Hingeschaut

«5 Zimmer - 1 Gewinner»: Nun also wieder nett

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Ein erster Schritt zur Abkehr von der Trash-Daytime? RTL überrascht mit seinem neuen Format insofern, dass man beim Konsum seinen Geist nicht an der Rezeption abgeben muss.

RTL-Angebot um 14 Uhr

  • 01/07-10/07: «Das Strafgericht»
  • 10/07-08/09: «Oliver Geissen Show»
  • 08/09-03/13: «Mitten im Leben»
  • 04/13-03/14: «Die Trovatos»
Liste der Sendungen ab 2007, die unter der Woche regelmäßig auf diesem Sendeplatz liefen.
Über eine erschreckend lange Zeit war RTL zwischen 14 und 17 Uhr mit «Mitten im Leben», «Verdachtsfälle» und «Familien im Brennpunkt» so erfolgreich, dass mit zum Teil über 30 Prozent Zielgruppen-Marktanteil sogar die höchsten Werte eines gesamten Sendemonats verbucht wurden. Inzwischen ist der Quotenglanz simultan zu dem des Inhalts merklich erblasst, «Mitten im Leben» wurde gar durch die nur bedingt erfolgreicheren «Trovatos» ersetzt und dem Privatsender rollen unaufhaltsam arge Probleme am Nachmittag entgegen. Für frischen Wind um 14 Uhr soll nun die Dokusoap «5 Zimmer - 1 Gewinner» sorgen - und die bietet sogar mehr als nur den zuvor gesehenen Inhalt in einer anderen Verpackung.

Doch wer sich nun ernsthaft so etwas wie konzeptionelle Innovation erhofft, soll an dieser Stelle gleich wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt werden. Viel mehr orientiert man sich an den VOX-Erfolgsformaten «Das perfekte Dinner» und «Shopping Queen». Man beauftragt eine Woche lang fünf Kandidaten damit, jeweils eines ihrer Zimmer neu zu dekorieren. Zur Verfügung stehen ihnen dabei 1.000 Euro, zwölf Stunden Zeit und ein Helfer ihrer Wahl, um die entsprechenden Utensilien einzukaufen und anschließend das Zimmer neu zu gestalten. Die vier Mitstreiter beäugen anschließend das Ergebnis und verteilen je nach Gefallen zwischen einem und zehn Punkten.

Doch der eigentliche Star dieser Sendung ist ganz offenkundig der selbsternannte Einrichtungsprofi Attila Deveci, der stets ein kritisches Auge auf das Geschehen wirft und seine Gedanken auch sehr umfassend zum Ausdruck bringt. Insofern ist es auch nur konsequent, dass sich die ersten Minuten des Neustarts auch fast ausschließlich mit ihm befassen - der Zuschauer soll schließlich auch wissen, wie umfassend seine Qualifikationen bei der Einrichtung von Wohnungen sind. Nebenbei geht er in gar nicht einmal zu dezenten Anflügen von verbaler Inkontinenz auch auf seine moralischen Ideale bei der kontrovers diskutierten Frage ein, ob man einen Hund nun auf dem Sofa Platz nehmen lassen darf oder tut kund, welchen Akzent er aus welchen Gründen für besonders anziehend hält.

Natürlich versucht man hier, einen zweiten Guido Maria Kretschmer zu etablieren. Entsprechend bemüht wirken auch an manchen Stellen die Versuche, gleichzeitig charmant und bissig, stets humorvoll, aber nur selten albern und extravagant, um nicht zu sagen latent tuntig aufzutreten. Das alles erinnert etwas zu stark an den «Shopping Queen»-Moderator, der in den vergangenen Monaten und Jahren zu einem richtigen Fernsehstar avancierte. Und das alles ist auch an manchen Stellen zu sehr auf einen Mann ausgerichtet, der ja eigentlich mehr zur professionellen Einordnung des Geschehens dienen soll, als die Sendung so stark zu dominieren. Zumindest wirkt der Mann aber kompetent und macht einen alles in allem recht angenehmen und eloquenten Eindruck.

Relativ blass wirken im Vergleich dazu die Kandidaten, die im ersten Drittel der Sendung auf etwas chaotische Art und Weise vorgestellt werden. Immer wieder switcht man zu einer anderen Person, sodass die Übersicht etwas verloren geht und es dem Zuschauer schwer fällt, die Akteure einzuordnen. Deutlich stringenter ist der dritte und größte Teil des Formats, in dem jeweils ein Kandidat - in der Auftaktfolge die 21-jährige Michelle - mit seinem Begleiter auf Shopping-Tour geht. Zum Thema "Animal Print" kaufen die beiden passende Accessoires ein, wobei deren Erwerb und die anschließende Dekoration nur durch einige Szenen der anderen Teilnehmer sowie natürlich die omnipräsenten Off-Kommentare von Deveci unterbrochen werden. Abschließend kommt es zu einer sehr kurz ausgefallenen Inspektion, bevor schließlich die Punkte verteilt werden.

Das alles ist weder einfallsreich noch ungewöhnlich umgesetzt, es ist einfaches Massenfernsehen für den Nachmittag, das weder den Bürokaufmann bei der Mittagspause noch die Hausfrau beim Bügeln stört. Aber das alles ist durchaus ein Lob für ein Format, das auf einem Sendeplatz läuft, den zuvor jahrelang qualitativ furchtbares Fernsehen besetzte. Zumal sich das Format an einigen Stellen tatsächlich auf bemerkenswerte Art und Weise von Scripted Reality absetzt. Statt schlechtem Schauspiel und gestelzter Dialoge bekommt man hier sogar mehrfach zu sehen, wie die Protagonisten mit dem Kamerateam interagieren: Fragen wie "Geht es schon los?" oder "Kann ich ihren Namen sagen?" in Richtung Kamera sind gleich mehrfach zu hören. Und es ist unwahrscheinlich, dass dies einzig auf die Faulheit der Post-Produktion zurückzuführen ist, entsprechende Stellen zu schneiden.

Insgesamt ist «5 Zimmer - 1 Gewinner» eine ordentliche Sendung, die weniger dazu verleitet, gezielt einzuschalten, als viel mehr, nicht gezielt abzuschalten. Das muss letztlich nicht aufgehen, aber gerade nach dem immer noch sehr quotenstarken «Punkt 12» kann so etwas zum Erfolg führen. Für Kritiker, Satiriker und letztlich natürlich auch Online-Redakteure von Medienmagazinen bietet man recht wenig Angriffsfläche, gleichzeitig fehlt aber auch das innovative Element, um lobende Worte zu finden. Für den Zuschauer ohne erhöhtem Krawall-Bedarf kann das Format allerdings eine erholsame Alternative zu der schwer erträglichen Form des Trash-Fernsehens darstellen, das ansonsten gerade die privaten Sendestationen bevölkert. Wer eine Mischung aus «Das perfekte Dinner» und «Shopping Queen» für interessant genug hält, um sich dem eine Stunde Lebenszeit am Tag zu widmen, sollte bis zum 28. März montags bis freitags um 14 Uhr mal einen Blick auf RTL riskieren. Es tut auch nicht weh, versprochen!

Kurz-URL: qmde.de/69612
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