Sonntagsfragen

Lester Mordue: 'Intelligentes Entertainment ist in Europa verbreiteter'

von

Wir sprachen mit dem Leiter der PromaxBDA Europe Conference für Design, Marketing und Promotion über herausragende Medienprodukte, die Herausforderungen der Branche und die Unterschiede zwischen den USA und Europa.

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Die PromaxBDA-Awards sind der einzige Wettbewerb, der Leistungen in Marketing und Design auszeichnet. Denken Sie, große internationale Preisverleihungen, zum Beispiel die ‚Golden Globes‘, sollten in derartigen Kategorien auch Preise vergeben und werden Sie es vielleicht irgendwann in der Zukunft?
Das frage ich mich auch, eine gute Frage. Es ist unbestritten, dass Leute die Kinos oft aufgrund der Kraft eines einzelnen Bildes, eines einzigen Charakters oder anderen Details aufsuchen. Ich habe bereits wirklich herausragende Filmkampagnen gesehen für Produktionen aller Art und ich denke, sie verdienen Anerkennung.

Ein wichtiger Teil der Promax-Konferenz sind auch Reden und Panel-Diskussionen. Warum denken Sie, ist es vor allem in dieser Branche wichtig, dass Player Informationen und Gedanken austauschen?
Vor allem wegen der Fragmentierung. Wir leben in einer Zeit, in der es nie angenehmer war, ein Konsument zu sein. Du kannst das bekommen, was du willst, wann du es willst. Das ist genial. Du kannst Satellitenfernsehen und Kabelfernsehen beziehen, dich nur auf frei empfangbare Inhalte oder Internet-Fernsehen beschränken und ganz viele andere Dinge. Man hat eine riesige Auswahl an Möglichkeiten. Werbetreibende, Rundfunkbetreiber und Content Creator fühlen das Bedürfnis, angesichts dieser Möglichkeiten immer einen Schritt voraus zu sein und die Zukunft vorherzusagen.

Um in dieser Branche am Leben zu bleiben, musst du mit Informationen ausgerüstet sein, die dich über die Entwicklungen der nächsten Jahre auf dem neuesten Stand halten. Viele Personen werden auf die Nase fallen, wenn sie sich nicht an den richtigen Gesprächen diesbezüglich beteiligen, sie werden sich mit irrelevanten Dingen auseinandersetzen oder schlecht vorbereitet sein für neue Technologien, Strategien und modernes Marketing. Das Marketing diversifiziert sich: Die alten Tage, als man einfach einen 30-Sekunden-Spot im Fernsehen oder eine Anzeige in einer Zeitung schaltete, existieren immer noch, aber das ist nicht mehr das einzige, was man machen kann. Man muss einen Dialog mit seinem Publikum führen, relevanter für sie sein und ihnen mehr geben, als sie früher bekamen, denn jeder gibt und gibt und gibt die ganze Zeit. Zudem sollte man sich genau darüber Gedanken machen, was man bewirbt. Peter Rupert, mit dem ich bei MTV zusammenarbeitete, wird eine Rede über ‚Growth Hacking‘ halten, in der er von der Teilhabe der Konsumenten im Internet und in den sozialen Medien erzählt und wie man Hits außerhalb des Fernsehens schafft. Das sind Themen, über die sich Rundfunkbetreiber derzeit informieren wollen, um ihr Publikum besser zu erreichen. Wir dürfen auch die Netflix- und Amazon-Plattformen, TV-Previews oder Pay-TV nicht vergessen. In fünf Jahren wird sich alles nur noch um Planen und Auswerten drehen - und darum, dass man sein Budget zur rechten Zeit in die richtigen Dinge investiert.

Sie haben bereits erwähnt, dass sich die Medienwelt in einem ständigen Wandel befindet. Was waren denn die wichtigsten Veränderungen in den vergangenen zehn Jahren, an die sich die Branche anpassen musste?
Lassen Sie uns mal zurückblicken. Wenn Wir drehen die Zeit um zehn Jahre zurück, auf 2005. Ich denke zu dieser Zeit haben die Einnahmen des Satellitenfernsehens ihren Höhepunkt erreicht. Auch immer mehr Kabelbetreiber klopften bei einem an die Tür und boten dir Multi-Channel-TV an. Das war’s aber auch schon, denn das Internet war im Vergleich zu heute immer noch relativ klein, genauso wie Fernsehen über das Internet. Personen, die Apple TV besaßen, hielten sich zu dieser Zeit für absolute Vorreiter. In England sagen wir: ‚From small acorns does a mighty oak tree grow‘. Wir beide haben miterlebt, dass alle diese Internet-Plattformen, die wir nicht kommen sehen haben, zum Beispiel Netflix, unheimlich stark gewachsen sind.

YouTube war damals so ziemlich der einzige Player in diesem Bereich und ist heute immer noch einer der dominanten Player. Aber schauen Sie mal, wie viele Rundfunkbetreiber seitdem ihre eigenen Channel auf YouTube gelauncht haben. Sie sind sehr viel klüger geworden, denn sie haben bemerkt: Wenn sie nicht auf YouTube sind und dort ihre Produkte bewerben, werden ihre Marktanteile und ihre Relevanz bei der Generation Z abnehmen, den ‚Digital Natives‘. Wenn du in deinen 30ern oder 40ern bist, dann siehst du ganz deutlich den Unterschied zu früher. Falls du aber in den vergangenen zehn Jahren aufgewachsen bist, dann bemerkst du es nicht einmal, denn du bist schon die ganze Zeit online und kriegst, was du willst und wann du es willst.

