First Look

Get Well Soon

von

Aus Sicht der Quoten steht die Krankenhaus-Serie «Red Band Society» kurz vor dem Exitus. Inhaltlich hält sie Julian Miller jedoch für ein erstes Highlight der neuen US-Season.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: ABC Studios, Amblin Television, Filmfax International
  • basierend auf der katalanischen Serie «Polseres vermelles»
  • Schöpfer: Albert Espinosa
  • Entwicklerin: Margaret Nagle
  • Darsteller: Octavia Spencer, Dave Annable, Griffin Gluck, Nolan Sotillo, Charlie Rowe, Astro, Zoe Levin u.v.a.
  • Executive Producer: Darryl Frank, Justin Falvey, Sergio Aguero und Steven Spielberg
Leo ist wegen seiner Krebserkrankung schon länger stationär in der Pädiatrie. Ein Bein wurde ihm amputiert, die Chemotherapie ließ ihn seine Haare verlieren – und sein Onkologe ist so hervorragend, dass er sogar jenseits der mexikanischen Grenze von sich reden macht. Von dort kommt ein anderer Patient, der sich von der Koryphäe behandeln lassen will und Leos Zimmergenosse wird: Jordi Palacios heißt er und ist genau wie Leo vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Doch wo Leo vieles schon hinter sich hat, ist Jordi der Neuling in der Klinik – und Ausgangspunkt für jede Menge Exposition.

Ein weiterer Neuzugang ist Cheerleaderin Kara, die beim Training umgekippt ist. Auf Station tyrannisiert sie das Personal und die Familien anderer Patienten auf das Äußerste – bis bei ihr plötzlich eine schwerwiegende Diagnose im Raum steht. Keinen sonderlich guten Eindruck macht sie mit ihrer Bitchiness auch bei Emma, einer Tochter aus gutem Hause, deren Essstörung so gravierend geworden ist, dass sie seit längerem einer stationären Behandlung bedarf. Deren Verhältnis zu Leo ist ebenfalls angespannt. Außerhalb der Klinik hätten die beiden einander wohl nicht einmal mit dem Arsch angeschaut, doch das Krankenhaus bringt als der große Gleichmacher alle sozialen Mauern zum Einsturz: Bis vor kurzem hatten Emma und Leo etwas miteinander, aber das hat sich rasch abgekühlt. Aus dem Techtelmechtel wurde Angifterei: zwar nicht so sehr, dass es den anderen in den Nervenzusammenbruch treibt, aber so, dass es sitzt.

Kein leichter medizinischer Fall ist auch der afroamerikanische Teenager Dash, der an Mukoviszidose leidet und mit seinem Kumpel Leo in den Lagerräumen der Klinik gerne mal einen durchzieht. Die größeren Partys organisiert ihnen derweil ein stinkreicher Hypochonder.

Ach ja, die Off-Stimme kommt übrigens aus dem Koma eines neunjährigen Jungen. Deal with it, sagt sie auch gleich, nachdem das enthüllt wurde.

Ja, so einfach kann das manchmal sein. Beziehungsweise: So einfach kann es manchmal aussehen. Denn «Red Band Society» ist ein kleiner Geniestreich von FOX – trotz all der Klischees auf dem Papier. Schwer kranke Kids und Teens, das ist eigentlich billig, Sympathien und Mitleid sind einem da sicher. Der Pilot belässt es jedoch nicht nur beim Versuch, die klischeehafteren Charakterzüge stellenweise zu konterkarieren, sondern gerät auch nie in Gefahr, seine Figuren zu Karikaturen verkommen zu lassen. Nein, diese Protagonisten sind an ihrem Lebens- und Leidensweg gewachsen, sind nicht selten wise beyond their years.

Und trotzdem sind das keine gebrochenen Helden. Dafür sorgt der Pathos. Der darf nicht fehlen, wenn FOX eine Serie für seine «Glee»-affinen Zuschauer macht. Doch dieser Pathos ist kein Selbstzweck, kein billiges Stilmittel für billiges Mitleid und schnelle Sympathien, die den Figuren durch das hervorragende Drehbuch von Margaret Nagle ohnehin sicher sind. Dieser Pathos ist vielmehr Ausdruck der Lebensrealität der Charaktere in der «Red Band Society», eine Überlebenshilfe im Kampf gegen Krebs, Mukoviszidose, schwere Herzkrankheiten und zermürbende Essstörungen – und er ist im Stande, den Zuschauer mitzureißen und nicht nur bei der Stange zu halten, ihn zu bewegen, ohne ihm die Möglichkeit zur Reflexion zu nehmen.

Ebenso wichtig: Dieser Pathos schließt Komik nicht aus. Wenn man das überleben will, was diese Figuren da gerade durchmachen, geht es nicht ohne Humor. Der fällt hier so aus, wie es zur Grundstimmung passt. Nicht kindisch, aber auch nicht brachial. Bittersweet ist die «Red Band Society» sowieso die ganze Zeit. Und trifft damit genau den richtigen Ton.

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