Hingeschaut

«Studio Amani»: Witz, komm raus!

von   |  2 Kommentare

Acht Wochen lang gibt ProSieben Enissa Amani Zeit, sich mit dem «TV total»-Sendeplatz am Montag zu arrangieren. Die wird sie wohl auch brauchen, denn der Auftakt geriet äußerst behäbig. Kein gutes Zeichen für die Zukunft: Vor allem gute Pointen waren Mangelware.

Infos zu Enissa Amani

  • Deutsch-iranische Komikerin (geboren in Teheran, aufgewachsen und lebhaft in Deutschland)
  • Name ist abgeleitet von der russischen Revolutionären und angeblichen Lenin-Geliebten Inessa Armand
  • Trat bei diversen Schönheitswettbewerben mit Erfolg an
  • Seit 2013 Standup-Komikerin, war damit schon in diversen TV-Shows zu sehen
  • Gewann 2015 den Comedypreis als "Bester Newcomer"
Es gibt im deutschen Fernsehen sicher dankbarere Aufgaben, als den Sendeplatz von Stefan Raabs Kultshow «TV total» zu beerben. Knapp drei Monate nach dem Raabschied schickt sich nun mit Enissa Amani eine aufstrebende Komödiantin an, diese Herkulesaufgabe zu meistern. Allem gebotenen Welpenschutz zum Trotz lässt sich schon nach der ersten Folge ihres «Studio Amani» festhalten, dass sie sich in den kommenden sieben Einsätzen noch wird steigern müssen. Denn wenngleich sie und ihr Team den einen oder anderen sympathischen Einfall haben, geht der Gesamteindruck der Premiere nicht über ein wohlwollendes "bemüht" hinaus: Zu wenige Gags wollten zünden, zu viele Aktionen versandeten im Nichts. Das sah offenbar auch das Studio-Publikum ähnlich.

Strukturell ist «Studio Amani» ein recht gradliniger Versuch, eine Spätabend-Comedyshow mit dezentem Latenight-Touch zu etablieren. Amani hat dabei keinen klassischen Schreibtisch, sondern nur zwei Sofas inmitten des vielleicht etwas zu grell beleuchteten Studios stehen, auf denen sie und später auch ihr einziger Gesprächsgast Antoine Monot Jr. Platz nehmen. Nach einem sehr schmalspurigen Standup-Part sitzt sie dort augenscheinlich vor allem deshalb, damit die Kamera sie und den etwas zu groß geratenen Bildschirm im Hintergrund gleichzeitig abbilden kann. Zudem gibt es den einen oder anderen Einspieler zu sehen, einen kurzen Studio-Sketch, das Gespräch mit Monot mitsamt Publikumsaktion und am Ende der Show überraschenderweise keine musikalische Einlage, sondern einen weiteren Clip, in dem Amani ins Comedy-Battle steigt.

Ein auffälliger Gegensatz, der sich im Prinzip durch die gesamte Folge zieht, ist bereits beim Monolog zu Beginn ersichtlich: Amani wirkt souverän in ihrer Rolle, weitaus souveräner gar als der sich oftmals verhaspelnde und müde die Pointen runterratternde Stefan Raab, doch inhaltlich hat sie kaum etwas zu bieten. Zunächst vermag sie noch ein wenig durch eine indirekte Interaktion mit dem Publikum zu kaschieren, welch müde Gags und Klischees zum typischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund sie dort erzählt, doch wenn die Standup-Konstellation nicht mehr vorherrscht, fällt dies immer schwerer.

Ein paar Beispiel dafür, auf welchem Niveau die Gag-Autoren über weite Teile unterwegs sind: Beim Thema "Super Tuesday" rückt Amani vornehmlich Trumps Frisur ins Zentrum des Interesses und vergleicht diese mit Maiskolben, Spielfiguren und einen Hamster. Als zusätzliche Facebook-Buttons schlägt sie allen Ernstes den "Krankmach"-Button mitsamt eines Bildes vom Grünen-Politiker Volker Beck vor - neben einem "Wütend"-Smiley mit Hitlerbärtchen extra für AfD-Anhänger. Sie gähnen zurecht. Wären das die Ausrutscher nach unten inmitten eines Sammelsuriums an Brüllern, könnte man darüber hinwegsehen. Aber nein, es sind vielleicht die etwas peinlicheren Versuche, Witz zu generieren - aber sie gehen beim hörbar gelangweilten Publikum nun auch nicht stärker unter als die allermeisten anderen.

Ich werde mich ganz klar einordnen. Ich würde sogar meinen Wahlschein vor laufender Kamera ausfüllen! So sehr ich Höflichkeit liebe und es mag, wenn man Menschen, die eine andere Meinung haben, mit Respekt gegenübertritt, so sehr hasse ich Diplomatie. Meine Zuschauer werden also eine klare Haltung von mir bekommen – und zwar nicht von einer Politikerin oder einer Gesellschaftswissenschaftlerin, sondern von Enissa Amani. Und dann können wir diskutieren.
Enissa Amani auf die Frage, ob sie bereit sei, auch politisch Stellung zu beziehen.
Ferner lässt es befürchten, dass die Moderatorin tatsächlich solch abgestandene Witzeleien mit der "klaren Haltung" meint, die sie ihrem Publikum im Interview auf der ProSieben-Hauptseite verspricht (siehe Infobox). Okay, wer es vorher noch nicht wusste, der kann dank der Show tatsächlich erahnen, dass Amani nun nicht gerade dem nationalkonservativen Lager angehört und Trump, die AfD und weitere Rechtsausleger doof findet. Das ist dann aber auch schon mit das Höchste der Gefühle, was sie an "Haltung" vermittelt. Das und einen Bühnen-Sketch, in dem sie in alter Homeshopping-Manier "Menschlichkeit" verkaufen möchte - eine sympathische Idee, zumal Amani selbst eine Zeit lang beim Homeshopping-Kanal QVC gearbeitet hatte. Doch auch hier gelingt nicht eine knackige Pointe, es kommt keinerlei über die Idee "Ex-Homeshopping-Moderatorin verkauft Humanität in Zeiten des Rechtsrucks" hinausgehender Drive zustande und so verpufft die Aktion letztlich im nichtssagenden Comedy-Nirvana.

