Sonntagsfragen

Anna Loos: 'Ich sehe mich eher im Sozialdrama als in der Komödie'

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Die «Helen Dorn»-Hauptdarstellerin erklärt im Quotenmeter.de-Interview, weshalb es bei der Krimireihe zu Änderungen hinter den Kulissen kam und was sie mit ihrer Ermittlerfigur noch vor hat.

Zur Person: Anna Loos

Schauspielerin und Sängerin Anna Loos wurde am 18. November 1970 in Brandenburg an der Havel geboren. Zu ihren ersten größeren Fernsehrollen gehörte der Part der Sekretärin Lissy Pütz im Kölner «Tatort», außerdem spielte sie in den Komödien «Höllische Nachbarn» mit. 2000 wirkte sie im Kinothriller «Anatomie» mit. Loos wirkte ab dann zunehmend in Dramen mit, 2010 wurde sie für «Böseckendorf – Die Nacht, in der ein Dorf verschwand» und «Es liegt mir auf der Zunge» mit einer Goldene-Kamera-Nominierung bedacht, im Folgejahr gewann sie den Preis für «Wohin mit Vater?». Seit 2014 ermittelt sie im ZDF als «Helen Dorn».
Wie weit wird bei «Helen Dorn» hinter den Kulissen über den jeweils aktuellen Fall hinausgedacht?
Ich bin echt glücklich, dass sich das ZDF bei «Helen Dorn» nicht lumpen lässt. Bei Krimireihen geht es ja gern so, dass alles in den ersten Fall gepackt wird, und wenn der fertig produziert ist, dann schreibt halt irgendjemand das nächste Buch, und das geht dann so weiter. Und die Frage, ob die gerade in Entwicklung befindliche Idee überhaupt zur Figur passt, oder für eine andere Reihe besser geeignet wäre, stellt sich überhaupt gar nicht. Wir haben aber bei «Helen Dorn» gesagt, dass wir das vermeiden wollen und wirklich durchgehend am Ball bleiben müssen. Wir haben mit dieser Reihe etwas vor. Es soll eine LKA-Reihe sein, und nicht wie der «Tatort» es im Regelfall tut, die Kommissare eines Orts unter Dach und Fach bringen. Wir wollen in dieser Moll-Art bleiben, also keine Figuren einführen, wie zum Beispiel bei Til Schweigers «Tatort» die Figur von Fahri Yardım – eine wirklich tolle Rolle, doch wir wollen sehr skandinavisch sein, statt jemanden zu bringen, der für Lacher sorgt. Wir versuchen bei «Helen Dorn» globaler zu werden und die Realität ein bisschen stärker widerzuspiegeln. Das heißt, dass wir in langsamen Schritten den politischen Druck hinter den Fällen des LKA erhöhen wollen. Außerdem möchten wir allmählich über die Landesgrenzen hinausgehen, denn Kriminalfälle werden ja auch in Wirklichkeit immer internationaler. Darüber hinaus haben wir uns vorgenommen, dem Zuschauer die Figur der Helen Dorn mehr und mehr näher zu bringen. Wir wollen zeigen, dass sie zwar eine soziale Störung hat und nicht gerade jeden mit offenen Armen empfängt, aber wir möchten, dass der Zuschauer sie von Fall zu Fall etwas besser versteht. Das ZDF gibt uns dafür auch die nötige Zeit und Unterstützung.

Wir wollen in dieser Moll-Art bleiben, also keine Figuren einführen, wie zum Beispiel bei Til Schweigers «Tatort» die Figur von Fahri Yardım – eine wirklich tolle Rolle, doch wir wollen sehr skandinavisch sein, statt jemanden zu bringen, der für Lacher sorgt. Wir versuchen bei «Helen Dorn» globaler zu werden und die Realität ein bisschen stärker widerzuspiegeln.
Anna Loos
Weshalb kam es zu Änderungen hinter den Kulissen von «Helen Dorn»?
Wir haben Redaktion und Produktion gewechselt, als wir festgestellt haben, dass das bisherige Team nach den ersten beiden Fällen einen Haken dahinter gesetzt hat. Wir möchten aber, dass weiterhin viel Arbeit in die Reihe gesteckt wird und sie sich stets weiterentwickelt. Deshalb haben wir nach den für uns richtigen Partnern gesucht und sind da mit Jutta Lieck-Klenke und Daniel Blum fündig geworden: Wir sind bei Leuten gelandet, die richtig große Entwicklungsarbeit leisten. So haben sie für die Regie von Folge fünf und sechs den Alexander Dierbach gefunden, einen tollen, jungen Regisseur, der viele starke Ideen für die Reihe hat. Wir haben allesamt gesagt, dass wir daher erstmal beieinander bleiben und alles, was wir die letzten Jahre beredet und entwickelt haben nun in Fahrt bringen wollen, um mit der Reihe eine richtig schöne Entwicklung durchzumachen.

