Sonntagsfragen

Guido Reinhardt: ‚«Wentworth» wird polarisieren‘

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Mit dem CCO von Ufa Serial Drama sprachen wir über seine neue RTL-Knast-Serie, aber auch über den geglückten Relaunch von «Alles was zählt» und das Sorgenkind «Verbotene Liebe». Wie die Quoten dort gerettet werden sollen…

Zur Person: Guido Reinhardt

Reinhardt ist Chief Creative Officer / Produzent bei UFA Serial Drama. 1967 in Bensberg bei Köln geboren, absolvierte er zwischen 1989 und 1992 selbst eine Schauspielausbildung. Es folgte eine Zeit am Theater und ein Medizinstudium - und schließlich der Weg zurück ins Fernsehgeschäft. Bei der damaligen Grundy UFA arbeitete er zunächst für «Unter Uns». Seit 2005 trug er die Verantwortung auch für «GZSZ» und die damalige Weekly «Hinter Gittern». Zeitgleich begann die Entwicklung der dritten RTL-Daily «Alles was zählt». Seit 2008 ist er in seiner Funktion gesamtverantwortlich für die Formate von Ufa Serial Drama.
Herr Reinhardt, Sie produzieren im kommenden Jahr eine deutsche Version der australischen Knastserie «Wentworth» für RTL. Wie sind Sie auf das Format aufmerksam geworden?
Ich kenne das Format schon seit dem ersten Drehbuch Vor zwei Jahren haben wir unsere australischen Kollegen bei der Neuausrichtung der Soap «Neighbours» unterstützt. Dabei habe ich die ehemalige Chefautorin von «Neighbours», Lara Radulovich, kennengelernt, die zu diesem Zeitpunkt an der Entwicklung von «Wentworth» arbeitete. So konnte ich die neue Serie von der Geburtsstunde an begleiten, die ersten Bücher lesen und mit Lara viel diskutieren. Ich war sehr froh, als ich hörte, dass Fremantle Australia einen Produktionsauftrag für die Serie erhielt. Spätestens da war für mich klar, dass ich «Wentworth» unbedingt auch für den deutschen Markt produzieren möchte.

Und die Serie hat entfernt auch etwas mit Reg Watson zu tun, der einst die Vorlage für «GZSZ» geliefert hat. Denn auch unsere Ur-Soap beruht ja auf einem australischen Format…
Die Grundy Australia (heute Fremantle Australia) hatte früher einige Chefentwickler, Reg Watson war einer davon. Man könnte ihn als Urvater von «Wentworth» bezeichnen, wobei sich die Serie gar nicht so sehr auf «Prisoners», das in den 80ern lief, bezieht. Es ist eher eine Reloaded-Version, die die Zuschauer mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Ich habe schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium mit Barbara Thielen von RTL über die Serie gesprochen. Wir haben uns gemeinsam mit allen Beteiligten sehr oft das australische Original angeschaut. Der Sender hat also nicht die Katze im Sack gekauft, sondern konnte sich immer ein Bild davon machen, was wir vorhaben.

Im Original spielt Danielle Cormack die Hauptrolle Bea – was muss denn die Hauptdarstellerin dieses Formats mitbringen?
Eine Leidensfähigkeit und Brüchigkeit gepaart mit einer hohen empathischen Ausstrahlung. Wir werden das Casting bald abschließen und führen bereits sehr konkrete Gespräche mit namhaften, großartigen Schauspielerinnen. Ich bin sehr sicher, dass wir einen fantastischen Cast haben werden, der die Qualität der Serie noch einmal bestärkt. Es ist nicht üblich, Schauspielerinnen zu finden, die sich ohne Kenntnis von Büchern auf eine solche Serie einlassen. «Wentworth» ist gerade für die weiblichen Darsteller eine enorme Herausforderung. Jede der weiblichen Figuren – und die sind in der Überzahl – hat schließlich einen harten Bruch in ihrer Vita. Etwas in ihrem Leben ist schief gelaufen und hat sie schließlich ins Gefängnis gebracht. Im juristischen Sinne sind die meisten unserer Figuren schuldig. Aber wir wollen mit der Frage spielen, ob sie auch im moralischen Sinne schuldig sind. Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer das gleiche. Die Frage der moralischen Schuld soll der Zuschauer nie leichtfertig beantworten können. Das stellt die Autoren, aber auch die Schauspielerinnen vor eine große Herausforderung.

Welchen Titel wird die Serie hierzulande haben?

Das wissen wir noch nicht. Ich glaube, dass es nicht reicht, wenn wir einfach den Namen der Gefängnisanstalt nehmen. Wir brauchen einen Titel, der die Emotionalität und Tonalität der Serie herüberbringt.

