Sonntagsfragen

'Uns hat interessiert, wie Politiker zu Entscheidungen kommen'

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Mit «Eichwald, MdB» kommt eine serielle Politsatire ins ZDF. Quotenmeter.de sprach mit Regisseur Fabian Möhrke und Showrunner Stefan Stuckmann über Inspirationen, der Vorbeugung vor Schleichwerbe-Vorwürfen und den Einfluss der «heute-show».

Darum dreht sich «Eichwald, MdB»

Hans-Josef Eichwald (Bernhard Schütz) ist Bundestagsabgeordneter und befindet sich in der inneren Kündigung –als gewählter Vertreter des Wahlkreises Bochum II hat er seinen Wählern versprochen, ihr Leben ein bisschen besser zu machen. Doch 20 Jahre wütender Bürgeranrufe, Lobbyisten-Besuche und Fraktionszwang haben bei ihm ihre entmutigenden Spuren hinterlassen ...
Ich möchte mit einer augenzwinkernden Frage beginnen: Weshalb ist die Hauptfigur von «Eichwald, MdB» eigentlich kein Jungspund, sondern ein Bundestagsabgeortneter kurz vor dem Ruhestand? Ist das etwa ein Zugeständnis gegenüber dem ZDF-Publikum?

Stefan Stuckmann: Nein, das Gegenteil war der Fall. Beim ZDF hätte man sich gefreut, hätte sich die Serie um eine junge, attraktive Politikerin gedreht, aber das wollte ich nicht. Denn das Schöne an einem alten Abgeordneten ist, dass man damit viel besser eine Geschichte über verratene Ideale, geplatze Träume und ungewollte Kompromisse erzählen kann. Es schwingt da viel mehr von einem Niedergang mit – und das ist für eine Serie reizvoller

Gab es denn Kompromisse, die ihr in der Zusammenarbeit mit dem ZDF eingehen musstet?

Fabian Möhrke: Nö, überhaupt nicht.

Stefan Stuckmann: Nein. Das ist der Reiz daran, etwas beim Kleinen Fernsehspiel zu verwirklicken: Die absolute Vorfahrt hat die Grundidee, in diesem Fall also die Vision von uns beiden. Also wurden uns viele Freiheiten gelassen.

Eine dieser Freiheiten, die ihr euch genommen habt, und die mir sehr zusagte: In den Dialogen werden echte Marken verwendet. Die Figuren reden über Facebook und Twitter oder auch über Bahlsen-Kekse, und nicht etwa über fiktive Produkte und Webdienste. Was galt es für euch dahingehend zu beachten, damit ihr dem Vorwurf der Schleichwerbung vorbeugt?

Stefan Stuckmann: Um ehrlich zu sein – es ist sehr wohl Schleichwerbung. Wir brauchten halt dringend das Geld und sind daher durch die Industrie getingelt und haben gefragt, wer sich erniedrigen könnte, bei uns zu werben.

Fabian Möhrke: [lacht]

Wann immer wir Markennamen benutzen, dann als charakterisierendes Mittel. [...] Wenn eine Figur erklärt, dass sie ihren Kaffee viel lieber von Starbucks bezieht als von Tschibo, dann sagt das jede Menge über sie aus. Und das über Marken auszudrücken, ist gerade in dem Milieu unserer Serie ein wertvolles erzählerisches Mittel, denn in allen Berufen, die mit Öffentlichkeit und Medien zu tun haben, gibt es immer ein komplexes Spiel zwischen Schein und Sein.
Stefan Stuckmann
Stefan Stuckmann: Nein, es ist natürlich ganz anders: Wann immer wir Markennamen benutzen, dann als charakterisierendes Mittel. Wir haben uns mit der großen Frage, ob wir diesen Weg gehen, intensiv beschäftigt und letztlich ganz klar beschlossen, dass wir das machen wollen. Wenn eine Figur erklärt, dass sie ihren Kaffee viel lieber von Starbucks bezieht als von Tschibo, dann sagt das jede Menge über sie aus. Und das über Marken auszudrücken, ist gerade in dem Milieu unserer Serie ein wertvolles erzählerisches Mittel, denn in allen Berufen, die mit Öffentlichkeit und Medien zu tun haben, gibt es immer ein komplexes Spiel zwischen Schein und Sein. Die Figuren und die Handlung fußen sehr auf Selbstdarstellung, und dass wir als Autoren da mit echten Markennamen arbeiten, verleiht dem einfach mehr Gewicht.

Und ihr konntet nun einfach dem ZDF sagen, 'Wir benutzen echte Markennamen?', ohne Einschränkungen?

Stefan Stuckmann: Beim ZDF gilt die Regel: „Du darfst alles sagen, aber nichts zeigen.“ Unsere Figuren dürfen also über alle Marken sprechen, wir dürfen halt nur keine Markenlogos ins Bild halten.

Hat dich das in der Bildgestaltung beschränkt, Fabian?

