Die Kritiker

Am Marterpfahl des Melodrams?

von

«Winnetous Weiber» schafft, was selten gelingt: Ein Melodram über die Selbstfindung einer Frauengruppe, das nicht in Kitsch und Klischees endet.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Maren Kroymann als Elisabeth zu Hallbach-Süren
Nina Kronjäger als Maren Bogner
Floriane Daniel als Gabriele Hochmann
Josephin Busch als Nora Bogner
Teresa Weißbach als Simone Lehmann
Marko Petric als Alejandro
Andrea Zuljan als Sekretärin

Hinter der Kamera:
Produktion: UFA Fiction
Drehbuch: Timo Berndt
Regie: Dirk Regel
Kamera: Peter Ziesche
Produzentin: Michaela Nix
Familien-Urlaube können nervenzehrend sein. Das schließt Mutter-Tochter-beste-Freundin-Urlaube ausdrücklich mit ein. Auch wenn vor der Abreise noch alles nach eitel Sonnenschein aussieht.

Die Mutter in «Winnetous Weiber» heißt Maren und ist ein beinharter Fan der Karl-May-Romane und ihrer Verfilmungen mit Pierre Brice. Ihre Tochter Nora ist mittlerweile erwachsen und teilt Marens Leidenschaft für den verkitschten Wilden Westen nur noch bedingt. Trotzdem willigt sie in einen gemeinsamen Pferde-Trip durch Kroatien zu den alten Drehorten ein. Sie will die Reise zum Anlass nutzen, ihrer Mutter zu sagen, dass sie aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen will und einen engeren Kontakt zu ihrem Vater sucht, den Maren seit Noras Geburt nicht mehr leiden kann. Das klingt nicht gerade nach den besten Voraussetzungen für Erholung. Doch genau das hat Gabi im Sinn, der Mutter beste Freundin. Der Konflikt scheint vorprogrammiert: Denn während Maren und Nora finanziell oft nur mit Mühe über die Runden kommen, spielt Geld für Gabi keine Rolle. Dafür ist sie in ihrem stressigen Job nun nach einem Kollaps schon jenseits der Burn-Out-Linie angekommen. Die Frage, die «Winnetous Weiber» hier ein bisschen pathetisch und plakativ stellen will, ist an sich einfach: Gibt es, wie Jean Paul Getty sagte, uneigennützige Freundschaften wirklich nur zwischen Menschen gleicher Einkommensklasse?

Ein Gedanke, den auch Elisabeth zu Hallbach-Süren ausspricht: Sie absolviert den Winnetou-Treck mit einer Angestellten ihres Gestüts, die sie dafür zwangsrekrutiert hat. Mit Karl Mays Büchern hat sie nichts am Hut, der weltfremden Romantik, den unrealistischen Geschichten, den schlecht recherchierten Hintergründen. Sie hat ein anderes Motiv, um auf einem Pferd ein paar Tage durch Kroatien zu tuckern. Ein Motiv, mit dem sie erst nach und nach herausrückt: Ihr kürzlich verstorbener Mann hatte die Geschichten um Winnetou und Old Shatterhand geliebt. Ihr Schatz im Silbersee ist ein anderer, als der von Nora, Maren und Gabi. Ein traurigerer, melancholischerer, sentimentalerer. Und das bei der (nach außen hin) kältesten Figur des ganzen Ensembles.

Das gibt bereits einen ersten Vorgeschmack darauf, was «Winnetous Weiber» wider alle Erwartungen so gelungen macht: die Zwischentöne und Ambivalenzen. Wie oft sind solche Stoffe schon erzählt worden wie in Karl Mays kitschigsten Büchern, wie oft wurden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Filme über Frauen auf Selbstfindung zur bloßen Aufsummierung von Kitsch und Klamauk.

Dieser Film ist anders. Nicht weil er radikal frei von Kitsch und Klamauk wäre. Denn ein paar halbgare Albernheiten hat man, neben nicht wenigen gelungenen Witzen und humorigen Abschweifungen, durchaus eingebunden. Aber «Winnetous Weiber» erzählt – trotz seines furchtbaren Titels, der ihn gleich in die Nähe der schomzettenhaftesten Abgründe des Herzkinos rückt – eine wirkliche Geschichte. Eine Geschichte mit Figuren, die mehr zu sagen haben, als halbgare Plattitüden und zu Lebensweisheiten hochgepushte Stammtischparolen. Eine Geschichte, die nicht nur Herz, sondern auch Verstand hat, in der charakterliche Vielschichtigkeit nicht als Ausschlusskriterium für den alles überschattenden Identifikationsanspruch gesehen wird. Eine Geschichte, die weder pathosgeschwängert noch klamottig erzählt wird, sondern zugleich keck und einfühlsam, zugleich nett und clever, manchmal leichtfüßig und manchmal nahegehend. Das sind keine Widersprüche, sondern Ergänzungen.

Es hilft, wenn man Schauspieler hat, die diesen Dualismus mitmachen können. Josephin Busch zum Beispiel, der ein platter Coming-of-Age-Duktus fremd ist und die die an sich vielleicht banal wirkenden Konflikte ihrer Figur relevant werden lässt. Oder Maren Kroymann als frisch verwitwete Rationalistin, durch die auch die pathetischeren Stellen Glaubwürdigkeit und Nahbarkeit gewinnen.

«Winnetous Weiber» gelingt, was viele Melodrams anstreben, aber nur selten erreichen: die kurzweilige Entführung in eine andere Welt, in der ernsthafte Begegnungen mit zentralen menschlichen Themen wie Verlust und Sehnsucht auf einfachem, aber zugleich intelligentem und ansprechendem Niveau möglich sind. Dafür reitet man auch mal bis nach Kroatien, wenn’s sein muss.

Das Erste zeigt «Winnetous Weiber» am Samstag, den 20. Dezember um 20.15 Uhr.

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