Hingeschaut

Frau Chelsea Harper

von

ProSieben zeigt seit Dienstag die neue Sitcom «Are you there, Chelsea»: 1B-Ware, die durch ungewöhnlichen Mut besticht.

Spannend, was sich dieser Tage im deutschen Fernsehen tut: In Folge des unglaublichen Sitcom-Booms («The Big Bang Theory» läuft besser denn je, «Two and a Half Men» ist weiterhin ein Hit und «How I Met Your Mother» hat vermutlich die besten Zeiten noch vor sich), schafft es nun auch die 1B-Ware aus Amerika auf relativ prominente Sendeplätze. ProSieben beispielsweise wird bald drei Abende in der Woche mit Sitcoms eröffnen und braucht deshalb dringend Nachschub. Fraglich ist aber, ob auch qualitativ nicht ganz so gute Formate sich hierzulande ordentlich präsentieren werden.

Im Drama-Bereich hatte auch nicht jede US-Produktion die Qualität der ersten «Desperate Housewives»-Staffeln und dennoch gab es einige 0815-Formate, die sich zu Boom-Zeiten recht ordentlich schlugen. ProSieben versucht es am Comedy-Dienstag nun mit den beiden recht kurzlebigen US-Formaten «Apartment 23» und «Are you there, Chelsea». Letztere fand ihr Ende vor gut einem Jahr in Amerika – nach nur zwölf Folgen.

Die Serie handelt von der Kellnerin Chelsea, ein Frau gewordener Charlie Harper. Chelsea hat jede Menge Spaß an ihrem Leben, bis sie wegen Trunkenheit am Steuer im Knast landet und ihren Lebensstil eigentlich überdenken möchte. Doch den guten Vorsätzen kann sie nicht lange treu bleiben. Die Story basiert in Grundzügen übrigens auf dem Leben einer amerikanischen Komikerin – das aber nur nebenbei. Die Autoren haben nämlich dafür gesorgt, dass man genügend Feeling von «Two and a Half Men» hinbekommt.

Und das ist komischerweise genau der Casus Knacksus an dem Format. Wer will eine weibliche Hauptfigur sehen, die sich so verhält wie es nur Mr. Harper in den besten Folgen getan hat? Wie wirkt das auf das Publikum? Die Sitcom spricht von ihrem Grundton zunächst ein eher etwas weiblicheres Publikum an – Männer könnten sich ob der sehr direkten Art und Weise der Hauptfiguren durchaus abgeschreckt fühlen. Und ob es Frauen wirklich gefällt, wenn eine von ihnen derart vulgär über Sex spricht, ist wohl auch eher zweifelhaft. Vermutlich war das genau einer der Gründe, warum das Format in Amerika keine drei Monate alt wurde.

Die Protagonistin ist also tough, geraderaus und überdies gerne mal für einen Schnaps zu viel zu haben. Ein klassisches Frauenbild sieht anders aus. Chelsea hat auch ihre guten Seiten – ohne Frage – nur kommen diese zaghaft und vorsichtig zum Vorschein. Das mag eine mutige und tolle Erzählweise sein – zumindest Amerika war für diese in einer 22 Minuten langen Sitcom aber noch nicht bereit. Sätze wie „Oh mein Gott, wie willst du flach gelegt werden“ oder „Oh, sie sollte dringend gevögelt werden“ reihen sich an den anderen – und natürlich darf im Piloten der Klassiker – Sex mit einem rothaarigen Mann – nicht fehlen.

Durchaus ulkig ist die Mischung der Mädels WG, bestehend aus der freizügigen Chelsea, ihrer besten Freundin, die ihr in Sachen Offenheit in Nichts nachsteht und einem Dummchen, das gar nicht stupide genug gezeichnet werden konnte.

Das Ganze bekommt im Verlaufe einer Folge dann durchaus seinen Reiz – einige One-Liner sitzen nämlich treffend, sodass man nicht behaupten vermag, Ausschussware aus den USA serviert zu bekommen. Das komplette Setting ist in sich aber bei Weitem nicht so stimmig bei den Marktführern im Bereich Sitcom. «Are you there, Chelsea» ist mutig und anders – und «Two and a Half Men» dann doch ähnlich. Und so bleibt die Bilanz: Nett ist im heutigen TV-Business einfach nicht genug. Spannend ist nur, ob Deutschland in diesem Punkt vielleicht weiter ist als Amerika und die kurzlebige Sitcom in ihren sechs Wochen On Air zumindest mit ordentlichen Quoten belohnt.

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