehr spannend werden. Dann kann bei mir die Stimme auch mal so hochgehen wie bei einem Fußball-Kommentar.

Generell hat der Golf-Zuschauer, der selbst aktiv ist, eine ganz andere Erwartungshaltung. Er schaut sich gerne die Schwünge der Profis an, erfährt gerne etwas über die Spieler, schaut sich ein paar Dinge von ihnen ab und ist an den Golfplätzen interessiert, auf denen gespielt wird. Vor Kurzem hat ein Turnier in Johannesburg stattgefunden, auf einem traumhaften Platz, der 80 Jahre alt ist. Am selben Wochenende spielte die US PGA Tour auf Hawaii, wo man von jeder Spielbahn aus über den Pazifik schaut und Fernweh bekommt. Natürlich unterscheidet sich das von einer Fußball-Übertragung. Auch von der Spielgeschwindigkeit unterscheiden sich die beiden Sportarten sicherlich, aber es gibt zahlreiche andere Sportarten, die auch nicht so kommentiert werden wie ein WM-Endspiel mit deutscher Beteiligung.

Mit Sicherheit. Diese Eigenarten des Sports wirken sich aber auch auf den Job des Kommentators aus. Sie haben einige Dinge bereits angedeutet: Was sind denn Ihrer Meinung nach letztendlich die großen Unterschiede zwischen der Arbeit eines Golf-Kommentators und dem Kommentar einer anderen Sportart? Gerade im Golf wird das Geschehen ja oft sehr leise und ruhig begleitet.
Den ruhigeren Kommentier-Stil, den man vom Golf kennt, hat man vermutlich aus früheren Zeiten übernommen, als früher die Kommentatoren noch vor Ort mit dem Mikro über den Platz gelaufen sind. Damals mussten die Kommentatoren flüstern, um die Spieler nicht in ihrer Konzentration zu stören. Das ist aber mittlerweile 50 Jahre her. Heutzutage kann es höchstens manchmal sein, dass sich gerade eine spannende Situation ergibt und ich dann die Stimme ein bisschen senke, um die Spannung weiter zu fördern. Das ist tatsächlich ein Unterschied zum Fußball – da wird man in spannenden Situation eher laut. Es geht aber immer darum, die Atmosphäre vom Platz aufzunehmen. Im Fußball musst du auf dem Kommentatoren-Platz auch häufig gegen die lauten Fans anbrüllen.

Grundsätzlich sehe ich von der allgemeinen Herangehensweise keine großen Unterschiede zu anderen Sportarten, denn es kommt auf deine Vorbereitung an.
Gregor Biernath
Beim Golf ist das anders: Je spannender die Partie gerade ist, desto leiser wird es auf dem Platz, weil die Leute alle wie gebannt gucken. Ich mache das jetzt seit 18 Jahren und das ist einfach eine Gewöhnungssache. Grundsätzlich sehe ich von der allgemeinen Herangehensweise keine großen Unterschiede zu anderen Sportarten, denn es kommt auf deine Vorbereitung an. Du musst in gewissen Momenten die taktischen Begebenheiten richtig analysieren und man muss über Hintergrundwissen über die Spieler und das Turnier verfügen. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu liefern. Wenn sich zum Beispiel ein Spieler schon zum Schlag hinstellt und vorbereitet, sollte man ruhig sein. Da hast du es in anderen Sportarten leichter. Ohnehin ist es ja häufig so, dass wir häufig zwischen drei und vier Stunden kommentieren, deshalb kannst du nicht dauerhaft die Stimme oben halten, um versuchen eine Spannung reinzubringen, die in der ersten von vier Runden oft noch nicht gegeben ist.

Wie darf man sich denn Ihre tägliche Routine und die angesprochene Vorbereitung vorstellen und welcher Hilfsmittel bedienen Sie sich in der Kommentatoren-Box?
Wenn ich zu den Spielern und Turnieren Infos haben möchte, geht das vorwiegend über die Internetseiten der Profi-Touren. Die haben alle Infos und Statistiken zu Spieler, Wettbewerb oder Historie der Turniere. Außerdem gibt es diverse Golf-Seiten. Besonders ausführlich berichten die amerikanischen und englischen Seiten, weil der Golfsport dort einfach noch einen ganz anderen Stellenwert hat als in Deutschland.

In der Box selbst habe ich dann einen Computer und verschiedene Notizen zur Verfügung. Ein paar Sachen drucke ich mir aus, manche Sachen habe ich auch handschriftlich. Natürlich verfüge ich auch während der Übertragung über Internetzugang und sehe dadurch beispielsweise immer das Live-Leaderboard, das auf eine Minute aktuell gehalten wird. Auf zwei Bildschirmen habe ich außerdem das Live-Bild vom jeweiligen Golfplatz und unser normales Sky Programm-Bild, damit ich immer das sehe und vor allem kommentiere, was auch der Zuschauer gerade sieht.

