360 Grad

Mehr Info, weniger tainment

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Das ZDF hat viel Vertrauen verspielt, das sich nicht allein durch personelle Konsequenzen zurückgewinnen lassen wird. Julian Miller fordert deshalb: Mehr Info, weniger tainment!

Es übersteigt alles Vorstellbare: Dass da Redaktionsmitglieder munter Abstimmungsergebnisse verfälschen, um das eigene Haus besser wegkommen zu lassen oder um sich den eingeladenen Gästen anzubiedern. Hätte das ZDF es nicht selbst eingeräumt, man würde es nicht glauben. Man würde denken, Holger Kreymeier hätte es sich in einem besonders wüsten Albtraum ausgedacht.

Aber es ist wirklich so: Das ZDF entschied sich im Konflikt zwischen Info und tainment eiskalt für Letzteres und machte bei «Deutschlands Beste» aus dem ohnehin geringen Info-Gehalt noch plumpen Gefälligkeitsjournalismus.

Es wäre falsch, das Desaster allein als das Ergebnis der irregeleiteten handelnden Personen zu verstehen. Für einen Skandal wie diesen braucht es nicht nur ein paar windige Redaktionsfuzzis, denen jegliche Verpflichtung zu journalistischen Prinzipien abgeht. Es braucht ein Umfeld, das eine solche Grundeinstellung, wenn vielleicht auch nicht in diesem extremen Maß, entweder gefördert oder zumindest stillschweigend goutiert hat. Mensch, ja, schon alles wichtig, aber können wir das nicht auch ein bisschen softer machen, mit ein bisschen mehr Human Interest? Und wenn wir schon dabei sind, vertauschen wir doch gleich die beiden Namen da, sonst kommt die vielleicht gar nicht in die Sendung. So genau kommt’s darauf nicht an. Ist doch Infotainment.

Vielleicht hilft ein Blick in den Südwesten der Bundesrepublik: Anlässlich des Grill-Party-Skandals beim SWR stieß der ver.di-Betriebsverband im Frühjahr eine Diskussion über fehlenden Respekt vor Qualität und den Verfall guter journalistischer Sitten im Südwestrundfunk an. Denn auch hier schien der eigentliche Eklat weniger die Folge grundfalscher Entscheidungen einiger Einzelpersonen, sondern vielmehr die tragische logische Konsequenz einer konsequenten Aufweichung journalistischer Werte zu sein.

Auf dem Lerchenberg ist die Situation ähnlich: Im Versuch, die Quoten so weit zu steigern wie möglich, um den leidigen Diskussionen über die Berechtigung der Rundfunkabgabe zu entgehen, scheint das ZDF sich immer mehr in Richtung Infotainment zu öffnen und sich gleichzeitig vom vermeintlich „harten“ journalistischen Stil immer weiter zu entfernen. Zu diesem Trend fallen einem zahlreiche Beispiele ein. Eines der prägnantesten war vielleicht Peter Freys Statement zum Nonsens-McDonald’s-versus-Burger-King-Duell, ein junges Publikum erreiche man nur mit einer derartigen dramaturgischen Aufmachung. Eine These, die auch Marcel Pohlig von DWDL.de damals als erschreckend einordnete. Vor allem vor dem Hintergrund der großartigen relevanten (!) Wallraff-Reportage bei RTL.

Jetzt die Köpfe rollen zu lassen, mag der schockierten Medienjournalistenmeute das Wasser abdrehen können, ist aber nicht nachhaltig gedacht. Um derartige Entgleisungen in Zukunft mit einer gewissen Sicherheit verhindern zu können, bedarf es einer Rückbesinnung auf klassische journalistische Werte. Nur so lässt sich das nun verspielte Vertrauen zurückgewinnen.

Im zusammengestauchten «heute-journal» während der Halbzeitpause darf nicht noch schnell die WM durchgenudelt werden, weil das Thema so sexy ist. Das ZDF muss mehr „Stiftung Warentest“ sein als Boulevard-Magazin, das zusieht, wie sich Football-Spieler Burger reinstopfen, während bei der privaten Konkurrenz schonungslos Missstände aufgedeckt werden. Infotainment muss als Symbiose zwischen Information und Entertainment verstanden werden und nicht als altbackene Unterhaltungssendung, in der man zwischendrin so tut, als informiere man noch ein bisschen, während man eigentlich desinformiert.

Angesichts des unglaublichen Ausverkaufs journalistischer Werte bei «Deutschlands Beste» darf man eines nicht vergessen: Schon die Grundidee eines Rankings der „Besten Deutschen“ war völlig gaga. Wenn der Fisch vom Kopf her stinkt, müsste man bereits hier ansetzen.

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