Die Kino-Kritiker

«Saving Mr. Banks»

von

Im ebenso berührenden wie gewitzten Drama «Saving Mr. Banks» begeistern Emma Thompson und Tom Hanks als Kinderbuchautorin P. L. Travers und Filmproduzent Walt Disney.

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Die größte Stärke von «Saving Mr. Banks» sind seine Hauptfiguren. Tom Hanks nimmt sich mit spürbarer Spielfreude wie auch Ehrfurcht der schwierigen Aufgabe an, den weltberühmten Produzenten zu verkörpern. Unaufdringlich lässt er einige markante Gesten und Gewohnheiten Disneys, die Kennern seiner zahlreichen Fernsehauftritte bekannt sein dürften, in sein Schauspiel einfließen und schafft so, trotz seiner Walt Disney nicht völlig gleichkommenden Physis, eine große Authentizität. Zudem greift der Oscar-Preisträger diese Kleinigkeiten auf, um ein glaubwürdig ambivalentes Bild des, sein Image bewusst einsetzenden Studiobosses zu zeichnen. So zeigt er stets ein ansteckendes, aber auch spürbar aufgesetzt freundliches Lächeln und verwendet seine ganz eigene Mischung aus Bodenständigkeit und Entertainerqualitäten geschickt als Verhandlungstaktik. Dennoch lässt Hanks nie einen Zweifel daran, welche Passion Walt Disney in seine Arbeit steckt – etwa, wenn Disneys freundliche Fassade in Hanks' Performance durch einen einzelnen Augenaufschlag zusammenbricht, und deutlich wird, wie sehr ihn Travers' Geringschätzung des von ihm geliebten Trickmediums verletzt.

Hanks' Disney ist als gewiefter Geschäftsmann mit kindlicher Begeisterungsfähigkeit der perfekte Kontrahent für die von Emma Thompson bis zur Perfektion gespielte Pamela Travers. Die britische Oscar-Preisträgerin verschwindet förmlich in ihrer Rolle des verknöcherten Kontrollfreaks, der in den Disney-Studios eine emotionale Achterbahnfahrt durchmacht. Mit feinem Gespür für eine leichte, ironische Überzeichnung verdeutlicht Thompson Travers' versnobte Abscheu vor Kitsch und ein Übermaß an ungezügelter Heiterkeit, wodurch diese so gestrenge Persönlichkeit auch für einige Lacher gut ist. Gleichzeitig drückt Thompson mit verzweifelten Blicken und kleinen, scheinbar unterbewussten Gesten die ehrliche Verletzlichkeit der Poppins-Schöpferin aus. Da sie hinter allen unsensiblen Abfuhren und gehässigen Kommentaren, die sie Disney und seinem Team verpasst, auch nachvollziehbare, persönliche Gründe hat, sich gegen deren Ideen zu verwehren, bleibt ihr Handeln greifbar und für den Zuschauer verständlich.

Beachtenswert ist, wie die Macher von «Saving Mr. Banks» Travers sogar über den künstlerischen Konflikt hinaus sehr komplex skizzieren. Ganz subtil schneiden sie die Möglichkeit an, wie sie zugleich vom an ihren Vater erinnernden, kindlichen und unruhigen Walt Disney fasziniert ist und sich andererseits durch seinen Mangel an Zurückhaltung und Feinsinn von ihm angewidert fühlt. All dies ermöglicht es Emma Thompson, fließend von reiner Zickigkeit zu kultureller Resignation überzuleiten und letztlich darzustellen, wie die Auseinandersetzung mit Disney seelische Wunden aufreißt, wegen derer sich die Autorin einer Kooperation verwehrt.

Das restliche Ensemble bekommt keine solchen Gelegenheiten für ein ähnlich beeindruckendes, facettenreiches Spiel. Dennoch wissen auch die weiteren Akteure weitestgehend zu überzeugen. Dies trifft vor allem auf Paul Giamatti als Travers' redseliger, feinfühliger Chauffeur, Annie Rose Buckley als junge P. L. Travers und die pointiert agierenden Jason Schwartzman und B. J. Bovak als die für «Mary Poppins» komponierenden Sherman-Brüder sowie Bradley Whitford als Drehbuchautor Don DaGradi zu. Ruth Wilsons Figur als überforderte Mutter Travers' wiederum geriet weitestgehend eintönig, was aber von zwei emotionalen Ausbrüchen erfolgreich abgefedert wird. Ähnlich spielt auch Colin Farrell Travers' Vater eingangs unglaubwürdig optimistisch und juvenil, was sich jedoch sehr gut in die Struktur der Geschichte fügt und graduell untergraben wird, womit sich schlussendlich eine sehr effektvolle Darbietung ergibt.

Inszenatorisch setzt Regisseur John Lee Hancock auf einen sehr zurückhaltenden visuellen Stil: Akzente werden primär durch die kommentierenden Umschnitte zwischen den 60ern und Travers' Kindheit gesetzt. Die Kameraarbeit John Schwartzmans hingegen umfasst nur wenige bildliche Anmerkungen bezüglich des Geschehens, stattdessen fängt sie größtenteils effektiv die Figuren und ihre Umgebung ein. Der deutlichste visuelle Kunstgriff ist, wie Hancock den Rückblicken auf Travers' Zeit in Australien durch präzise eingesetzte Zeitlupen, leichte Überbeleuchtung und eine stete Betonung der weiten australischen Flächen eine unterschwellig sentimental-traumhafte Note verleiht. Somit heben sie sich umso deutlicher von den Sequenzen in den bunten, aber auch sehr funktionalen Disney-Studios ab, sowie von den wenigen, prunkvollen Momenten, die im kalifornischen Disneyland spielen. Äußerst denkwürdig ist derweil Thomas Newmans subtile, spielerische Musikuntermalung, die sich freimütig an den bekannten «Mary Poppins»-Melodien bedient und diese komplett neu interpretiert, um sie mal schwärmerisch, mal verletzlich einzusetzen.

Der musikalisch beeindruckendste Moment von «Saving Mr. Banks» erfolgt während der Weltpremiere von «Mary Poppins», die Newman in ein melodisches Kleid packt, dessen Komplexität womöglich auch P. L. Travers gefallen hätte. Ihr Leinwandpendant zumindest durchläuft parallel dazu ebenfalls eine Vielzahl von Emotionen, was Thompson in einer Gänsehaut erzeugenden Darbietung zur Schau stellt. Manchem Kinogänger wird die von Regisseur Hancock und den Drehbuchautoren Marcel & Smith nahe gelegte Deutung von Travers' ganz persönlicher Auffassung des Kinofilms und dessen Bezug zu ihren Kindheitserinnerungen zu rührselig sein. Aber Thompsons begnadetes Schauspiel sollte selbst hartherzige Kinobesucher für diese Interpretation des Charakters einer facettenreichen, undurchschaubaren realen Person erweichen können.

«Saving Mr. Banks» ist ab dem 6. März 2014 in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.

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