Wie hart, wie krass wird die Serie?
Hart und kontrastreich beschreibt es schon mal ganz gut. Aber wir wollen in erster Linie durch Emotionalität überzeugen. Die Leittthemen der Serie werden Freundschaft, Vertrauen und Loyalität sein. All das wird im Gefängnis verhandelt und immer wieder in Frage gestellt. Natürlich stellen wir das sehr zugespitzt dar.

Aus Deutschland kamen zuletzt viele recht leichte Serien – denken wir mal an die zahlreichen Schmunzel-Krimis im Ersten, oder auch an «Der Cop und der Snob», «Es kommt noch dicker» oder «Doc meets Dorf». «Wentworth» klingt wie das absolute Kontrastprogramm.
Die Konflikte, die wir erzählen werden, sind wesentlich stärker, bedrohlicher und für die jeweiligen Figuren mit einer enormen Fallhöhe verbunden.
Guido Reinhardt über seine neue RTL-Serie «Wentworth»
Das ist es mit Sicherheit. Die Konflikte, die wir erzählen werden, sind wesentlich stärker, bedrohlicher und für die jeweiligen Figuren mit einer enormen Fallhöhe verbunden. Nehmen wir allein das Thema Freundschaft: Wenn sich in der ‚normalen‘ Welt zwei Freundinnen streiten und die Freundschaft zerbricht, ist das sicherlich für alle Beteiligten traurig und auch schmerzhaft. In einem Gefängnis kann der Verlust einer Freundin über Leben und Tod entscheiden.

In Australien startete die Serie bei Foxtel mit 244.000 Zuschauern – das war der erfolgreichste Start in der Geschichte des Kanals. Auch in UK ist die Serie erfolgreich angelaufen. Nur sagt das vermutlich relativ wenig über den Erfolg in Deutschland aus…

«Wentworth» ist ein mutiges Format. Es ist sicherlich keine Serie, über die man sagen wird: Och ja, irgendwie ganz nett. Das Format wird polarisieren und Diskussionen auslösen. Ich gehe davon aus, dass RTL «Wentworth» deshalb auch nicht um 20.15 Uhr, sondern vermutlich eher eine Stunde später platzieren wird. Und dann wird sich im Laufe der ersten Staffel zeigen, inwiefern der Zuschauer sich auf dieses großartige Format einlässt und mitgeht.

Kommen wir zum Sorgenkind Ihrer Firma, der kürzlich von der ARD nochmal verlängerten Daily «Verbotene Liebe». Sie doktern da schon seit Jahren herum, die Zuschauerzahlen werden aber immer schlechter. Inzwischen arbeiten Ihre besten Leute dort. Sind Sie ratlos?
Ratlos? Nein. Vielleicht ein bisschen frustriert. Aber niemand möchte die Serie kampflos aufgeben. Weder wir, noch die ARD. Wir führen sehr konstruktive Gespräche mit dem Sender und entwickeln gemeinsam mögliche Szenarien und diskutieren alle Optionen. Ein großes Thema ist derzeit die Minutenlänge der Folgen. Wir sehen aber auch, dass die Serie in der Mediathek sehr starke Abrufzahlen hat. «Verbotene Liebe» überflügelt inzwischen den «Tatort» und auch Erfolgsserien wie «Sturm der Liebe». Das zeigt uns: Das Format ist durchaus noch sehr vital.

Das bringt nur nichts, wenn alle noch auf die Quote im Fernsehen schauen…
Ratlos? Nein. Vielleicht ein bisschen frustriert. Aber niemand möchte die Serie kampflos aufgeben.
Guido Reinhardt über «Verbotene Liebe»
Eine Länge von 45 Minuten in diesem Genre ist nachmittags in Ordnung – da nimmt man sich bei einem Kaffee gerne mal eine Auszeit vom Alltag. Das geht um 18.00 Uhr nicht mehr. Da sind die Kinder daheim, das Abendessen wird vorbereitet, man muss vielleicht noch Hausaufgaben kontrollieren… Hier ist eine Soap mit fortlaufenden Geschichten deutlich komplexer als vergleichsweise ein Krimi.

Wie sehr schmerzt es, wenn an manchen Tagen «Köln 50667» sogar im Gesamtmarkt vor «Verbotene Liebe» liegt?
Im Jahresschnitt liegen wir da noch vorne – wir kommen auf um die sieben Prozent. Es ist gut, dass wir noch vor «Köln 50667» liegen, aber natürlich erreichen wir zu wenig. «Köln» und «Berlin» beziehen sich auf wirklich sehr spitze Zielgruppen im Alterssegment zwischen 14 und 19 Jahren. Das sind Zuschauer, die für «Verbotene Liebe» so gut wie keine Rolle spielen. Und die RTL II-Soaps sind natürlich ein Social-Media-Paket. Das ist eine völlig andere Nutzung als bei uns. Ich habe da mit Ihnen schon mehrfach darüber diskutiert – ich finde nach wie vor, dass diese Formate nur sehr schwer miteinander zu vergleichen sind. Im Gegenteil: Wir müssen uns deutlich davon abgrenzen.

