Die Kino-Kritiker

«Broadway Therapy»

von

Regie-Altmeister Peter Bogdanovich verschreibt jedem, der wieder richtig gut lachen will, eine «Broadway Therapy»: Bei Owen Wilson, Jennifer Aniston und Imogen Poots sind Chaos und Spaß vorprogrammiert.

Filmfacts «Broadway Therapy»

  • Regie: Peter Bogdanovich
  • Produktion: Wes Anderson, Noah Baumbach, George Drakoulias, Logan Levy, Holly Wiersma
  • Drehbuch: Louise Stratten, Peter Bogdanovich
  • Darsteller: Imogen Poots, Owen Wilson, Kathryn Hahn, Will Forte, Rhys Ifans, Jennifer Aniston, Austin Pendleton, George Morfogen
  • Musik: Edward Shearmur
  • Kamera: Yaron Orbach
  • Schnitt: Nick Moore, Pax Wassermann
  • Laufzeit: 93 Minuten
  • FSK: ab 0 Jahren
Regie-Altmeister Peter Bogdanovich verantwortete diverse Filme, die in die Kinogeschichte eingegangen sind. Doch neben solchen vielfach besungenen Werken wie «Die letzte Vorstellung» oder «Paper Moon» ist dem früheren Filmkritiker ein weitestgehend übersehener Meilenstein gelungen: «Noises Off! – Der nackte Wahnsinn»! Die Theateradaption mit Michael Caine, Carol Burnett, Christopher Reeve und Nicollette Sheridan ist ohne Zweifel die beste Komödie über das Schauspielen, die je den Weg in die Lichtspielhäuser gefunden hat. Nicht, dass viele Filmfreunde davon Wind bekommen hätten: Weder schnitt das frenetische Bühnenchaos zufriedenstellend an den Kinokassen ab, noch waren die zeitgenössischen Kritiken wohlgesonnen.

Seit dem Filmstart im Jahr 1992 mauserte sich «Noises Off!» allerdings zu einem von Kennern passioniert in Ehren gehaltenen Geheimtipp. Ob «Broadway Therapy» ein ähnliches Ende beschert ist, muss sich noch zeigen. Gewisse Parallelen zeichnen sich aber schon jetzt ab: Die US-amerikanischen Kritiken waren bestenfalls lauwarm. Das Einspielergebnis lässt sich durchaus als blamabel bezeichnen. Und erneut dreht sich alles um eine Gruppe an Bühnendarstellern, die sich aufgrund ihrer privaten und professionellen Verwicklungen in allerlei Tumult manövrieren. Zwar kann sich «Broadway Therapy» nicht ganz mit «Noises Off!» messen lassen, trotzdem lohnt es sich, eine Karte für diesen goldigen Filmspaß zu lösen. Denn sollte diese raffinierte Verquickung aus herzlicher Situationskomik, altmodischem New Yorker Charme und dem Reiz einer sich lautstark ankündigenden Misere verdienterweise als Kleinod wiederentdeckt werden … Dann kann jeder, der im Kino war eines Tages romantisch verklärt sagen: Hach ja, ich war damals dabei …

Genau solch eine nostalgische Weltsicht, inklusive Begeisterung für Filme vergangener Tage, vertritt auch unsere Protagonistin Isabella (Imogen Poots): Die verklärte Schauspielerin gibt der Reporterin eines Branchenblatts in einem ausführlichen Interview Einblicke in jene Tage, in denen ihre Karriere allmählich in Gang kam. Dabei steht ein Gesprächsthema ganz oben auf der Prioritätenliste: Wie der zynischen Journalistin zu Ohren kam, war Isabella einst ein Call Girl. Die Mimin streitet dies zwar nicht ab, viel lieber ist es ihr aber, wenn man sie als Muse bezeichnet, die verirrten, uninspirierten Männern den nötigen Schubs gibt. Einer jener Kunden, die von Isabella alias Glow einen kleinen 'Schubs' haben wollten, ist Bühnenregisseur Arnold Albertson (Owen Wilson). Dieser bringt Isabella dazu, ihren Job bei einem Escortservice an den Nagel zu hängen, um ihren Träumen nachzugehen. Ironischerweise bewirbt sie sich direkt darauf unwissentlich für eine Rolle in Arnolds nächstem Stück. Da Hauptdarsteller Seth Gilbert (Rhys Ifans) seinen Regisseur dabei erwischt hat, wie er dessen Frau und Hauptdarstellerin Delta Simmons (Kathryn Hahn) hintergangen hat, ist Chaos vorprogrammiert. Dass obendrein Isabellas Therapeutin Jane Claremont (Jennifer Aniston) die Partnerin des Bühnenautors Josh (Will Forte) ist und auf Anhieb ein Auge auf die viel versprechende Aktrice geworfen hat, macht den drohenden Trubel perfekt …

