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Warum Zalando und Trivago die ProSieben-Werbung füllen

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Gymondo, Zalando, eDarling, Gregory Porter, Annett Louisan: Internet- und Künstlerwerbung ist mittlerweile fester Bestandteil bei ProSiebenSat.1. Über innovative Geschäftsmodelle, die die Sender unabhängiger vom klassischen Werbegeschäft machen…

Digitale Aktivitäten von ProSiebenSat.1

  • SevenVentures (Investment und Beteiligung)
  • ProSiebenSat.1 Accelerator (Gründer-Anschub)
  • Epic Companies (Inkubator)
  • Starwatch Entertainment (Musik)
  • Maxdome (Video on Demand)
  • ProSiebenSat.1 Digital GmbH (Online, Teletext)
  • ProSiebenSat1 Travel GmbH (Online-Reiseportale)
  • Studio 71 (Webvideo-Netzwerk)
Marken wie Zalando und Trivago sind jedem deutschen Fernsehnutzer mittlerweile ein Begriff – zumindest, wenn er ab und an die Sender Sat.1, ProSieben oder kabel eins einschaltet. Dort sind die Werbespots der bekannten Internetfirmen regelmäßig geschaltet, teilweise so penentrant, dass der Zuschauer irgendwann aufmerksam werden muss. Bei genauerem Hinsehen sind Werbeblöcke im Privatfernsehen zu bestimmten Zeiten fast ausschließlich von Internetfirmen – darunter auch Start-ups – voll: Nicht nur Zalando oder Trivago werben stark bei ProSiebenSat.1, sondern auch Firmen wie Preis24.de, eDarling, Gymondo, Stylight, LactoStop oder Department47.

Hinter all diesen Spots stecken keine klassischen Werbekunden, wie man es seit Jahrzehnten kennt: Unternehmen kaufen Werbezeiten für festgelegte Preise bei den Sendern und dürfen sich präsentieren. Nein, für die Spots lassen die oben angeführten Firmen kein Geld fließen, sondern Firmen- oder Umsatzanteile. Es sind innovative Investment-Modelle, die ProSiebenSat.1 seit einigen Jahren fährt und die den Markt immer weiter durchdringen: die sogenannten Media-for-Revenue-Share- oder Media-for-Equity-Programme.

Für diese Programme hat die ProSiebenSat.1-Gruppe bereits 2011 eine Tochterfirma namens SevenVentures gegründet, die gezielt nach lukrativen Investmens sucht und junge Firmen mit Werbezeiten unterstützt. Der Deal ist, dass diese Firmen andere Gegenleistungen erbringen als die klassischen Werbepartner: Entweder erhält ProSiebenSat.1 Anteile dieser Firmen im Sinne eines „Media for Revenue“, kann diese gegebenenfalls später lukrativ verkaufen oder die gesamte Firma übernehmen. Oder ProSiebenSat.1 wird am Umsatz der Firma beteiligt und erhält so indirekt Werbeeinnahmen, abhängig von der Umsatzsteigerung, die die Firma durch die Werbezeiten generieren konnte („Media for Revenue Share“). Auch gemischte Programme sind denkbar. In jedem Fall ist die Ausgestaltung von Werbedeals schwieriger als bei klassischen Spotverkäufen: Wie viel ist das Unternehmen wert, wie wird es potenziell wachsen? Wie kann gemessen werden, welchen Anteil die Werbespots an der Umsatzsteigerung haben? Wie viele Anteile erhält der Investor am Unternehmen, und welches Mitspracherecht hat er?

Solche Aushandlungsprozesse sind das Geschäft von SevenVentures, das sich selbst als „größtes TV-Netzwerk Deutschlands“ bezeichnet. Es konzentriert sich auf „Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell bereits unter Beweis gestellt haben und ein profitables Wachstum durch Media-Platzierung anstoßen wollen“. Absolute Zahlen verschwieg ProSiebenSat.1 zuletzt, im Jahr 2011 sind von 40 Millionen Euro die Rede, die SevenVentures umsetzte; im ersten Halbjahr 2012 sei diese Zahl um rund 60 Prozent gewachsen. Im Geschäftsbericht 2013 schreibt die Gruppe, dass die digitalen Geschäftsaktivitäten den höchsten Beitrag zum Umsatzanstieg geleistet haben. Stärkster Wachstumstreiber war hier SevenVentures.

