Sonntagsfragen

'Es gibt bei Disney keine Zensur-Hürde'

von

Quotenmeter.de hat die «Zoomania»-Regisseure Byron Howard und Rich Moore sowie den Disney-Produzenten Clark Spencer zum Roundtable-Interview getroffen. Es entstand ein Gespräch über Risiken, Inspiration und den schwindenden Unterschied zwischen Disney und Pixar.

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Manchmal muss ich mich selber daran erinnern, dass alles, woran ich zu Beginn einer Produktion arbeite, höchstwahrscheinlich nicht im fertigen Film landen wird. Aber das sind alles unerlässliche Schritte, die einen zur nächsthöheren Ebene führen, wo der eigentliche Film wartet.
«Zoomania»-Regisseur Rich Moore
«Zoomania» hat sich im Laufe der Produktion ja sehr gewandelt …
Byron Howard: Genau. Als ich den Film dem Storytrust erstmals vorgeschlagen habe, war es noch ein Agentenfilm mit sprechenden Tieren. Und die anderen Regisseure im Storytrust haben mir wegen der Agentensache keine Ruhe gelassen. Sie mochten das einfach nicht und meinten: „Die Agentensache funktioniert nicht, aber dein erster Akt, in dem du zeigst, wie die verschiedenen Tiere zusammenleben, der ist interessant! Das hat es in der Form noch nicht gegeben, wieso ist nicht der ganze Film so?!“ Und somit habe ich das Agentenelement rausgeworfen. Der frühe Produktionsprozess handelt bei Disney generell von zwei Dingen: Erstens, herauszufinden, was deine Kreativität zum Sprühen bringt. Und zweitens, herauszufinden, was alle Anderen aus deiner Idee herauslesen. Wenn ich jetzt auf «Zoomania» blicke, so hat er gar nichts mit dem gemeinsam, was ich mir damals beim Pitch ausgemalt habe. Der fertige Film ist das, was entsteht, wenn jeder zu diesem kleinen Ideen-Saatkorn einen Beitrag leistet. Und daher ist er so reichhaltig, detailliert und vielschichtig. Er ist so, weil ihn so viele Leute bereichert haben.

Rich Moore: Das ist das Verrückte an unserem Prozess. Und manchmal muss ich mich selber daran erinnern, dass alles, woran ich zu Beginn einer Produktion arbeite, höchstwahrscheinlich nicht im fertigen Film landen wird. Aber das sind alles unerlässliche Schritte, die einen zur nächsthöheren Ebene führen, wo der eigentliche Film wartet.

Clark Spencer: Wir sagen immer: Hier, an diesem Punkt ist die eigentliche Story. Wir starten aber hier, ganz weit davon entfernt, und begeben uns auf eine total verrückte Reise, um den Weg zur Story zu finden. Um dann rückblickend zu sagen: Das hätte auch einfacher gehen können. Aber es wäre nicht einfacher gegangen! Das ist ja die Herausforderung beim Geschichtenerzählen.

Rich Moore: Und so geht das schon seit «Schneewittchen und die sieben Zwerge» …

An Stelle des Agentenfilms ist ja ein Buddy-Cop-Element getreten. Haben Sie sich irgendwelche Ermittler-Duos zur Vorbereitung noch einmal genauer angeschaut?
Byron Howard: Vor allem «Der dünne Mann» war eine große Inspiration …

Rich Moore: Ja, Nick und Nora Charles. Deren Filme sind große Klassiker. Und dann gab es in den 80ern eine Serie mit sehr ähnlich tickenden Figuren: «Das Model und der Schnüffler» mit Bruce Willis und Cybill Shepherd, die uns ebenfalls inspiriert hat.

Byron Howard: Dann natürlich «Nur 48 Stunden» und «Lethal Weapon» … Eigentlich alle tollen 80er-Cop-Filme …

Rich Moore: «Beverly Hills Cop» würde ich noch nennen. Das ist zwar nicht wirklich ein Buddy-Cop-Movie, weil Axel Foley auf eigene Faust ermittelt, aber er hat dieses Feeling … Wir lieben diese Filme einfach.

Byron Howard: Und die Filme von Frank Capra waren ein wichtiger Einfluss. Wenn man sich Judy anschaut: Sie ist eine typische Capra-Heldin, mit einem sehr reinen Kern. Und der Film handelt davon, dass immer mehr auf Judys Reinheit eindrischt, so dass sich die Frage stellt, ob diese Unverdorbenheit in der zynischen Welt bestehen kann. Das ist eine Sache, die Frank Capra meisterlich verstand, weshalb seine Filme so gut sind: Sie handeln von einer reinen Figur, und auch wenn sie teils sehr naiv ist, so hofft man, dass sie sich ihre Reinheit wenigstens zum Teil bewahren kann. Das wollten wir rekreieren.