Bogdanovich verschenkt keine Zeit, sondern macht direkt in den ersten Augenblicken seiner knackig-kurzen Theater-Farce klar: Dieser von den Indie-Regisseuren Wes Anderson («Moonrise Kingdom») sowie Noah Baumbach («Frances Ha») mitfinanzierte Reigen an Wortgefechten und mäßig gehüteten Geheimnissen ist nicht im Geringsten daran interessiert, innovativ zu sein. Was nicht heißen soll, dass «Broadway Therapy» vertrocknet ist: Mit nostalgisch-verträumter Attitüde, sowie zügiger und leichtherziger Regieführung kreiert der Maestro des New Hollywood ein selbstbewusstes Revival des archetypischen 30er-Screwball-Stils. Mit allem, was dazugehört: Das gesamte Ensemble glüht vor Spielfreude und die zumeist immens selbstverliebten Figuren sind dank des heiteren Tonfalls all ihren Makeln zum Trotz außerordentlich vergnüglich. Und natürlich geht alles schief, was schiefgehen kann.

Die Unvermeidlichkeit, dass sämtliche Figuren zielstrebig in die souverän platzierten Fettnäpfchen steuern, könnte in schwächeren Händen einen schwerwiegenden Nachteil von «Broadway Therapy» darstellen. Bogdanovich allerdings ist sich dessen bewusst, dass sich das Publikum mit den Genrestandards auskennt. Also lässt er die von Imogen Poots mit Finesse, liebenswerten Kulleraugen und ausdrucksstarker Schnute gespielte Protagonistin vorwegnehmen, dass ihre Erzählung in ein gewaltiges Tohuwabohu mündet. Der alte Regiehase rückt somit den Weg zur Explosion aller sich ansammelnden Komplikationen in den Mittelpunkt. Dass die Chaotenbande rund um Isabella alle nur denkbaren Rückschläge erleiden wird, steht außer Frage – die Frage ist aber, wie es dazu kommen wird, und wie die Figuren darauf reagieren.

Aus eben diesen Fragen schröpfen Bogdanovich und seine durch die Bank weg perfektes komödiantisches Timing beweisenden Darsteller enormes Humorpotential. Standardsituationen wie peinliche Begegnungen beim Abendessen und Versteckspiele im Hotel wandeln sich bei diesen neurotisch überzeichneten Figuren zu intensivem Lachmuskeltraining. Dabei punkten Wilson, Aniston und Co. sowohl mit non-verbaler Komik als auch mit den geschliffenen Dialogen, die in ihrer trocken überlieferten, inhaltlich aber wundervoll spritzigen Doppelbödigkeit an den frühen Woody Allen erinnern.

Diesen jüdisch-intellektuellen New Yorker Witz würzt der 76-Jährige mit zahllosen Referenzen an Filmklassiker (vor allem an Ernst Lubitsch), wodurch er «Broadway Therapy» ein gutes Stück aus dem Heute entrückt: Obwohl die Geschichte in der Gegenwart spielt, flieht die lebhafte Story, von gelegentlichem Handygebrauch abgesehen, fast schon davor sich der Aktualität schuldig zu machen. Da Bogdanovich die Idee zu diesem Film seit Jahrzehnten vor sich herschiebt, verwundert das keinesfalls. Vor dem Hintergrund von Isabellas Liebe zum alten Hollywood und dessen Werten, ist dieser Aspekt aber sogar inhaltlich gerechtfertigt. Darüber hinaus verleiht der Aufprall des Zeitlosen und des Gegenwärtigen «Broadway Therapy» zusätzliches Charisma. Nicht, dass die Komödie diesen Extraschuss Sympathie nötig hätte – wer es am Ende dem brillanten Cameoauftritt nicht gleichtun und mit der optimistischen, durchsetzungsfähigen und hellen Isabella nicht durchbrennen will, hat dringend eine Therapie nötig. Gerne auch am Broadway!

Fazit: Ein zeitlos-spaßiger Broadway-Liebesreigen, ganz in der Tradition des güldenen Hollywood-Zeitalters: Der Leinwand-Sonnenschein Imogen Poots darf endlich zeigen, was er drauf hat, Jennifer Aniston motzt ihr Umfeld munter runter und Owen Wilsons Schürzenjägerei ist einfach verboten köstlich!

«Broadway Therapy» ist ab dem 20. August 2015 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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