Mal zugespitzt formuliert: Hilft der «Verbotenen Liebe» heute keine Weiterentwicklung mehr, muss es vielleicht der große Cut sein?
Der große Cut; was ist das? Ist das vielleicht eine sehr starke Fokussierung auf sehr stark zugespitzte Figuren? Genau darüber denken wir aktuell nach. Wir werden bestimmte Dinge jetzt nochmal anpacken und in diese Richtung bewegen. Ich sehe in «Verbotene Liebe» sehr hohes Potential, weil die Serie eine treue und große Fangemeinde hat.

Ich habe als Vorbereitung auf das Interview verschiedene Fanforen gewälzt. Oftmals haben die Fans ja einen ganz guten Riecher, aber bei «Verbotene Liebe» gehen die Meinungen weit auseinander. Zwar wird eine kürzere Sendezeit durchaus genannt, aber es gibt auch Wünsche wie „mehr Pferde“, „weniger“ oder „mehr Mode“…
Ja, das ist genau das, was uns auch bewegt. Es gibt heute kaum mehr ein Format, das wirklich universell ist und somit eine breite Zielgruppe im Alter von 14 bis 59 Jahren gleichermaßen anspricht. Also muss man irgendwie diese Schere hinbekommen. Oder man muss eben so zugespitzt erzählen, dass man eine sehr spezielle Zielgruppe anspricht, deren Träume und Wünsche trifft. Die zugespitzten Programme bereiten zur Zeit RTL II am Vorabend große Freude.

Bei «Alles was zählt» haben Sie im Jahr 2013 einen Relaunch hingelegt – weg vom Eis, hin zum Tanzen. Blickt man auf die Quoten, dann kann man einen Erfolg nicht absprechen.
Für uns ist der Relaunch nun schon ein Jahr her – bis er vollumfänglich auf dem Schirm zu sehen war, hat es aber bis ins Frühjahr gedauert. Und ich kann Ihnen verraten: Wir arbeiten jetzt schon wieder an der nächsten Weiterentwicklung von «Alles was zählt».

Die Bild hat es schon verraten: Es wird im nächsten Jahr eine umstrittene Hochzeit geben – wohin wird die Reise für die Figuren der Serie gehen?
Wir werden versuchen das Thema Tanzen noch einmal anders aufzulegen – das soll eine neue Dimension erreichen. Es wird auch 2014 wieder um alles gehen – auch für die Tanzfabrik. Richard und Simone werden sich einen neuen Kampf liefern und auch ihre Liebe neu ausfechten. Und rund um die Figuren Bea und Ingo haben wir auch noch recht viel vor…

Als wie groß empfinden Sie denn den Relaunch oder den Bruch in der Serie «Alles was zählt»?
Wenn man sich Folgen von «Alles was zählt» aus den vergangenen Jahren anschaut und mit denen von heute vergleicht, sieht man natürlich enorme Veränderungen. Diese darf der Zuschauer aber niemals als Bruch empfinden. Und für uns war es das auch nicht. Wir müssen alle unsere vier Dailys konsequent weiterentwickeln – sowohl was die inhaltliche Ausrichtung betrifft als auch die Abläufe hinter den Kulissen. Die Veränderungen bei «Alles was zählt» in den letzten zwei Jahren waren sicherlich größer und sichtbarer als bei den anderen Formaten. Trotzdem haben wir alle vier Serien in gleichem Maße auf den Prüfstand gestellt und weiterentwickelt. Wir sprechen deshalb heute auch kaum noch von einem Relaunch, der zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindet. Die Weiterentwicklung unserer Serien gehört mittlerweile zum Tagesgeschäft dazu.

Felix von Jascheroff wird nach 13 Jahren bei «GZSZ» aussteigen; im TV läuft die letzte Folge mit ihm im Februar. Eine solche Schlagzeile sieht man als Macher der Serie vielleicht nicht ganz so gern?!

Felix hat der Serie unglaublich viel gegeben. Wir sind ihm sehr dankbar. Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ein solcher Ausstieg macht in der Serie nämlich auch wieder einige Dinge möglich, die vorher mit der Figur noch schwierig waren. Und für ihn kommt nun eine neue Herausforderung nach 13 Jahren. Er muss und will sich auch weiterentwickeln – ich finde seine Entscheidung einfach richtig. Ich bin überzeugt: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Wir werden mit ihm in guten Gesprächen bleiben, ihn vielleicht auch in einem anderen Format von uns sehen.

Aber nicht in «Wentworth»…
Nein, es können nicht alle bei «Wentworth» mitmachen. (lacht) Ich glaube aber, dass andere Kollegen innerhalb der UFA-Familie durchaus auch auf ihn schielen werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Guido Reinhardt.

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