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Nur zum Klicken, nicht zum Zappen

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Lange geplant, oft gescheitert: Der Jugendkanal von ARD und ZDF wird Realität. Jedoch allein als Webangebot.

Korrekte Entscheidung

Brauchen Jugendliche in einigen Jahren, etwa 2020, noch einen eigenen Fernsehkanal? Hat sich die Mediennutzung der jungen Generation bis dahin nicht gänzlich in Richtung Internet oder Video-On-Demand bewegt? Das sind Fragen, die die Ministerpräsidenten bei ihrem Beschluss zum Jugendangebot von ARD und ZDF berücksichtigen mussten. Dass sie entgegen der Wünsche der Anstalten (oder jetzt doch zur Freude des ZDF, wie einer Mitteilung am Freitagnachmittag zu entnehmen ist) nun auf einen TV-Kanal verzichten und die Programme komplett ins Web verlegen, ist jedenfalls nur konsequent. Auch, weil - so war zumindest schon vor Monaten zu hören - das erarbeitete Konzept von ARD/ZDF für ein trimediales Angebot nicht vollends zu überzeugen wusste. Und es gab klare Forderungen der Sender: Für das Jugendangebot sollte viel Geld bereit gestellt werden. Mit Programmen wie ZDFneo oder auch eins festival verfügen sowohl ARD als auch ZDF jetzt schon über junge Kanäle, die sich ab sofort wieder besser pflegen lassen. Die jüngsten Quotenerfolge von neo sind schön und gut, kamen aber hauptsächlich dank zahlreicher Krimiwiederholungen zu Stande. Sieh's mal neo ist etwas anderes.
Kurz-Kommentar von Manuel Weis
Zu teuer und konzeptuell unausgereift: Der Plan eines gemeinsamen Jugendkanals von ARD und ZDF musste sich seitens der Politik in der Vergangenheit allerhand Kritik gefallen lassen. Insbesondere aus Sachsen gab es durchweg Gegenwind für das Vorhaben. Und auch innerhalb der öffentlich-rechtlichen Anstalten hatte das Großprojekt nicht nur Freunde. Nun wird das jugendorientierte Angebot von ARD und ZDF schlussendlich aber Realität. Wohlgemerkt lediglich als Online-Version, wie die Ministerpräsidenten am Freitagmittag beschlossen haben. Eigentlich sahen die treibenden Kräfte hinter dem Jugendkanal, allen voran der SWR-Personalrat, ein trimediales Angebot vor, das die Zielgruppe im Fernsehen, via Radio und übers Internet abfängt.

Für diese Form des Jugendkanals war ein Budget von jährlich 45 Millionen Euro vorgesehen, wovon 15 Millionen Euro durch das ZDF beigesteuert werden sollten und 30 Millionen durch die ARD. Auf der von Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandburg sowie Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, geleiteten Pressekonferenz wurde der Beschluss verkündet. Wie Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, erklärte, wird die Eingrenzung des Jugendkanals auf den Online-Bereich keinen Einfluss auf diesen Plan haben. Am lang gehegten Vorhaben, dass zur Finanzierung des Jugendkanals bei den Digitalsendern EinsPlus und zdf.kultur der Stecker gezogen wird, soll ebenfalls festgehalten werden. Ein Start wird derzeit für 2016 anvisiert.

Darüber hinaus sei laut Dreyer bis ins Jahr 2020 hinein abgesichert, dass auf die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik durch den Jugendkanal keine zusätzlichen Kosten zukommen. Zudem versprach sie, dass der Online-Jugendkanal nicht nur durch seine Webbasis auf die Sehgewohnheiten der Zielgruppe zugeschnitten wird. Man wolle auch die üblichen Stolpersteine umgehen, wie etwa die Sieben-Tage-Regelung, aufgrund der viele Mediathekeninhalte nach einer Woche verschwinden, und den Drei-Stufen-Test. Auch diese Aspekte bewegten die Verantwortlichen letztlich dazu, den Jugendkanal als Onlineangebot zu starten, da dies bei einem TV-Angebot schwerer umzusetzen gewesen wäre.

ZDF-Intendant Thomas Bellut, der sich mehrfach kritisch über den Jugendkanal äußerte, stimmt nun wärmere Töne an. In einem Pressestatement begrüßt er die Entscheidung der Länder für ein gemeinsames öffentlich-rechtliches Jugendangebot: „Die Entscheidung der Ministerpräsidenten ist für uns ein Ansporn, noch mehr Angebote für junge Zuschauer zu machen. Das Internetportal ist eine perfekte Ergänzung zu ZDFneo und ZDFinfo, die bereits mit Erfolg ein jüngeres Publikum erreichen." Etwas Kritik konnte er sich aber nicht verkneifen: "Dafür brauchen wir dann aber auch mehr Bewegungsspielraum im Netz als bisher."

Wie SWR-Intendant Peter Boudgoust kürzlich erklärte, sieht er in dem Unterfangen einen wichtigen Schritt für eine akzeptable medienkulturelle Entwicklung der Jugend: „Sollen junge Menschen nur die Wahl haben zwischen Brutalo-Videos und Katzenfilmchen auf Youtube und Billig-Trash bei privaten Fernsehsendern? Soll so die mediale Sozialisation zukünftiger Generationen aussehen?“ Er schlussfolgerte: „Sicher nicht, das kann die Politik nicht wollen“, und warb somit für das grüne Licht in Sachen Jugendkanal.

Ob Boudgoust ein repräsentatives Bild der deutschen Jugend hat, muss sich derweil noch zeigen. Im März beurteilte Zielgruppenforscher Dr. Thomas Wind das damalige, 25-seitige Senderkonzept als das Produkt dilettantischer Auseinandersetzungen mit Heranwachsenden und als Ansammlung von Jugendklischees (wir berichteten).

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Säqirjënn
17.10.2014 16:21 Uhr 1
Warum sollen jüngere Zuschauer nicht mehr linear fernsehen wollen dürfen? Ich halte die Entscheidung für falsch; es hätte unbedingt einen Fernsehsender dazu gebraucht, damit das Ganze nicht im Netz versinkt. Wieder mal wurde eine Chance vertan. Nunja, das Webangebot ist zumindest besser als gar nichts. Vielleicht schafft man es ja, die attraktivsten Sendungen des Webangebots über EinsFestival auszustrahlen.
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