Gibt es für diesen Masterplan, der in der Schublade liegt, auch einen definitiven Endpunkt für Ihre Figur der Helen Dorn?
Nein. Wir haben uns gesagt, dass wir uns für die nächsten zehn «Helen Dorn»-Folgen Gedanken machen – und wenn wir kurz davor sind, am Ende des bisherigen Plans anzukommen, dann denken wir weiter. Damit haben wir ja schon die nächsten fünf Jahre vorhergeplant, was nach dieser Strecke kommt, hecken wir aus, wenn es so weit ist.

Der Ausstieg von Matthias war etwas, das unser Kreativteam und der Sender beschlossen haben, als wir nach den ersten Folgen zurückgeblickt haben, um zu schauen, wie wir uns von diesem Punkt aus weiterentwickeln können. Wir kamen zu dem Entschluss, dass wir uns vom klassischen Ermittler-Duo distanzieren sollten, weil wir uns mehrmals in diesen Dialogen wiedergefunden haben, die diese Figuren nun einmal führen müssen.
Anna Loos
War der Ausstieg von Matthias Matschke auch von Beginn an Teil der «Helen Dorn»-Gesamtplanung?
Nein. Der Ausstieg von Matthias war etwas, das unser Kreativteam und der Sender beschlossen haben, als wir nach den ersten Folgen zurückgeblickt haben, um zu schauen, wie wir uns von diesem Punkt aus weiterentwickeln können. Wir kamen zu dem Entschluss, dass wir uns vom klassischen Ermittler-Duo distanzieren sollten, weil wir uns mehrmals in diesen Dialogen wiedergefunden haben, die diese Figuren nun einmal führen müssen. Dass der Eine dem Anderen Informationen geben muss, und sie sich über den Fall unterhalten. Das wollten wir aber nicht, wir wollten auch kein Kompetenzgerangel. Die Idee des ZDF war vielmehr: „Wir entwickeln hier eine Figur, die ein Alleinkämpfer ist. So jemand wie Schimanski. Wir wollen die Helen Dorn alleine sehen.“ Das fanden wir gut, denn bei Männern gibt es ein paar solcher Figuren, aber Frauen werden immer erstmal in ein Doppelpack gesteckt. Das wollten wir nun korrigieren. Da Matthias sowieso zum «Polizeiruf 110» gehen wollte, ist das dann ja zum Glück für alle gut ausgegangen.

Vor wenigen Jahren meinten Sie noch in einem Interview, sich als Schauspielerin in der Comedy nicht heimisch zu fühlen. Dann kam aber «Desaster». Sind Sie nun mit der Comedy etwas wärmer geworden?
Nein, das nicht. «Desaster» war ein Freundschaftsprojekt: Der Regisseur und Autor Justus von Dohnányi ist einer der besten Freunde von meinem Mann und mir, und bei ihm ist der Humor stets mit einer kleinen, schwarzen Note versehen. Das gefällt mir immer sehr gut.

Ich sehe mich eher im Sozialdrama als in der Komödie. Was ich mir vielleicht noch vorstellen könnte, wäre in einem Film von Til Schweiger mitzuspielen, in einer seiner quasi-romantischen Komödien, das ist ja auch nicht dieser Schenkelklopferhumor, sondern ein herzlich-amerikanischer.
Anna Loos
Welchen Humor, neben dem von Justus von Dohnányi, bevorzugen Sie?
Ich mag zum Beispiel sehr, was Bully macht, dessen Produktionen sind teilweise auf enorm hohem komödiantischen Niveau. Und Justus hat auch ein wenig was von Bully, was etwa das Timing angeht. Aber es ist nicht meine Passion als Darstellerin. Ich sehe mich eher im Sozialdrama als in der Komödie. Was ich mir vielleicht noch vorstellen könnte, wäre in einem Film von Til Schweiger mitzuspielen, in einer seiner quasi-romantischen Komödien, das ist ja auch nicht dieser Schenkelklopferhumor, sondern ein herzlich-amerikanischer. Dennoch: Wenn mir zwei Bücher vorliegen, so würde ich immer zuerst zum Drama greifen.

Droht Deutschland die Krimi-Übersättigung?
Nein, das glaube ich nicht. Gemessen an der heutigen Programmvielfalt verteilen sich die Krimis heutzutage ja sehr gut. Es ist auch ein bekanntes Phänomen: Wenn Leute in den Urlaub reisen, so packen viele zwei Krimis und einen Roman ein. Das Schöne am Krimi ist ja, dass er interaktiv ist, ohne wirklich interaktiv zu sein – man kann als Leser oder Zuschauer bei einem Whodunit miträtseln und mitfiebern, man ist selber ein bisschen Kommissar. Und darauf stehen die Leute einfach.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
04.03.2016 08:46 Uhr 1
Echt tolles Interview!! Danke sid!!
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