Die Kritiker

Das Brot der frühen Jahre...

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Am Samstagabend zeigt das Erste «Quellen des Lebens», einen Kinofilm von Oskar Roehler aus dem Jahr 2013. Unsere Rezension.

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Jürgen Vogel als Erich Freytag
Meret Becker als Elisabeth Freytag
Moritz Bleibtreu als Klaus Freytag
Lavinia Wilson als Gisela Ellers
Kostja Ullmann als Klaus Freytag (jung)
Sonja Kirchberger als Marie Freytag
Erika Marozsan als Frau Werner

Hinter der Kamera:
Produktion: X Filme, Riva Filmproduktion, Süss Film, WDR, BR, NDR, Arte, ARD
Drehbuch und Regie: Oskar Roehler
Kamera: Carl-Friedrich Koschnick
Produzent: Stefan Arndt
Knapp drei Stunden Laufzeit sind auch für verdiente, erfahrene Autoren und Regisseure eine große Herausforderung. So lange einen durchgehenden Spannungsbogen und eine hohe erzählerische Dichte aufrechtzuerhalten, am besten ganz ohne punktuelle Durchhänger, ohne thematische Wiederholungen, ohne redundante Plot-Verästelungen – das ist kaum möglich.

Um es vorwegzunehmen: In «Quellen des Lebens» ist es nicht ganz geglückt. Zumindest nicht so gut, wie man es Oskar Roehler zugetraut hätte. Denn sein Versuch eines Familienepos, in dem sich die Geschichte der Bundesrepublik von der frühen Nachkriegszeit bis zu den punkigen 80er Jahren widerspiegeln soll, hat zu viel von dem, was hätte vermieden werden sollen: Längen, punktuelle Durchhänger, thematische Wiederholungen.

Alles beginnt mit Großvater Erich Freytags Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft. Seine Frau (von Meret Becker unangenehm überdreht gespielt) hat während seiner Abwesenheit ein Kind von einem anderen Mann bekommen und noch dazu eine Affäre mit Erichs Schwester angefangen. Nachdem Erich, begleitet von einem theatralischen Voice-Over seines Enkels, die Schuld abgewaschen hat, die er im Laufe des Zweiten Weltkriegs auf sich geladen haben muss, zerstört er den vaterlos eingegroovten Haushalt, verjagt die gehasste Schwester und eröffnet eine Gartenzwergefabrik. Sein Sohn Klaus hat derweil seit einiger Zeit eine Leidenschaft für Literatur entwickelt und selbst mit dem Schreiben begonnen. Vater Erich lässt ihn, solange er seinen Pflichten nachkommt.

Wenige Jahre später ist Klaus erwachsen und hat sich in Gisela, eine Tochter aus gutem Hause, verliebt. Auch sie schreibt und ist begeisterte Leserin von Sartre und zahlreichen amerikanischen Autoren. Die beiden überwinden den (teilweise gewalttätigen) Widerstand von Giselas gutbürgerlichen Eltern gegen die Liaison; von da an scheint die Beziehung der beiden zunächst unter einem guten Stern zu stehen. Doch Gisela wird schwanger – und als Klaus zum ersten Mal einen Text von ihr liest, muss er erkennen, dass sie eine wesentlich begabtere Schriftstellerin ist, als er es je sein wird. Liebe degeneriert zur Zweckgemeinschaft, Eifersucht zu Hass, Männlichkeit zu Tyrannei.

Schließlich verlässt Gisela den Haushalt, nachdem die häusliche Situation durch zahlreiche Übergriffe ihres Mannes und sein diktatorisches Gehabe unerträglich geworden ist. Auf den gemeinsamen Sohn Robert, die bis dahin einzig mitleidswürdigende, unschuldige Figur, wartet derweil seine ganz eigene Odyssee.

Immer wieder findet Oskar Roehler in dem üppigen Handlungsvorrat einzelne bewegende, hoch dramatische Momente. Wie wunderbar zartfühlend, elegant und witzig ist ihm das erste Aufeinandertreffen von Klaus und Gisela gelungen, wie feinfühlig seziert er die Degeneration ihres Zusammenlebens, wie beeindruckend Faulkner’esk gelingt ihm die Führung des alten Wehrmachtssoldaten Erich, der die bestehenden häuslichen Strukturen seiner Familie zerstört.

Auch die Symbole sitzen zunächst, dramaturgisch wie visuell. Mit Erich Freytag haben wir einen Mann, der sich dafür feiern lässt, dass er als Teil des Wirtschaftswunders das wieder aufgebaut hat, was er zuvor als Nazi mühsam abgebaut hatte. Und dann findet dieser Typ sein finanzielles Glück auch noch mit Gartenzwergen. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

Doch Roehler sucht immer wieder die Ausflüchte im Bizarren, im geradezu kafkaesk Grotesken, wenn er die Nachkriegsfamilie den Kriegsheimkehrer verlachen lässt oder den abgefuckten Schriftstellerhaushalt mit allen Klischees durchillustriert. Wo ihm anderswo die subtile Brechung in intelligenten Motiven gelingt, verheddert er sich hier in bloßen Variationen des Altbekannten. Das wird der Ambition, die hinter «Quellen des Lebens» steckt, leider nicht gerecht.

Dagegen überzeugt die Vielschichtigkeit der Figuren, die sich durch ihr ambivalentes und manchmal gar widersprüchliches Verhalten einer moralischen Klassifizierung entziehen. Ohne die stilistischen Inkonsequenzen wäre der Gesamteindruck des Kinofilms aus dem Jahr 2013 freilich ein noch besserer.

Das Erste zeigt «Quellen des Lebens» am Samstag, den 19. Juli um 20.15 Uhr.

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