Gibt es Ihrer Meinung nach signifikante Unterschiede zwischen der Industrie in Nordamerika und der in Europa. Falls ja, können Sie diese benennen?
Die Amerikaner sind sehr daran gewöhnt, dass ihnen Dinge verkauft werden. Sie sind Experten im Verkauf. Alles ist eine Show in den USA, sogar die News (lacht). Wir beide wissen, dass wir Europäer auf die Amerikaner schauen und sehen, dass sie fantastische Schausteller sind und exzellent im Marketing. Sie verkaufen dir mühelos ein Auto, einen Fernseher oder einen Anzug – darin sind sie sehr gut. Die Spots in den USA geben den Zuschauern ein sehr gutes Verständnis davon, was sie erhalten werden, wenn sie das dargestellte Produkt kaufen. Sie zielen direkt aufs Herz des Zuschauers.

Europäische Werbung wird oft weniger direkt gestaltet, die Spots sind oft gerissener. Sie haben auch sehr viel mehr Auswahl - allein durch den Fakt, dass Europa so viele verschiedene Sprachen, Kulturen und Charakteristika besitzt, haben wir bereits einen Vorteil. Wir beziehen mehr Facetten in unsere Werbung ein und gehen etwas tiefer, anstatt nur die harten, funktionalen Fakten rund um das Produkt zu präsentieren. Wir sind oft ein wenig cleverer, ich denke das sieht man anhand vieler Spots der Promax-Arbeiten. Intelligentes Entertainment ist in Europa verbreiteter. Sehr viel öfter verwenden wir in Europa Darstellungen, die zum Nachdenken anregen, auch noch lange nachdem man den Spot gesehen hat.

Wenn ich meine amerikanischen Gegenstücke beobachte, dann sehe ich, dass sie sehr lustig, aggressiv, straight, direkt und oft auch auffallend und grell arbeiten. Viele Leute stören sich an dieser ständig gut gelaunten Art. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass sich die Kultur in den USA wandelt. Ich sehe immer weniger von der gerade beschriebenen Vorgehensweise, mehr Selbstironie und einen Sinn für Humor, der dem europäischen Humor näherkommt. Immer mehr Europäer schauen daher amerikanische Fernsehserien, auch Late-Night-Shows, und finden Gefallen an deren Humor. Auf der anderen Seite halten immer mehr britische und europäische Formate Einzug in den USA. Ich denke, es läuft immer mehr auf eine Welt heraus, in der wir zusammen Spaß an unseren Unterschieden haben, anstatt getrennt voneinander.

Sie waren Creative Director bei Discovery und Disney und als Leiter der Promax-Konferenz in Europa haben Sie sicherlich schon viele Ratschläge von Leuten aus der Branche gehört. Was sind die wichtigsten Tipps, die sie anderen Playern in der Industrie geben können in Bezug auf Design, Promotion und Marketing?
Die Promax-Organisation hat schon immer für Spitzenleistungen in Promotion und Marketing von Inhalten gestanden. Ich bin von Anfang an Mitglied und die zwei Tage auf der Konferenz haben mich für das kommende Jahr immer besser, smarter und schneller gemacht und mich inspiriert. Dadurch fiel es mir leichter, mich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Es gibt keine andere Organisation, die mehr Einfluss auf meine Karriere hatte, deshalb arbeite ich heute auch für sie. Sie denken wahrscheinlich, ich erzähle Ihnen Quatsch, aber das ist mein Ernst. Die kreativen und strategischen Köpfe, die die Konferenz besuchen, sind einmalig. Wir arbeiten in einer Umgebung, die womöglich die anspruchsvollste, härteste, kreativste und unterhaltsamste Arbeitsumgebung darstellt. Jeder liebt es, im Fernsehen zu arbeiten, jeder liebt Filme, jeder liebt schöne Geschichten und jeder will wissen, was in dieser Branche vor sich geht und daran teilhaben.

Bei Promax geben wir Tipps, wie man es besser machen kann, wie man sein Geld klüger einsetzen kann. Wir sind alle miteinander verbunden, ob wir es wollen oder nicht. Es gibt oft einen Zeitgeist, Nachrichten oder Kunstformen, die es scheinbar schaffen, Menschen zu verbinden. Content Promotion und Marketing befindet sich an der Schnittstelle zwischen Kreativität und harten Zahlen. Wir haben einen Business Drive, der uns die finanziellen Ansprüche diktiert, zur gleichen Zeit muss die kreative Seite in Einklang mit diesen Vorgaben gebracht werden. Die kreative und die geschäftliche Seite eines Unternehmens müssen in den Dialog treten und sich die Fragen stellen: Wie können wir dieses Produkt verkaufen? Wie können wir den Menschen vermitteln, was wir da verkaufen? Wie wird es so verstanden und angenommen, dass Leute nicht nur das Gefühl haben, es wird ihnen etwas verkauft, sondern dass die Leute es von sich aus wollen. Letzteres verwirklicht die kreative Seite. Wir alle sehen gern schöne Dinge und hören gerne gute Geschichten, egal ob sie überraschend, schockierend oder sexy sind. Wenn sie alles davon vereinen, dann umso besser (lacht).

Alle Personen, die im Marketing arbeiten, sollten sich an eines erinnern: Ein Produkt mit einer Persönlichkeit ist eine Marke. Wenn du eine Marke hast, dann schaffst du es am Leben zu bleiben in diesem Spiel. Es ist daher ungemein wichtig, dass die Leute zusammenkommen, um ihr Produkt besser zu verstehen, damit sie die Persönlichkeit ihres Produkts zum Verkauf einsetzen können.

Danke für das Interview.

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