Die Kritiker

Das neue «24»: ‚So damned London‘

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Jack is back – nach vier Jahren Pause spielt die FOX-Serie nun in London. Quotenmeter.de war auf der Europapremiere der neunten Runde in München. Für das Online-Magazin seziert Hardcore-Fan Jessica Kastrop das Comeback des Agenten Jack Bauer.

«24»-Facts

  • der US-Sender FOX hatte die erste Staffel «24» für Herbst 2001 angekündigt. Geplant war einst, das Staffelfinale auf dem Dach des World Trade Centers stattfinden zu lassen. Wegen der Anschläge vom 11. September wurde das geändert - und «24» stand im November startende ohnehin noch unter den Eindrücken des Terrors.
  • Entsprechend widmeten sich die Staffeln zwei bis acht dann auch der Terrorismusbekämpfung.
  • Neben Hauptdarsteller Kiefer Sutherland ist Mary Lynn Rajskub (Chloe) die Schauspielerin mit den häufigsten Auftritten. Sie wirkte an 125 Episoden mit.
  • Vor vier Jahren stellte FOX die Serie im Zuge von zurückzugehenden, aber nach wie vor guten Zuschauerzahlen und wegen des immer teurer werdenden Gagen der Stars ein.
  • Bis dahin waren 8 Staffeln, also 192 Folgen gelaufen
  • In Deutschland zeigte RTL II die ersten fünf Staffeln, Staffel sechs lief beim Privatsender ProSieben. Premiere/Sky stieg ab dem Film «Redemption», der eine Brücke zwischen Staffel sechs und sieben war, ein. Im Free-TV übernahm ab der siebten Staffel kabel eins die Ausstrahlung
Vier Jahre Pause – vier Jahre lang kein Jack Bauer. Vor rund einem Jahr ließ FOX dann die Katze aus dem Sack. Nachdem das Kinoprojekt rund um Agent Jack Bauer endgültig zu Grabe getragen worden war, bestellte der TV-Sender eine neue zwölfteilige Mini-Serie unter dem Titel «Live Another Day», die nun endlich das ermöglichen soll, was das Format mit der Zeit zu einem recht ungelenken Frachter werden ließ. Weiterhin erzählt jede der zwölf Episoden die Geschichten in Echtzeit – auch in Staffel neun werden die Zuschauer darauf zu Beginn hingewiesen. Allerdings machen die Autoren nun Zeitsprünge – am Ende werden 24 Stunden vergangen sein, aber nur zwölf davon werden gezeigt. So können die Figuren endlich auch mal größere Strecken zurücklegen.

„«24» war eigentlich der Auslöser für das, was wir heute Binge-Viewing nennen und eine der ersten Qualitätsserien. Sie hat die TV-Landschaft verändert. Als wir die Serie 2001 bei den Screenings sahen, wussten wir sofort, dass das etwas komplett Neues ist,“ schwärmt Sky-Filmchef Marcus Ammon. Sein Sender bringt die aktuellen Episoden nur einen Tag nach der US-Premiere ins deutsche Fernsehen, übrigens schon in deutscher Fassung. Dies sei durchaus ein „Ritt auf der Rasierklinge“, schmunzelt er. Während die Macher von «24» vor 13 Jahren also Vorreiter in Sachen horizontalem Erzählen waren, wird jetzt von ihnen ein schwieriger Spagat erwartet.

Vor dem Start der «Live Another Day»-Staffel aber fragen sich die «24»-Jünger, ob nach einem zuletzt kontinuierlichen Absinken der Qualität der Serie nun die Wende folgt. Doch was ist die optimale Lösung für die neunte Runde? Eine krasse Abkehr von bisher Bekanntem oder das Erhalten des altbekannten «24»-Gefühls? „Ein guter Kompromiss“ sei den Machern rund um Showrunner Howard Gordon, Erfinder Jon Cassar und den Autoren der ersten Episode Manny Coto und Evan Katz gelungen, findet Jessica Kastrop, die die neue Staffel exklusiv für Quotenmeter.de bewertet. Die Sportmoderatorin ist seit Jahren glühender Fan der Action-Serie, hat keine Episode verpasst. „In der achten Staffel ist ihnen ein bisschen die Puste ausgegangen. Deshalb war dieser vier Jahre lange Break auch sehr wichtig für die Serie“, meint sie. Jetzt sei das Kribbeln wieder da.

Optisch fassten die Macher «24» nur behutsam an. Das Serienlogo enthält mehr orange, die Splitscreens sind gleich geblieben. Größte – und übrigens nicht unmutige Veränderung – ist die Verlagerung der Handlung nach London. „Der Look von London allein ist ein gänzlich Anderer – die Serie ist nun ein bisschen cooler durch die Farben. Allein in der ersten Szene wird klar: Das ist so damned London“, sagt Kastrop. Man könnte es auch mit Präsident Heller formulieren, der im Lauf der Folge sagt: „Ich liebe diese Stadt. Du kannst ihre Geschichte spüren.“ Die Handlung der Serie von Los Angeles oder New York nun dorthin zu verlegen, sei „total mutig, meint Kastrop. „Die Musik ist neu, ganz andere und moderene Beats. Die Kameraführung ist moderner“, analysiert sie.

