Hingeschaut

Einmal Millionär zum Mitnehmen, bitte

von

18 Frauen auf der Jagd nach drei Millionären, aber nur einer von ihnen ist echt: Die ProSieben-Show «Catch the Millionaire» will Fans des «Bachelor» im Fernseh-Hochsommer ansprechen. Mit Erfolg?

Hintergrund

«Catch the Millionaire» ist eine Weiterentwicklung des US-Formats «Joe Millionaire», das 2003 für das Network FOX Rekordquoten von bis zu 35 Millionen Zuschauern einfuhr. Allerdings überlebte sich das Konzept schnell; eine zweite Staffel floppte und das Format wurde abgesetzt. Im Original glaubten die Kandidatinnen, um einen echten Millionär zu werben, der sich am Ende als normaler Arbeiter herausstellte. Für Deutschland hat die Produktionsfirma die Prämisse umgedreht; nun daten die Frauen drei vermeintliche Millionäre, von denen nur einer schwerreich ist.
Beim RTL-«Bachelor» hat diese Botschaft immer explizit mitgeschwungen: Der heißbegehrte Junggeselle sieht nicht nur gut aus – er ist auch wohlhabend und erfolgreich. Bei der neuen Luxus-Kuppelei «Catch the Millionaire» wird die Botschaft umgedreht: Das Wichtigste am 29-jährigen Dennis ist zunächst einmal sein Geld, wie der Showtitel verraten lässt – und ganz nebenbei sieht der Unternehmer auch noch wie ein hübscher Playboy aus. Dass die beiden Eigenschaften miteinander einhergehen, weiß man spätestens seit Sprüchen wie „Geld macht sexy“. Es ist also nur konsequent, die monetäre Attraktivität bei «Catch the Millionaire» in den Vordergrund zu rücken.

Um diese Attraktivität dreht sich auch der konzeptuelle Kniff, der das neue ProSieben-Format von der Kölner Konkurrenz «Der Bachelor» am meisten unterscheidet: Denn genau weil Geld anziehend wirkt, will Millionär Dennis herausfinden, welche Frau ihn nur wegen seines Erfolgs umgarnt und welche sich wirklich in ihn verliebt. Dazu hat sich Dennis zwei Komplizen organisiert, die ihrerseits vorgeben, reich zu sein – welcher von den drei Männern der wirkliche Millionär (und wer beispielsweise der arbeitslose Politologe) ist, wissen die Zuschauer von Anfang an. Die 18 Kandidatinnen glauben dagegen, sie hätten es mit drei Schwerreichen zu tun. Ob sie sich am Ende trotzdem für die Liebe entscheiden, wenn sie sich den ‚Falschen‘ ausgesucht haben: Dies ist eine der ständig mitschwingenden Fragen hinter dem neuen TV-Format.

Entführt werden Zuschauer, Frauen und vermeintlichen Millionäre nach Italien, genauer: in die wunderschöne Toskana. Die Außenaufnahmen der Villa und ihrer Gärten sind stimmungsvoll, die musikalische Untermalung weckt tatsächliche Assoziationen zum Märchen von Aschenputtel, das seinen Prinz bekommt. Eine Art Disneyland für Single-Frauen und -Männer wird hier inszeniert – und dies nicht unglaubwürdig. Atmosphäre und Setting wirken sogar stilvoller, eleganter als beim ebenfalls stylischen Vorbild «Der Bachelor». Hier ist der Produktionsfirma Shine Germany eine echte Überraschung gelungen.

Jede der 18 Frauen wird irgendwann etwas ausführlicher vorgestellt, auch im Interview. Ob Gogo-Tänzerin, Kosmetikerin, Bürokauffrau: Die meisten betonen in ihren Interviews ausdrücklich, dass sie auch mit Zickigkeit punkten können, sollte es darauf ankommen. Dass es Shows wie diese sogar darauf anlegen, den weiblichen Konkurrenzkampf anzustacheln, wissen Zuschauer seit jeher. Angenehm, dass dieses vermeintliche Unterhaltungselement nicht überstrapaziert wird, zumindest nicht in der Auftaktfolge. Ohne die üblichen Stereotypen wie jene der lauten Göre, der Intrigantin, der Streitschlichterin kommt man allerdings auch nicht aus.

Das eigentliche Problem liegt aber lange Zeit darin, dass dem Zuschauer die eigentliche Spannung vorenthalten wird – sprich: die Interaktion zwischen den Männern und den Ladies. Zunächst fokussiert sich «Catch the Millionaire» auf die drei Herren, auf ihre Hobbys und Berufe, immer mal wieder werden auch besagte Porträts der Kandidatinnen eingestreut. Nach über einer halben Stunde Sendezeit in der Villa angekommen, treffen alle Protagonisten endlich aufeinander – bis die Männer nach dem ersten Kennenlernen wieder von der Bildfläche verschwinden. Zeitweise hätte man den Eindruck gewinnen können, man schaue hier ein Sommer-Special von «Germany’s Next Topmodel», so sehr wurden die Frauen und ihre gegenseitigen Sympathien bzw. Antipathien in den Vordergrund gerückt. Man könnte diese Szenen auch als dramaturgisches Element verteidigen: Alles arbeitet auf den großen Dinner-Abend hin, der in der letzten halben Stunde der Premierenfolge in den Fokus rückt – metaphorisch ist es die große Ballsaalszene im toskanischen Märchen.

Bis zu diesem Abend aber gibt es zu viele Längen und zu wenig Abwechslung für den Zuschauer. Oder anders ausgedrückt: zu wenig interessantes Material für zu viel Sendezeit, immerhin dauert eine Folge von «Catch the Millionaire» mehr als doppelt so lang wie beim «Bachelor». Trotz des etwas anderen Konzepts wirkt das ProSieben-Format größtenteils wie eine Kopie der RTL-Show, die insgesamt etwas straffer, aber auch weniger atmosphärisch daherkam. «Catch the Millionaire» wird vor allem dann punkten, wenn das Geheimnis der vermeintlichen drei Millionäre ans Licht kommt – und die Frauen darauf reagieren müssen, dass sie sich vielleicht nicht in den Superreichen verguckt haben. Trotzdem: Wer das RTL-Vorbild mag, wird mit der ProSieben-Show eine annehmbare Sommer-Unterhaltung finden.

Am Ende gibt es für die Frauen, die in der Villa blieben dürfen, keine Rosen. Sondern Schmuckketten, die sie von den Männern um den Hals gelegt bekommen – Millionäre wollen sich schließlich nicht mit ordinären Blumengeschenken zufrieden geben. ProSieben dagegen verteilt in den Werbepausen eine Million Cents beim obligatorischen Telefongewinnspiel. Folgender Satz war diesmal zu vervollständigen: „Die Kandidatinnen suchen einen Milli_när.“ Mehr ist den berieselungswilligen ProSieben-Zuschauern im Hochsommer offenbar wirklich nicht zuzumuten...

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