360 Grad

He's Got Friends in Low Places

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Am Schluss war die «Tonight Show» mit Jay Leno weit von ihren einstigen Erfolgen entfernt. Trotzdem: Leno wird der amerikanischen Fernsehlandschaft fehlen. Ein Kommentar.

Jay Leno hat Sympathien eingebüßt, als er 2010 nach seiner missglückten Late-Night in der Prime-Time Conan O'Brien seinen Platz als «Tonight-Show»-Moderator streitig machte. Nun, vier Jahre später, waren die Verstimmungen immer noch groß genug, seinen (diesmal) endgültigen Abgang negativ zu überschatten.

Er war nicht der einzige Late-Night-Talker, der in den darauf folgenden Jahren Zuschauer abgeben musste. Auch sein Erzrivale Letterman musste diese schmerzliche Erfahrung machen – Gehaltskürzungen inbegriffen.

Lenos allerletzte «Tonight Show» kam nun immerhin auf fast fünfzehn Millionen Zuschauer. In der heutigen Fernsehlandschaft ein respektabler Wert, aber lachhaft im Vergleich dazu, dass sich Johnny Carson vor etwas mehr als zwanzig Jahren noch vor rund fünfzig Millionen Amerikanern verabschieden konnte.

Unzweifelhaft ist jedoch, dass Lenos Ausstieg aus dem täglichen Late-Night-Geschäft eine Lücke in der amerikanischen Fernsehlandschaft hinterlassen wird. Die Stimme der bodenständigen, vielleicht etwas altbackenen, aber in ihrer Lockerheit und Unverkrampftheit wie eh und je charmanten Spätabendunterhaltung vertritt nun allenfalls noch Jimmy Kimmel. Letterman ist elitärer als Leno, Jimmy Fallon nerdiger, Craig Ferguson und Conan O'Brien sind anarchischer und feingeistiger, Jon Stewart und Stephen Colbert politischer.

In dieses Bild passt es ganz gut, dass der letzte Künstler, der in Lenos «Tonight Show» auftrat, Country-Ikone Garth Brooks war, der letzte Song, der gespielt wurde, „Friends in Low Places“. Ein Song, dessen erste Zeilen sich durchaus als Allegorie auf Lenos Werdegang im Showgeschäft lesen lassen: Blame it all on my roots, I showed up in boots and ruined your black tie affair. The last one to know, the last one to show, I was the last one you thought you'd see there, heißt es da. Das passt zu Lenos Bodenständigkeit, zu seinem gehobenen Blue-Collar-Humor – und zu Lorne Michaels' These, dass in Hollywood ganze Vermögen draufgegangen sind, weil man Leno immer wieder unterschätzt hat.

Lenos emotionaler Abschied ist sicherlich auch denen zu Herzen gegangen, die seine Sendung in den letzten Jahren ob des Late-Night-Überangebots an anderer Stelle nicht mehr auf dem Radar hatten oder ihm wegen seines Fehlverhaltens im letzten Late-Night-Krieg nicht mehr wohlgesonnen waren. Sicherlich auch, weil mit der «Tonight Show» sehr viel Nostalgie verbunden ist – und Lenos allabendlicher Auftritt nicht nur wie 2010 eineinhalb Stunden vorverlegt wird, sondern nicht mehr stattfinden wird. Das muss auch der größte Zyniker erst mal setzen lassen.

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