Jack Bauer lebt inzwischen im Exil in Europa – und ihm sei inzwischen vieles relativ egal, erklärte Hauptdarsteller Kiefer Sutherland kürzlich in einem Interview mit TV Digital. Derweil plant James Heller (William Devane), einst Verteidigungsminister und jetzt US-Präsident einen Staatsbesuch und ist längst im Fadenkreuz der Terroristen gelandet. Sie planen einen Anschlag, was Bauer mitbekommen und sofort nach London geführt hat. Deshalb taucht der Ex-Agent in London auf – und gerät sofort ins Visier der CIA. Dort hat nun Teamchef Steve Navarro (sehr überzeugend; Benjamin Bratt) das Sagen. Er arbeitet mit Kate Morgan (Yvonne Strahovski) , einer brillanten und ebenso impulsiven jungen Agentin zusammen – eine Konstellation, die direkt vielversprechend ist. Morgan wirkt zwar körperlich recht zart, weiß jedoch mit Elektroschocks umzugehen und somit ein bisschen wie ein weiblicher Jack Bauer. „Die Anti-Terrorismus-Einheit hat wieder mehr den Look der ersten Staffeln. In der achten Staffel war ja das FBI am Start, das war hoch technologisiert. Der jetzige Look der CIA erinnert mich sehr an die ganz ursprüngliche CTU“, lobt Kastrop.

Gedreht wurde in einer stillgelegten Londoner Fabrik, Steinwände und kühle Farben dominieren die Zentrale der Einheit. Dort wird auch Chloe O’Brien, Jacks treue Gefährtin zu Beginn der Staffel verhört und gar gefoltert. Ihr erster Auftritt – verbunden mit ihren Schreien – war vielleicht der ergreifendste Moment der kompletten Folge. „Chloe ist irgendwie Stieg Larsson-mäßig, sie sieht aus wie in «Verblendung». Mich hat nicht nur der erste Auftritt von Chloe begeistert, sondern natürlich auch Jack Bauer, als er das erste Mal wieder gesprochen hat“, urteilt Kastrop.

Der gute Kompromiss, von dem eingangs die Rede war, besteht wohl darin, dass eingefleischte Fans der Serie zwar recht schnell einen Riecher haben könnten, welche Geschichten in den zwölf Episoden auf die «24»-Gemeinde warten werden. Kastrop, die die weiteren Bücher ebenfalls nicht kennt, mutmaßt: „Man weiß jetzt schon, dass Audrey wieder eine Beziehung mit Jack haben wird; welche auch immer – und man weiß jetzt auch schon, dass der neue Mann von Audrey, der Stabschef im Weißen Haus, am Ende der Depp sein wird.“ Lob findet sie auch für die Besetzung des Präsidentenpostens: „Überragende Idee, Heller zum Präsidenten zu machen. Wir haben ja schon alles durch. Wir hatten einen schwarzen Präsidenten, wir hatten eine Präsidentin. Heller passt da rein.“ Dass mit ihm wieder ein alter Bekannter von Bauer das wichtigste Amt der USA bekleidet, sei auch für die Fans wichtig, meint Serien-Fan Kastrop. „Man darf auch nicht vergessen, es sind schon viele neue Figuren mit dabei – deshalb ist es wichtig auch Figuren dabei zu haben, die der Zuschauer schon kennt. Nur so kann er sich identifizieren.“

Doch es wäre nicht «24» im Jahr 2014 - und das ist ebenfalls Teil dieses Kompromisses –, wenn nicht jede der wichtigen Figuren, ein gehöriges Päckchen zu tragen hätte – das ist der vielleicht größte Unterschied in der Erzählweise der Serie. Präsident Heller beispielsweise ist erkrankt. „Das ist super – das ist das Prinzip von «24» – alles ist unglaublich konfliktbehaftet. Ein Held sitzt auf dem Baum, gib ihm 75 Probleme, um herunterzukommen. «24» ist eine klassische Heldengeschichte und der Held hat etliche Probleme. Und nicht nur er, auch die Figuren drum herum. Die erste Agentin, Chloe, Audrey, die einen sehr verhuschten Eindruck macht, der kranke Präsident…“ lobt Kastrop, deren Erwartungen an die erste Episode der brandneuen Episode vollauf erfüllt wurden. Dazu gehören auch bekannte Elemente wie Explosionen, Schießereien und eine wahrlich spektakuläre Flucht Bauers aus den Händen der CIA - bei der er sprichwörtlich durch die Decke geht.

Die Gefahr, «24» im Jahr 2014 nicht wieder zu erkennen, besteht in der Tat nicht. Ob es wirklich gelingt, dem Format einen neuen Dreh zu geben, sodass nach dieser neunten Runde weitere folgen könnten, werden erst die kommenden Folgen zeigen. Dann gibt es eine Antwort darauf, ob der von den Machern gewählte Kompromiss allen so gut mundet, wie dem Premieren-Publikum in Deutschland.

Sky zeigt «24: Live Another Day» dienstags um 21.00 Uhr bei Sky Atlantic HD. Zudem gibt es die neue Staffel auch zum Abruf über Sky Go und Sky Anytime. Im Originalton stehen die ersten beiden Folgen schon jetzt zum Abruf bereit.

Kurz-URL: qmde.de/70533
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