Mr. Howard, wie unterscheidet sich die Arbeit mit Rich Moore als Regiepartner von der mit Nathan Greno?
Die Kollegialität gehört zu den Sachen, die sich seit John Lasseter und Ed Catmull das Studio leiten, sehr stark verbessert haben. Ich glaube, das liegt daran, dass sie von Pixar die Idee des Braintrusts rübergebracht haben. [...] Ich kann nicht in Worte fassen, wie erfüllend es ist, an einem Arbeitsplatz tätig zu sein, wo man so kollaborativ ist. Ich weiß, das klingt nach Werbegerede, doch das ist wirklich so.
«Zoomania»-Produzent Clark Spencer
Byron Howard: Oh, man, es ist soooo, so viel besser mit Rich! (lacht)

Rich Moore: Dieser doofe Nathan aber auch ... Du hast so viel über ihn geklagt! (lacht)

Byron Howard: Ja, ich hasse ihn! (lacht)

Rich Moore: Jetzt habe ich Angst davor, was du über mich sagen wirst, wenn du bei deinem nächsten Film gefragt wirst, wie es war, mit mir zusammenzuarbeiten … (zieht ein gespielt trauriges Gesicht)

Byron Howard: Aber jetzt mal im Ernst: Ich habe nun bei drei Filmen Regie geführt, und das stets mit einem anderen Partner. Wir Regisseure sehen uns und den Produzenten – in diesem Fall Clark – während der Produktion öfter als unsere Familien, und lernen uns daher sehr gut kennen. Und daher finde ich es großartig, dass ich mit verschiedenen Kollegen so eng zusammenarbeiten durfte. Rich und ich, wir kannten uns vor «Zoomania» nur oberflächlich. Wir waren uns sympathisch und haben einander immer im Flur gegrüßt, aber diese Filme verlangen, dass man sich besser kennt als seinen eigenen Lebenspartner und zu einer Familie wird. Ich musste lernen, was Rich glücklich macht …

Rich Moore: Tja … nichts! (lacht)

Byron Howard: … und was Rich kreativen Antrieb gibt …

Rich Moore: Wieder nichts! (lacht)

Byron Howard: Und ich musste lernen, was Clark gern hat, und die Beiden mussten auch mich besser kennenlernen. Ich denke, dass dieser Prozess dafür sorgt, dass wir als Filmemacher über uns hinauswachsen. Rich bringt seine Erfahrungen und Perspektive ein, die etwa wegen seiner Vergangenheit bei den «Simpsons» ganz anders ist als meine. Und Clark hat bei Disney Filme produziert, bei denen ich gar nicht beteiligt war, und ich bringe meine eigenen Erfahrungen mit, als jemand, der sehr lange selber animiert hat. Wenn man das zusammenwirft, gibt es der Unterschiede zum Trotz auch Dinge, die sich überschneiden, und die lassen einen zusammenwachsen. Was enorm wichtig ist, denn eine Filmproduktion kann eine Mordsarbeit darstellen, und es ist schön, wenn man am Ende sagen kann: „Das war zwar hart, aber wir haben es gemeinsam durchgehalten!“ Auch unsere Europa-Tour, bei der wir nun den Film in verschiedenen Ländern vorführen, ist sehr bereichernd für uns, weil es uns hilft, gemeinsam über die Erfahrung und den Film zu reflektieren.

Rich Moore: Es gibt Schreckensgeschichten über Film- oder Regie-Teams, die sich auf den Tod nicht ausstehen konnten. Und ich kann mich nicht in diese grausame Situation hineinversetzen! Ich habe nur ein begrenztes Maß an Verstand und Energie (lacht), und die stecke ich in den Film. Die Vorstellung, dann noch Feindseligkeiten mit dem Regiepartner und/oder dem Produzenten durchstehen zu müssen … Keine Ahnung, ich glaube, die Leute, die das können, sind Übermenschen! (lacht)

Clark Spencer: Die Kollegialität gehört zu den Sachen, die sich seit John Lasseter und Ed Catmull das Studio leiten, sehr stark verbessert haben. Ich glaube, das liegt daran, dass sie von Pixar die Idee des Braintrusts rübergebracht haben. Das führte dazu, dass sich Rich und Byron schon kannten. Obwohl sie noch nie an einem Film zusammengearbeitet haben, haben sie sich schon öfter getroffen und Rückmeldung zu ihren jeweils eigenen Filmen gegeben, Ideen ausgetauscht und zusammen Problemlösungen ausgeknobelt. Ich kann nicht in Worte fassen, wie erfüllend es ist, an einem Arbeitsplatz tätig zu sein, wo man so kollaborativ ist. Ich weiß, das klingt nach Werbegerede, doch das ist wirklich so.

Byron Howard: Es ist auch immer wieder schön, alte Regie-Partner auf dem Flur zu treffen. Neulich bin ich Nathan Greno begegnet, und wir haben uns länger über seinen nächsten Film unterhalten und ich darf nichts davon wiedergeben! (lacht) Und als Chris Williams für «Baymax – Riesiges Robowabohu» den Oscar gewonnen hat, habe ich mich enorm für ihn gefreut. Das Studio ist schon ein sehr heimeliger Ort.

Auf der nächsten Seite: Die «Zoomania»-Macher über die Auswahl, welche Tiere im Film vorkommen, und über den Komponisten Michael Giacchino.


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