360 Grad

Nur noch kurz die Welt retten...

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Bei ZDFneo soll Martin Sonneborn gerade die Welt retten. Dabei kann er nicht mal den eigenen Sender retten. Ein Kommentar von Julian Miller.

ZDFneo braucht einen Hit. Denn seit Joko, Klaas und Stuckrad-Barre den Sender verlassen haben, ist es doch etwas dünn geworden, was die Relevanz angeht. In die Schlagzeilen ist man in jüngster Zeit eher mit negativem Ergebnis gekommen; nämlich mit dem furchtbaren «Auf der Flucht», einem sonderbaren „Experiment“, das aus der Flüchtlingsthematik eine Erlebnisshow gemacht hat, die sich nicht einmal RTL II in diesem Zynismus hätte ausdenken können.

Bevor Ende des Monats der Altmeister des jungen Fernsehens Jan Böhmermann ran darf, soll nun erstmal Martin Sonneborn den Sender retten. Und, wenn's geht, die Welt gleich mit. Geringer ist der (satirische) Anspruch nämlich nicht.

Das Markenzeichen von Sonneborns Satire ist schon immer das Anstrengende gewesen, das Gequälte, das Versessene. Satire ist für Sonneborn (oder seine Kunstfigur; klar trennbar ist das nie) nicht leichtfüßiges Spiel mit den gesellschaftlichen Widersinnigkeiten, sondern sein Weg zur Weltrettung. Wahrscheinlich glaubt einer der beiden Sonneborns, der echte oder der künstliche, das wirklich.

Auch wenn sich die Lächerlichkeit durch das ganze Format zieht.

In der ersten Folge soll der ehemalige Titanic-Chefredakteur die Welt vor dem drohenden Kollaps unseres Wirtschaftssystems retten. Und eine seiner ersten Anlaufstellen, bei der er sich Tipps holen will, ist tatsächlich Gregor Gysi. Ein Mann, dessen Partei nun nicht gerade für Wirtschaftskompetenz steht; aber man nimmt eben, was man kriegen kann, so als Berufssatiriker. Von da aus geht es dann weiter zum Großbanker und zum Traderseminar, wo ihm der Referent dazu rät, einen kleinen Teil seines Vermögens in Wodka anzulegen, für den Fall, dass der Euro mal nichts mehr wert ist und der Privatbesitz von Gold verboten wird. Was Sonneborn sogleich freudig in die Tat umsetzt und anschließend – den Rat natürlich missverstehend, damit man Satire draus machen kann – den Versuch unternimmt, in der Bäckerei die Brötchen mit Wodka zu bezahlen.

Wirklich gut ist Sonneborn hier nur, wenn er seinen Gesprächspartnern Dinge in den Mund legen darf, um ihre eigentlichen Überzeugungen zu entlarven. Doch das passiert selten. Das Gros des Formats ist eine Mischung aus Selbstgefälligkeit und infantilen Passantensketchen, die Satire sein sollen. Wo sich ein Stuckrad-Barre unsichtbar machen würde, um den Unsinn entlarven zu können, gibt Sonneborn den lauten Störenfried, der schnurstracks aus dem Kreis der Schaltenden und Waltenden entfernt wird. Die deutlich unergiebigere Variante.

Bevor ZDFneo die Welt retten kann, muss es erst einmal sich selbst retten. Und zwar aus dem Abdriften in die Bedeutungslosigkeit.

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