Die Kritiker

Reif für die Schlachtbank...

von

Ein «Tatort» im Fleischereimilieu, der so suggestiv erzählt, dass er selber reif für die Schlachtbank ist. Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

  • Vor der Kamera:
  • Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm
  • Bibiana Beglau als Kommissarin Bär
  • Heino Ferch als Jan-Peter Landmann
  • Sebastian Weber als Martin Landmann
  • Tatja Seibt als Rita Landmann
  • Ricarda Zimmerer als Stella Landmann
  • Marko Dyrlich als Clemens Müller
  • Hinter der Kamera:
  • Produktion: Nordfilm GmbH
  • Drehbuch und Regie: Alexander Adolph
  • Kamera: Jutta Pohlmann
  • Produzenten: Susanne Wagner und Andreas Knoblauch
Knapp zwei Jahre ist es nun her, dass Maria Furtwängler zum letzten Mal als Charlotte Lindholm ermittelt hat. Die damalige «Tatort»-Doppelfolge „Wegwerfmädchen/Das goldene Band“ hatte bezeichnende Debatten ausgelöst. Bezeichnend, weil dämlich. Denn wenn man ernsthaft eine leidige Diskussion führen muss, ob das so geht, am ehrwürdigen Sonntagabend in der ARD einen Fortsetzungsstoff zu erzählen, ohne den ersten Teil mit einem umfassenden Erklärungsmodell aufzulösen, sagt das viel Trauriges über Sehgewohnheiten und festgefahrene, unsinnige Konventionen aus.

Vielleicht hat diese Entmutigung, erzählerisch auch nur minimal mit dem Gewohnten zu brechen, ja Früchte getragen. Lindholms aktueller Fall ist einfacher gestrickt, fast schon populistisch: Er spielt im Umfeld einer Großschlachterei, deren Geschäftsführer Jan-Peter Landmann – so sieht es zumindest auf den ersten Blick aus – nur um ein Haar einem Mordanschlag entkommen ist. Dran glauben musste aber sein Chauffeur Carlito. Dass es jemand auf ihn abgesehen hat, findet der reiche Landmann nicht weiter verwunderlich. Allein im letzten Jahr hat er mehrere Dutzend Morddrohungen bekommen, hauptsächlich von radikalen Ökos, die ihn gerne so abschlachten würden, wie er seine Säue.

„Der sanfte Tod“ wird da häufig sehr suggestiv: „Alle mögen Fleisch, keiner mag den Schlachter“, darf Landmann dem «Tatort-»Millionenpublikum den (Zerr-)Spiegel vorhalten. Große, erfolgreiche Unternehmen sind den öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmmachern, die hauptsächlich für den kleinen Mann am Stammtisch zu schreiben meinen, ja sowieso suspekt, und Fleischereibetriebe eben besonders: Mehr als drei Viertel der Belegschaft von Landmanns Konzern sind osteuropäische Leiharbeiter, die in erbärmlichen Verhältnissen hausen müssen und nach Strich und Faden ausgebeutet werden. Der Sicherheitsdienst, der Firmen- und Privatgelände abschirmt, ist aus allerhand dubiosen, mitunter vorbestraften Handlangern zusammengekungelt. Und dann muss natürlich noch die überbordende Marktmacht herhalten, um diesen Gutland-Wiesenhof-Verschnitt endgültig als die Ausgeburt des Satanskapitalismus darstellen zu können: Ein abgewirtschafteter Bauer dreht durch, weil er am Markt nicht mehr bestehen kann; Landmann hatte ihn aus dem Geschäft gedrängt. Lindholms wenig selbstsichere Kollegin Kommissarin Bär starrt auf Felder und sagt bedeutungsschwanger: „Alles genmanipuliert. Keiner weiß, was das ist.“ Fehlt nur noch das Chlorhühnchen.

Irrationale Vorurteile und tatsächliche Fehlentwicklungen des Fleischereimarktes werden in „Der sanfte Tod“ so oft im selben Atemzug erwähnt, dass am Schluss jeder Ansatz von vielleicht sogar valider Kritik an den realen Zuständen verworfen werden muss. Diese einseitige, wenig argumentativ und dafür umso mehr emotional unterfütterte Positionsbeziehung ist das größte Manko dieses «Tatorts». Zu didaktisch wird all der Öko-Slang abgeladen, zu stereotyp böse wirken all die Zuspitzungen, um dem suggestiv erzählten Krimi noch etwas Relevantes entnehmen zu können. Das ist verschenktes Potential: Denn hätte „Der sanfte Tod“ auf all die abwegigen Plotverläufe und die karikaturhaften Überspitzungen verzichtet, hätte der Stoff durchaus relevant sein können. So ist er in seinen schlechtesten Momenten reif für die sogenannten Mahnwachen für den Frieden.

Auch dramaturgisch wäre diese Dauerbeschallung mit all den prätentiösen Untertönen gar nicht nötig gewesen. Deutlich spannender wäre „Der sanfte Tod“ geworden, wäre er als knallharter Psycho-Thriller erzählt worden. Maria Furtwängler und Antagonistendarsteller Heino Ferch hätten zweifellos das Zeug dazu – und auch narrativ wäre das zu stemmen gewesen. Schließlich sind weite Teile des Konflikts als Katz- und Maus-Spiel zwischen Lindholm und Landmann angelegt. Wirklich vielschichtig wird das leider nie: Resolute, ernährungsbewusste Polizistin gegen skrupellosen, großkapitalistischen Fleischfabrikanten. Die Dramaturgie macht es sich so einfach wie möglich. Und ist damit reif für die Schlachtbank.

Das Erste zeigt «Tatort – Der sanfte Tod» am Sonntag, den 7. Dezember um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/74904
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