Nach dem Erfolg dieser Sparte startete ProSiebenSat.1 Anfang 2013 weitere Investment-Strategien: Es gründete mit ProSiebenSat.1 Accelerator und Epic Companies zwei Unternehmen, die junge Firmen in ihrer Gründungsphase unterstützen sollen. Darunter fallen Anschubfinanzierungen, Mentorenprogramme, bereitgestellte Infrastruktur wie Büroräume oder auch Werbezeiten. Die Sendergruppe deckt damit auch den Bereich echter Gründerfirmen ab, während SevenVentures erst bei relativ etablierten Start-ups investiert. Der sogenannte Inkubator Epic Companies unterstützt beispielsweise das Designermode-Portal Department47 sowie den Online-Fitnesstrainer Gymondo; beide Firmen werden derzeit stark bei ProSiebenSat.1 beworben. Wie die langfristige Strategie von ProSiebenSat.1 bei einem Erfolg aussehen kann, zeigt das Beispiel Gymondo: Das Unternehmen wurde im vergangenen Jahr komplett aufgekauft, erhielt eine neue Führungsriege und einen Relaunch.

Nicht nur werden Zalando, Trivago oder Gymondo bei ProSiebenSat.1 beworben, sondern auch ungewöhnlich viele Musiker: derzeit beispielsweise Adoro, Gregory Porter und Annett Louisan. All diese Künstler haben Verträge bei einem der mittlerweile fünf Musiklabels, die die Sendergruppe besitzt. Führendes Label ist Starwatch Entertainment, dem beispielsweise Künstler wie Adya oder Chris de Burgh angehören. Dazu gibt es vier Kooperationslabels, je eines mit einem der führenden Majors Warner, Universal und Sony sowie eines mit dem Clubbing-Label Embassy of Music. Die Erfolgsrechnung ist hier ähnlich einfach wie bei den Internetbeteiligungen: Werbezeiten generieren potenziell höhere Musikverkäufe, an denen wiederum ProSiebenSat.1 verdient. Künstler aus den sendereigenen Castingshows werden ebenso über die Labels gefördert.

All diese Geschäftsmodelle vereinen den großen Vorteil, dass sich die Sendergruppe unabhängiger vom klassischen Werbegeschäft macht. Die vor vielen Jahren anvisierte Strategie, Rendite abseits der Werbezeitenverkäufe zu generieren, geht immer mehr auf. Damals gehörte zu der Strategie beispielsweise noch der Call-In-Sender 9live, heute wird – deutlich erfolgreicher und nachhaltiger – in Internetfirmen und Künstler investiert. Durch die größere Unabhängigkeit ist ProSiebenSat.1 insgesamt breiter aufgestellt, damit auch resistenter gegenüber konjunkturellen Schwankungen: In Konjunkturflauten fahren Unternehmen ihre Werbebudgets zurück, die Einnahmen der Sender sinken folglich. Leere Werbezeiten können die Sender mittlerweile durch die neuen Geschäftsmodelle wunderbar effizient füllen. Schließlich ist nicht zu vernachlässigen, dass durch den direkten, nachhaltigen Kontakt zu Werbekunden und die direkte Beteiligung auch ein – vielleicht nur unterbewusst – höheres Interesse am Erfolg dieser Firmen besteht. ProSiebenSat.1 ist sozusagen „commited“, und profitiert gleich doppelt, wenn sich Werbung auszahlt.

Nicht nur die Geschäftsmodelle von SevenVentures, Epic Companies oder Sevenwatch Entertainment tragen dazu bei, dass ProSiebenSat.1 unabhängiger vom traditionellen Werbegeschäft wird. Auch digitale Tochterfirmen oder das Video-on-Demand-Portal Maxdome gehören dazu. Dieses gesamte digitale Geschäft machte 2013 bereits einen Anteil von knapp 19 Prozent am Gesamtumsatz aus. Gegenüber dem Vorjahr ist es um rund 45 Prozent oder 150 Millionen Euro gewachsen – Tendenz also stark steigend. ProSiebenSat.1 hat die Zukunft der digitalen Wirtschaft früh erkannt und erntet nun die Lorbeeren. In Zeiten, in denen die Relevanz des klassischen Fernsehens immer wieder in Frage gestellt wird, ein zukunftsträchtiges Modell.

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