Die Kritiker

«Tatort: Das verkaufte Lächeln»

von

Der neue Krimi aus München versucht sich in Gesellschaftskritik – und das durchaus mit Erfolg, wenn auch mit kleinen Schwächen im Anspruch.

Cast & Crew

  • Drehbuchautor: Holger Joos
  • Regisseur: Andreas Senn
  • Darsteller: Udo Wachtveitl (als Franz Leitmayr), Miroslav Nemec (als Ivo Batic), Ferdinand Hofer (als Kalli Hammermann), Robert Joseph Bartl (als Matthias Steinbrecher), Lisa Wagner (als Christine Lerch), Nino Böhlau (als Florian Hof), Anna-Lena Klenke (als Hanna Leibold), Justus Schlingensiepen (als Tim Kiener) u. a.
  • Kamermann: Holly Fink
  • Szenenbildnerin: Petra Heim
  • Cutterin: Vera van Appeldorn
  • Komponist: Johannes Koblike
Als in der bayerischen Landeshauptstadt ein toter Teenager mit einem Loch in der Brust gefunden wird, beginnt für das Ermittlerduo Leitmayr und Batic eine Suche im Heuhaufen – und auf Festplatten, die den Kommissaren vom unerwarteten Hintergrund des jungen Mannes und seiner Freunde erzählen. Die Schüler verdienen sich nicht etwa mit Rasenmähen oder Babysitten etwas zum Taschengeld hinzu, sondern setzen stattdessen auf die Zahlungsbereitschaft von Pädophilen, denen sie sich vor laufender Kamera zur Schau stellen. Während den Heranwachsenden an ihrem Verhalten wenig dubios vorkommt, sind Leitmayr und Batic umso schockierter von der Welt, die sich ihnen eröffnet – und mit der damit verbundenen Technik deutlich überfordert.

Mit «Das verkaufte Lächeln» wagt sich der «Tatort» damit zum wiederholten Male an ein gesellschaftliches Thema heran, das einerseits als solide Basis eines spannenden Krimis dienen kann – und andererseits die Gefahr birgt, einen Film zu biederer Unterhaltung verkommen zu lassen. Der von Andreas Senn inszenierten Erzählung, die aus der Feder von Holger Joos stammt, gelingt es, sich in erstere Kategorie einzuordnen und allzu unangenehme Belehrungsversuche zu umschiffen – obgleich das ein oder andere seichte Gewässer den Weg der Geschichte kreuzt. Die Darstellung des Themas, der elterlichen Unbedarftheit der kindlichen Aktivitäten im gefährlichen Internet, gelingt dabei sehr gut, lässt dabei aber kaum Raum für interessante Figuren.

So meistert «Das verkaufte Lächeln», dass sich sowohl technikaffine Zuschauer gut unterhalten fühlen, als auch die endlose Unwissenheit derer berücksichtigt wird, denen das Internet ähnlich vertraut ist, wie es den alten Griechen Amerika war. Die Erklärungsversuche von Assistent Kalli Hammermann wirken dabei nicht, wie das so oft der Fall ist, wie schmuckloses Brückenschlagen zwischen zwei Szenen – die Kompetenz der Figur wirkt glaubwürdig und die Darstellung der Technik zeitgemäß, was bereits manch einem mitunter viele Jahre in Entwicklung befindlichen Fernsehfilm zum Verhängnis wurde. Die überforderten Kommissare Leitmayr und Batic bieten der Erzählung dabei den Raum für die seltenen, aber gelungenen humoristischen Momente des «Tatorts».

Das zentrale Thema des Films, die Gefahr von Kindesmissbrauch über das Internet, unabhängig von Elternhaus oder sozialer Schicht, wird gleichfalls gut herausgearbeitet – stellenweise sogar zu perfekt. Im Versuch, die gesellschaftliche Dimension des Inhalts in ihrer gesamten Breite darzustellen, schafft der Film es nicht, sich auf einige wenige, glaubwürdige Charaktere zu konzentrieren, sondern arbeitet mit vielen Rollen, die jede für sich etwas grob geschnitzt wirkt. Positiv ist dabei hervorzuheben, dass insbesondere die jungen Schauspieler eine gute Leistung zeigen und den Figuren über ihr individuelles Spiel eine zusätzliche Tiefe verleihen. Auch dass es sich der Film nicht leicht macht und die Suche nach dem Täter durch soziale Milieus führt, die gemeinhin als Mitte der Gesellschaft gedeutet werden und damit dem durchschnittlichen Zuschauer sehr nahe kommen, ist hervorzuheben, wird so doch deutlich, dass der Film die Gesellschaftskritik nicht nur als willkommene Gelegenheit versteht, eine Geschichte zu erzählen, sondern in seiner Botschaft ernstgenommen werden will. Das ist es, was dem «Tatort: Das verkaufte Lächeln» eine besondere Qualität gibt.

Zu dieser tragen auch die handwerklich guten Leistungen des Films bei, insbesondere die Kameraführung, die nur dezent genutzt wird, so beispielsweise in den finalen Minuten des Werks. Auch wird deutlich, dass die Macher bedacht waren, nicht zu viel Haut zu zeigen, ohne Zweifel daran zu lassen, welches Klientel die Kinder bedienen – auch das gelingt dem Streifen sehr gut. Unterm Strich ist der Krimi lehrreiche, aber nicht belehrende Fernsehunterhaltung, die etwas mehr aus ihren Möglichkeiten hätte machen können – aber in jedem Falle als sehenswert gelten darf.

Das Erste zeigt den «Tatort: Das verkaufte Lächeln» am Sonntag, den 28. Dezember, ab 20.15 Uhr.

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