Eine weitere amüsante Idee, die zudem auch das Studio-Publikum einbindet: Ein Zuschauer darf eine Geschichte erzählen, wobei Amani durch Betätigung eines Hebels die Schilderung beenden und dem Betroffenen eine Torte ins Gesicht pfeffern darf, wenn diese sie langweilt. Hier wachen die nach etwa zwei Dritteln der Show schon merklich phlegmatisierten Menschen im Studio einmal kurzzeitig auf, auch wenn die Moderatorin gewiss auch daraus mehr hätte rausholen können, bezöge sich ihre größte Freude nicht darauf, diesen lustigen Hebel schnellstmöglich zu betätigen. Etwas verloren wirkt daneben auch Stargast Monot, denn die größte Talkerin scheint Amani nicht zu sein. In erster Linie Geschmackssache ist dann wohl das abschließende "Comedy-Battle", in dem sich Amani und Comedian Marek Fis vor einer grölenden Menge gegenseitig Punchlines an die Rübe werfen. Wer schon einmal Zeuge eines Battle-Raps wurde, kann sich in etwa vorstellen, wie das abläuft. Und nein, auch hier geht es nicht unbedingt um feingeistige Diskurse zu wissenschaftlichen Kontroversen. Spaß kann es aber dennoch machen, wenn man denn auf diese Art Humor steht.

Wie gefiel Ihnen der Auftakt von «Studio Amani»?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
7,5%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
14,5%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
61,8%
Habe es (noch) nicht gesehen.
16,2%


Alles in allem wirkt «Studio Amani» nach der Premierenfolge bei weitem noch nicht rund: Die Gastgeberin beherrscht zwar die Standup-Comedy zufriedenstellend, tut sich allerdings im Talk noch relativ schwer. Die Texte und Pointen, die sie dort vorträgt, wollen zum allergrößten Teil noch überhaupt nicht zünden und verklingen zumeist eher in einem peinlichen Schweigen oder einem Höflichkeits-Lacher. Der Aufbau der Sendung ist relativ konventionell, pflegt aber immer wieder ganz nette Ideen und Aktionen ein, die aber viel zu oft nur mangelhaft umgesetzt werden. Nein, das alles reicht wohl noch nicht, um mittelfristig erfolgreich und vor allem auch inhaltlich relevant zu sein - und dass man auch als junger Künstler durchaus schon bei seiner Premierenfolge mehr liefern kann, stellte vor einigen Monaten Luke Mockridge mit seinem «Luke! Die Woche und ich» unter Beweis. Die Show wird bislang weitgehend unbeachtet am Freitagabend im direkten Wettbewerb zur «heute-show» in Sat.1 versendet - und wirkt dort so unpassend wie ein Award für Amani für die "angenehmste Stimme Deutschlands". Sollte also das «Studio Amani» schon bald wieder seine Pforten schließen müssen, stünde eventuell eine Alternative zur Verfügung - und zwar eine inhaltlich stimmigere als zumindest die Premierenfolge des ProSieben-Neustarts.

Kurz-URL: qmde.de/84219
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelStaffeltief für 100. Folge von «Once Upon a Time»nächster ArtikelToller Auftakt: «Studio Amani» übertrumpft «HalliGalli» spielend leicht
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Cheops
08.03.2016 09:55 Uhr 1
Man musste Raab nicht mögen, aber der wusste, was er tat. Frau Amani stelzte in ihrer Kulisse herum und wusste es ganz offensichtlich nicht. Jede Minute ihrer Sendung war verschenkt, aber eben kein Geschenk an die Zuschauer und Pro7 sollte sich gut überlegen, ob es seine Zuschauer weiter damit langweilen will!
Lumpenheinz
08.03.2016 11:15 Uhr 2
Wo kommen denn plötzlich diese ganzen Nulpen-Comedy-"Talente" her? Luke Mockridge ist doch genauso wenig lustig, hat aber wenigstens eine gewisse TV-Aura. Da war ja Kaya Yanar damals noch erfrischender. Und diese Nasen sollen jetzt den Zuschauer am Abend bespaßen? Da kann man gleich die Reality-Soaps ins Primetime-Programm hieven. Das wäre auf einer Unterhaltungsschiene.



Kann mir bitte jemand eine Sendung nennen, in der Frau Amani mal lustig war und sich selbst bewusst, dass sie gerade im TV ist und etwas dafür tun sollte, da auch bleiben zu dürfen? Allein ihr Auftritt in "Duell um die Geld" hat mir gezeigt, dass die Frau anscheinend mit irgendeinem Verantwortlichen geschlafen haben oder verwandt sein muss, um auf diese Präsenz im TV zu kommen.



Oder ist ihr kultureller Background bei den TV-Kiddies ein wirklich so starkes Merkmal? Ich finds jedenfalls merkwürdig...

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung