Vor Ort

Einfach nettes Beiwerk

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Für Quotenmeter.de war Gregor Elsbeck am Samstag bei der so viel kritisierten «Wetten, dass..?»-Sommerausgabe im Coliseo Balear auf Mallorca. Ein Vor-Ort-Bericht…

28,4 Prozent Marktanteil für das Mallorca-Special sind trotz der geringeren Gesamtzuschauerzahl von 6,74 Millionen ein sehr guter Wert. Der Marktanteil fiel so gut aus wie seit der dritten «Wetten, dass..?»-Show im Dezember nicht mehr. Auch in der so genannten jungen Zielgruppe war die Sendung mit 25,6 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent bei der letzten Sendung erfolgreicher.
ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs zur «Wetten, dass..?»-Quote vom Samstag
Wenn man einigen Stimmen Glauben schenken darf, dann ist Mallorca ein Proll-Paradies für alkoholisierte Urlaube. Wenn man anderen Stimmen folgt, dann ist «Wetten, dass..?» eine Massenfernsehsendung mit oberflächlicher Unterhaltung. Wenn sich beides dann einmal im Jahr in der ehemaligen Stierkampfarena Coliseo Balear paart, dürfte es nach diesen Einschätzungen kaum verwundern, dass das Publikum dort am besten über Cindy aus Marzahn und Paul Panzer lachen sowie am lautesten bei Jürgen Drews und Micky Krause mitsingen mochte. Zwischendrin versuchte sich der wie immer farblose und jeden Moment auf seine Auswechslung zu warten scheinende Markus Lanz um Balance zu bemühen.

Doch bevor es am Samstagabend so weit kommen konnte, musste der bipolare Tross aus Unterhaltern und zu Unterhaltenden erst einmal aus Deutschland auf die liebste Ferieninsel des Landes, die komischerweise immer noch nicht zum Land gehört, übersiedeln. Während das Team von Europas größter Fernsehshow diese Touren schon seit 1999 gewohnt und deshalb eingespielt ist, hatten die meist touristischen Zuschauer schon größere Mühen. Bereits am Freitagabend war auf dem Flughafen von Palma de Mallorca eine Schlange vor dem Air Berlin-Informationsschalter zu sehen. Die Fluggesellschaft organisierte auch diesmal wieder zusammen mit dem ZDF extra Reisepakete, in denen Flüge, Hotelaufenthalt und Transfer zwischen Hotel und Arena plus Tickets für die Show enthalten waren. Trotz der relativ hohen Preise war besagte Schlange recht lang. Leute, die am Samstag kurz vor der Sendung in der Innenstadt noch schnell am Bankautomat Geld abhoben, dann irgendetwas halb Unverständliches mit „Coliseo Balear! Da unten steht´s doch!“ riefen, daraufhin in ihr Mietauto sprangen und in die falsche Richtung zum Gastspielort des ZDF-Wanderzirkus losdonnerten, waren jedoch ebenso auszumachen. Manche nutzen wiederum die guten Busverbindungen in Palma. Wie auch immer die Zuschauer letztendlich zum Ort des Geschehens gelangten, bot sich ihnen allen hier dasselbe Bild: Eine zwischen Wohnhäusern versteckte Arena, Massenaufläufe an der Einlasskontrolle und Ticketverschacherung vor den Toren. Deutsche wie Mallorquiner versuchten in letzter Minute begehrte Eintrittskarten zu Dumpingpreisen an den Mann oder die Frau zu bringen, der oder die noch unbedingt in die Show wollte, aber den offiziellen Verkauf vor Ort oder das Auslosungsverfahren im Internet verpasst hatte. So war mit etwas Glück durchaus für 20 Euro ein Ticket zu kriegen, welches im Normalfall über 50 gekostet hätte.

Wer ins Arena-Gelände hineinkam, wurde zunächst mit Sitzunterlagen für die harten Steinränge im Gebäude und Knicklichtern für den Musik-Act von Passenger versorgt. Für das große oder kleine Geschäft vor oder während der Sendung waren so viele Toilettenhäuschen auf das Gelände gebracht worden, dass sie fast die langen Übertragungswagen des ZDF verdeckten. Benötigt wurden stille Örtchen, die bei jeder Fernsehsendung ein großes Thema hinter den Kulissen sind, tatsächlich: Zum einen liefen schon während des ersten Drittels der Sendung die ersten Herren hinaus, die von einer Dame mit dem Kommentar "Ihr habt aber ´ne schwache Blase!" bedacht wurden und zum anderen förderte der Getränkeverkauf in der Arena bei Vielen den Harndrang. Neben Flüssigem wurden auch gute, deutsche Bratwürstchen zu einem Wahnsinnspreis von vier Euro angeboten. Da fragte man sich nicht nur, ob das ZDF mit einem Teil der Rundfunkabgaben diesen Preis hätte vergünstigen können, sondern glaubte dann endlich auch zu wissen, wieso gewisse Personen vorher den Bankautomaten konsultierten. Nach wirren Platzeinweisungen und dem Erstaunen über das Ausbleiben des typischen Erstaunens, dass eine aus dem Fernsehen bekannte Bühne in natura viel kleiner aussieht, brach schließlich Jürgen Drews die Dämme der kleinen Ärgernisse.

Der König von Mallorca war nämlich, ebenso wie Teile des Queen-Musicals, für das Warm-up zuständig und heizte mit seinen bekanntesten Schlagern ein. Überdies erzählte er, wie er 1999 bei der ersten Mallorca-Sendung von Thomas Gottschalk seinen falschen Adelstitel zugeschanzt bekommen hatte. Ach ja, der Thommy! Da war er schon wieder im Gedächtnis der Leute und einige Zuschauer im Coliseo Balear schauten wehmütigen Blickes auf die Rundbühne. Das waren noch Zeiten als der große Matador der Samstagabendunterhaltung hier früher auflief! Kein Vergleich mit diesem Torero-Schüler Lanz. Wie Jürgen Drews da so mit seinem weißen Anzug, den langen, wenn auch nicht blond-gelockten, Haaren und einer netten Interaktion mit dem Publikum zu bewundern war, hätte er viel besser Gottschalk-Nachfolger werden können. Sein durchaus charmanter Witz „Ich bin schon richtig aufgeregt, dass ich gleich im Fernsehen bin...!“, der umgehend gut in der Arena ankam, trug das Übrige zu diesem Eindruck bei. Aus den Träumereien wurden die Zuschauer allerdings unwirsch gerissen, als der eigentliche Warm-Upper in die Manege kam. Auch so ein Negativaspekt der Lanz-Ära! Weil das Urlauberpublikum aber eh halbwegs guter Stimmung war und auch nicht mehr viel Zeit für viel Überflüssiges Animieren blieb, war dieser Teil des Abends dennoch erträglich. Lediglich dass der Animateur – und diesen Beruf gibt es auf Mallorca ja zuhauf – darauf hinwies, dass Rauchen verboten sei, obwohl die Zuschauer schon die ganze Zeit selbst vom Rauch der Fackeln am Rand der Manege eingenebelt wurden, wirkte übertrieben.

Zu Beginn der Show spielte Markus Lanz, der zum fünften Mal in Folge bei «Wetten, dass..?» im grauen Dress erschien, kurz auf die baulichen Mängel am Coliseo Balear an. Sah man sich daraufhin mal um, entdeckte man in der Tat schnell viele rostige Geländer und leicht eingerissenes Holzinventar. Einmal spürte man sogar bei einem besonders heftigen Jubel des Publikums ein leichtes Wackeln unter sich. Einen sinnbildlich passenden Ort für «Wetten, dass..?» würde das der ein oder andere Kritiker umschreiben. Tatsächlich aber müssen die Bauherren in der Tat bis zum nächsten Jahr kräftig Hand anlegen, sollte der deutsche Tross dann noch einmal in der Palma-Arena gastieren. Ob dies allerdings der Fall sein wird, ist nicht nur deshalb fraglich, weil die Planung des ZDF eine andere sein könnte, sondern auch, weil man die Zukunft der Sendung nicht kennen kann. Geht es nach dem Moderator und seiner Einschätzung beim Publikum, dauert es nicht mehr lange, bis er ausgewechselt wird. Lanz hielt seine erste Mallorca-Show zwar im äußeren Rahmen gut zusammen, kam aber wieder nicht über sein reines Moderieren hinweg.

Er war keiner der Teile, die das Publikum in der Arena an diesem Samstagabend mitgerissen haben. Zwar waren ihm die Zuschauer anfangs noch, was den Applaus anbelangte, großzügig gestimmt, doch im Verlauf der Show machte sich Unmut unter den Anwesenden breit. Die bekannten Lanz-Phrasen wie etwa „Großer Spaß!“, „Spektakuläre Wette!“ oder „Wir lieben dich alle heiß und innig!“ wurden von manchen Zuschauern, unhörbar für den Gastgeber, höhnisch wiederholt. Ebenso wie die mehr oder minder ernstgemeinte Einschätzung von Lanz durch Paul Panzer als „Weltklasse-Moderator“. Schon besser gehört haben dürfte Lanz, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, den lauteren Ausruf „Laber! Scheiß drauf!“, der von den Rängen ertönte, als er zu lange mit Michelle Hunziker über ihren neuen Mann und das bald kommende Kind sprach. Diesem Ausruf wurde dann wiederum ein paar Sitze weiter mit „Ballermann!“ entgegnet, was nun einmal eine doppeldeutige Sache in Palma de Mallorca ist. Der Gastgeber schien es also geschafft zu haben, einen im Grunde launigen Sommerabend, den er auch selbst als solchen bezeichnete, an einigen Stellen unnötig in die Länge zu ziehen.

Kein Wunder, dass gegen 22 Uhr zum ersten Mal aus dem Munde einer Frau die Frage „Wie lange geht´s noch?“ kam, ihr Mann antwortete „Stunde bestimmt noch...“ und sie ein gequältes „Echt?“ hinterherschob. Selbst der ehemalige ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner, der neben der Tribüne der Wettkandidaten im Publikum saß, konnte sich hier und da ein Gähnen nicht verkneifen, auch wenn er es nur hinter vorgehaltener Hand dazu kommen ließ. Lediglich die Mitarbeiter der Show liefen aufgeregt wegen Aufbauten und Technik hin und her. Letztere versteckte sich übrigens teilweise, für die TV-Zuschauer unsichtbar, hinter den Holz-Banden der Manege. Außer den Mitarbeitern war es höchstens noch Wettpate Stefan Raab, der etwas agiler wirkte als er während der Musik-Acts belustigt Fotos von sich und seinen Sitznachbarn auf der Wettcouch schoss, die offenbar für sein privates Album gedacht waren. Das Publikum ging nur dann richtig mit, wenn es musikalisch wurde oder die Wettkandidaten aus den Toren der Arena verabschiedet wurden. Ansonsten konnten nur noch die Geissens bei einigen mehr Freude auslösen. Die obligaten Laola-Wellen, die diesmal in ihrer Zahl und Ausdauer begrenzt blieben, sprachen Bände, was die Begeisterung des Publikums vor Ort anbelangt. Vereinzelte Zuschauer gingen zwar fast die ganze Zeit mit, doch die meisten verhielten sich relativ normal und wenige waren sogar mehr nur passiv dabei. Das alles zeigt keinen großen Unterschied zu der Stimmungslage bei normalen Ausgaben, wie etwa der Lanz-Premiere im vergangenen Jahr. Die Umgebung machte den einzig wahren Unterschied: Das alte, runde Gemäuer, der freie Himmel, der Wechsel zwischen Tageslicht und stimmungsvoller Abendbeleuchtung, zwischen warmen Temperaturen bei Sonne und kühleren Werten bei dunklem Himmel.

Nachdem das erste Sommer-«Wetten, dass..?» mit der normalen Abspannmusik und nicht mit dem Hit von einem der anwesenden Musikgäste beendet worden war, verließen einige Zuschauer sehr schnell den Innenraum der Arena und manche blieben noch länger auf ihrem Platz stehen. Sie wirkten leicht verwirrt, so als ob sie nicht genau wissen sollten, was sie nun von alldem zu halten haben. Immerhin konnte man nun endlich wieder stehen und sich die Beine vertreten, denn die Sitzplätze im Coliseo Balear sind nicht nur hart, sondern auch eng bemessen. Draußen strömten nun die Menschenmassen aus dem altehrwürdigen Gebäude heraus und rein in die vielen Shuttlebusse, die die meisten von ihnen in ihre Hotels zurückbrachten. Andere mussten erstmal laufen, denn Linienbusse fahren um nach 23 Uhr von hier aus nicht mehr. Nur wer ein Auto und eine liquide EC-Karte besitzt, war nun ausnahmsweise doch mal etwas im Vorteil. Im Inneren der Arena blieben nicht nur Konfettistreifen, sondern auch leere Trinkbecher, kaputte Knicklichter und viele Sitzunterlagen zurück. Das ZDF-Team begab sich unmittelbar an den Abbau. In den Gängen hinter den Sitzblöcken unterhielten sich noch ein paar Zuschauer; die einen über die Sendung, die anderen über sonstige Begebenheiten aus ihrem bisherigen Urlaub.

Wer sich noch seine Handtasche von Carmen Geiss signieren lassen konnte als die hinausging oder von Markus Lanz, der sich ebenso unauffällig wie seine Gäste aus der Arena verabschiedete, angeschaut und bewinkt wurde, konnte sich glücklich schätzen. Ansonsten schien die Äußerung eines Mannes den Abend adäquat abzuschließen, die sinngemäß so lautete: „Ich habe über 50 Euro für mein Ticket bezahlt. Und was habe ich dafür als Gegenleistung zurückbekommen? Gut, die Show, ja, aber sonst...?“ Gut, die Show, die ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Das merkt man an der einst so gloriosen Sommerausgabe besonders. «Wetten, dass..?» war an diesem Abend im Juni 2013 für den Durchschnittszuschauer in seinem Mallorca-Urlaub nicht mehr und nicht weniger als das, was Markus Lanz bereits seit Oktober 2012 für die Show ist: Einfach nettes Beiwerk.

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