Fabian Möhrke: Nein, ich habe mich nicht eingeschränkt gefühlt. Markennamen wie 'Starbucks' helfen uns zwar beim Charakterisieren der Figuren, der Starbucks-Becher selbst ist für die Geschichte aber nicht von Bedeutung. Er findet gewissermaßen nur am Rande statt, und da hält dann halt immer jemand seine Hand vors Logo.

In eurer Serie werden nicht nur echte Markennamen genannt, sondern es wird in Dialogen auch immer wieder auf echte Politiker angespielt – eine zentrale Rolle spielt deren Handeln aber nicht. Wie lief vorab der Entscheidungsprozess darüber ab, wie wichtig beziehungsweise unwichtig reale Amtsträger und Parteiprogramme für eure Serie sind?

Stefan Stuckmann: Von Anfang an war das Ziel, all das weitestgehend zu umspielen. Vor allem Parteiennamen wollten wir rauslassen, insbesondere den Namen der Partei, der unsere Hauptfigur Eichwald angehört. Wir fanden, dass sonst die Gefahr zu groß ist, dass man sonst nur Klischeewitze macht. 'Oh, Grüne tragen nur Sandalen!' oder 'Ach, bei der FDP haben die immer ihre Haare aalglatt nach hinten gegelt' …

Fabian Möhrke : … 'und tragen schmucke Einstecktücher' …

Stefan Stuckmann: So etwas wollten wir dringend vermeiden. Das hätte uns von unserer Geschichte abgelenkt, uns auf eine andere humoristische Schiene gelenkt. Deshalb reißen wir nur gelegentlich echte Politiker an, zwecks Authentizität.

Beim Stichwort 'Authentizität' kommt mir der Look der Serie in den Sinn, die sich mit ihren blau-grünen Farbstich sehr von anderen Comedyformaten in Deutschland abhebt. War es die Absicht, mit dieser verwaschen-dreckigen Optik, besonders 'echt' zu wirken?

Fabian Möhrke: In erster Linie ging es darum, sich von den Bonbonfarben abzuheben, die zur Norm in diesem Genre wurden. Andere Comedyformate sind sehr bunt, sehr hell. Wir wollten es kühler, dreckiger haben. Wir wollten Eichwald nicht als Clown erzählen – uns war wichtig, dass der Zuschauer glauben kann, dass das alles auch tatsächlich passieren könnte. Es sollte nicht wie eine Schenkelklopferparade aussehen. Das geht bis ins Kostümbild hinein. Es wäre einfach gewesen, Eichwald in einen zu großen Anzug zu stecken, aber das hätte eine zu simple Lachnummer aus ihm gemacht.

Optisch scheint ihr also alles bis ins Detail geplant zu haben. Aber wie viel Impro steckt in einer Folge «Eichwald, MdB»?

Fabian Möhrke: Ganz, ganz wenig. Das bisschen Improvisation, das es gibt, bezieht sich darauf, wie die Schauspieler sich im Raum bewegen. An den Dialogen dagegen wird beim Dreh kaum etwas geändert.

Stefan Stuckmann: Genau. Die Improvisation entsteht eher aus Grundfragen der Inszenierung heraus. Vom Ensemble gab es immer wieder Feedback diesbezüglich, ob eine Szene traurig oder fröhlich gespielt wird.

Fabian Möhrke: Man kann eigentlich jeden geschriebenen Text auf zehn verschiedene Arten spielen. Bringt eine Figur gerade viel Dampf mit, oder spielt sie mit hängenden Schultern, ist sie starr, oder irrt durch die ganze Szenerie … Da haben wir bei den Proben und später beim Dreh viel ausprobiert.

Welchen Ansatz habt ihr denn versucht, um bei einer derart 'Walk and Talk'-lastigen Serie trotzdem visuell ansprechend zu bleiben?

Fabian Möhrke: Wir haben versucht, trotzdem abwechslungsreich zu bleiben. Wann immer eine Szene etwas Konspiratives an sich hat, wird beispielsweise die betroffene Figur mal ins Gegenlicht gestellt. Wir haben uns immer gefragt, 'was passiert eigentlich in einer Szene, was ist der Kern?' Dann haben wir dafür eine bildgestalterische Entsprechung gesucht.

Welche Formate waren denn dahingehend, oder auch erzählerisch, Vorbilder für «Eichwald, MdB» – hatten andere Politserien Einfluss auf euch?

Stefan Stuckmann: Das war ein großer Rundumschlag. Wir alle haben «Yes Premierminister» gesehen, und wir sind auch alle große Fans von «The West Wing», woran wir die Schnelligkeit unserer Dialoge zu messen versuchten. Und wir haben auch an Formate gedacht wie «Veep» oder «The Thick Of It», die alle einen sehr modernen Blick auf die Politik werfen – und letztendlich auch «House of Cards», was ja eine sehr naturralistische Erzählung dessen ist, was auf dem politischen Parkett geschieht. Die Serie verdeutlicht, welcher Druck auf Politiker herrscht, und das ist ein Element, das wir widerspiegeln wollten: Dieser Gedanke, dass stets ein großer Leistungsdruck auf den Figuren lastet.

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