Sie haben es bereits angesprochen: Manchmal ziehen sich die Übertragungen über 3,4 Stunden. Da könnte ich mir vorstellen, dass ein Golf-Kommentator auch Schwierigkeiten hat, etwas Abwechslung ins gesprochene Wort zu bringen und nicht redundant zu klingen…

Es ist ein großer Irrtum, dass es im Golf kaum Unterschiede zwischen den Spielern gibt.
Gregor Biernath
Es ist ein großer Irrtum, dass es im Golf kaum Unterschiede zwischen den Spielern gibt. Das mag für den Laien alles gleich aussehen, aber du hast am Anfang 156 Golfprofis bei einem Turnier und damit 156 verschiedene Charaktere, Herangehensweisen und Techniken. Jeder steht anders am Ball, schwingt anders zurück oder durch – da gibt es wirklich extrem viel zu erzählen und zu erklären, was sonst nur dem fachkundigen Publikum auffallen würde. Es geht häufig wirklich um Nuancen und gerade Laien würden staunen, wenn man ihnen alle Details erklären würde, die es bei einem Schlag zu beachten gibt. Der durchschnittliche Golf-Zuschauer hat mal mehr, mal weniger Ahnung, weiß aber im Groben meist, wovon man spricht. Zu einem großen Teil besteht Golf auch aus Fachbegriffen, die aus dem Englischen kommen und sich beispielsweise auf die Flugkurve des Balls beziehen oder darauf, wie jemand einen Golfplatz bespielt. Auch die muss man natürlich einem breiteren Publikum erklären.

Schon seit vielen Jahren widmet sich das deutsche Pay-TV dem Golf – früher Premiere, heute Sky. Auch im Verhältnis zu den durchschnittlichen Zuschauerzahlen im Pay-TV erreichte Golf jedoch nie die ganz großen Massen. Hat das wirklich nur damit zu tun, dass nur Personen sich die Übertragungen ansehen, die auch selbst Golf spielen und was entgegnen Sie der Meinung einiger Beobachter, die Golf als „Sport der Reichen“ sehen und dies mit einem geringen Zuschauerinteresse in Verbindung bringen?
Gerade in Deutschland ist die Schwarz-Weiß-Denke, dass Golf ein teurer Sport ist, zu dem man mit einer geföhnten Gelfrisur und einer Buntfaltenhose auflaufen muss, weit verbreitet. Das ist aber einfach nicht mehr so. Klar gibt es teure Golfclubs, wo du durchaus auch mehr zahlst. In meinem letzten Golfclub beispielsweise gab es aber verschiedene Preis-Modelle und man hielt mit 50 Euro im Monat bereits eine komplette Mitgliedschaft.

Gerade in Deutschland ist die Schwarz-Weiß-Denke, dass Golf ein teurer Sport ist, zu dem man mit einer geföhnten Gelfrisur und einer Buntfaltenhose auflaufen muss, weit verbreitet.
Gregor Biernath über das Image des Golfsports
Leuten, die immer noch glauben, dass Golf unheimlich teuer und stinklangweilig ist, erkläre ich immer, dass die amerikanischen Football-, Baseball-, Basketball- oder Eishockey-Profis, die allgemein als sehr coole Typen gelten, in ihrer Freizeit Golf spielen. In England stellt Golf eine Volkssportart dar und hat eine ganz eigene Geschichte. Selbst in Italien, Skandinavien oder den Benelux-Staaten gibt es mehr Golf-Profis als in Deutschland und der Sport hat zumindest ein realistisches Ansehen. In Deutschland stimmt das Bild des Golf-Sports hingegen noch nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass es schwierig ist, den Nachwuchs heranzuführen, weil die Golfplätze immer etwas außerhalb liegen. In jungen Jahren bist du immer darauf angewiesen, dass du von den Eltern gefahren wirst, um auf den Platz zu kommen. Das ist etwas anderes, als sich auf dem Bolzplatz in der Stadt zu verabreden.

Selbst die Schulen leben vor, dass Golf immer noch ein elitärer Sport ist, und kommen erst ganz langsam darauf, dass man anstatt mit dem Bus zur Schwimmhalle auch zwei Kilometer weiter zum nächsten Golfplatz fahren könnte und die Kinder dort mal spielen lässt. Golf ist ein Sport, der ungemein von Sportlichkeit lebt. Die Grundwerte des Golf-Sports finden sich in eben dieser Sportlichkeit, Ehrlichkeit und Integrität. Das hört sich im ersten Moment konservativ an, in Amerika gibt es aber ganze Projekte, die Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen über den Golf-Sport auf den richtigen Weg bringen und diese Werte vermitteln wollen. Wenn Jugendliche mit dem Sport in Kontakt kommen und dann sagen, dass es ihnen zu langweilig ist, habe ich dafür Verständnis. Sie müssen aber erst einmal an den Sport herangeführt werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso im Golf die Etikette der Spieler so eine wichtige Rolle spielt und wie Gregor Biernath die nahe Zukunft des Sports in Deutschland prognostiziert.

vorherige Seite « » nächste Seite

Kurz-URL: qmde.de/84534
Finde ich...
super
schade
90 %
10 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelPrimetime-Check: Donnerstag, 24. März 2016nächster ArtikelUnderwood im Elysee-Palast, Bartlett im Kanzleramt
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung