Die Kritiker

«Spuren des Bösen - Racheengel»

von  |  Quelle: Inhalt: ZDF

Heino Ferch geht als stummer Ermittler wieder auf Verbrecherjagd – diesmal im geistlichen Milieu.

Inhalt


Ein verzweifelter junger Mann, Sebastian Ulmer, flüchtet, von der Polizei verfolgt, durch die Wiener Innenstadt. In einer Buchhandlung bringt er Geiseln in seine Gewalt, unter ihnen Kriminalpsychologe Richard Brock. Brock versucht Ulmer zur Aufgabe zu überreden, doch dieser nimmt sich, der Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst, das Leben. Getrieben von Schuldgefühlen, versucht Brock der Ursache des Dramas auf die Spur zu kommen. Brock stößt auf den Geistlichen Josef Bacher, der ihm zu verstehen gibt, dass Sebastian Ulmer großes Unrecht angetan wurde. Als sein Beichtvater darf er aber dieses Geheimnis nicht lüften. Brock findet heraus, dass Sebastian Ulmer bereits im Alter von neun Jahren einen Suizidversuch unternahm und jetzt bei der Polizei aussagen wollte, was damals geschah. Deshalb wohl auch der Versuch, ihn zu diskreditieren, ihn mundtot zu machen. Richard Brock taucht tief in das Universum von Sebastian Ulmers sehr katholischer Familie ein. Als Eva Ulmer, Sebastians verzweifelte Mutter, Josef Bacher in einem Akt der Selbstjustiz ermorden will, eskaliert die Situation noch weiter.

Darsteller


Heino Ferch («Der Baader Meinhof Komplex», «Das Adlon») als Richard Brock
Hannelore Elsner («Die Kommissarin», «Jesus liebt mich») als Eva Ulmer
Friedrich von Thun («Die Verbrechen des Professor Capellari», «Hochzeiten») als Karl Ulmer
Ursula Strauss («Vielleicht in einem anderen Leben», «Schnell ermittelt») als Maria Ulmer
Juergen Maurer («Das Wunder von Kärnten») als Gerhard Messek
Sabrina Reiter («In 3 Tagen bist du tot», «Braunschlag») als Petra Brock
Florian Teichtmeister («Vermisst») als Sebastian Ulmer

Kritik


Und dann ist da ein tödlicher Schuss. Selbstmord. Gerade noch hat Sebastian Ulmer als flüchtiger Verbrecher mehrere Menschen als Geiseln in einer Buchhandlung genommen, dann erschießt er sich vor den Augen seiner Gefangenen. Unter ihnen: Richard Brock, Kriminalpsychologe und Dozent in der Polizeiausbildung. Er redet auf den labilen Ulmer ein, ruhig und gelassen. Wüsste man es als Zuschauer nicht selbst, würde man glauben, Ulmer sei der Gefangene und Brock der Täter. Unerwartet fällt der Schuss – und das Ende des Selbstmörders markiert den Anfang eines komplexen Falls für Richard Brock, der sich tief in die Seele seines Geiselnehmers einarbeiten muss, um der Wahrheit näher zu kommen.

«Racheengel» ist Heino Ferchs zweiter Fall in der Rolle des einsamen, verschlossenen Kriminalpsychologen Brock. Sein erster Auftrag lockte vor einem Jahr knapp 5,5 Millionen Zuschauer an, nun soll eine lose Fernsehfilm-Reihe entstehen: Teil drei ist schon abgedreht, vier und fünf sind in Vorbereitung. Klassische Krimi-Motive finden sich in den «Spuren des Bösen» aber wenig.

Eher sind die Filme graue Charakterstudien der Täter, aber besonders von Richard Brock selbst, der auf eigene Faust ermittelt und sich niemandem öffnet. Sein Grundsatz: „Ich möchte nicht darüber reden.“ Als seine Tochter ein persönliches, intimes Gespräch führen will, blockt Brock ab – und dreht die Unterredung um, nimmt die Tochter ins Verhör, spannt sie ein. Es geht einzig und allein um die Aufklärung des Falls. Der Zuschauer aber weiß: Eigentlich braucht Brock selbst Hilfe. Die Kriminalarbeit scheint nur die Flucht vor dem kaputten Ich. „Leider gibt es überhaupt keinen Fall Ulmer, es gibt höchstens einen Fall Brock“, sagt einmal Kommissar Messek, der sich über die Einmischung Brocks in seine Arbeit ärgert.

Dass der Film aufwühlt und mitnimmt, liegt zunächst an den großartigen Schauspielern. Hannelore Elsner und Friedrich von Thun wirken als Eltern des Selbstmörders wie aus der Welt gefallen, sind in ihren Rollen kaum wiederzuerkennen. Gleiches gilt für Heino Ferch, dem manchmal immer noch das Image des glatten Helden aus historischen Fernseh-Zweiteilern anheftet. In «Spuren des Bösen» spielt Ferch so minimalistisch und geradlinig, dass es erschaudern lässt. Als Zuschauer wartet man permanent darauf, dass der innerlich brodelnde Vulkan Brock in jeder Sekunde explodiert. Das zurückgenommene Spiel der Protagonisten ist selbstverständlich auch ein Verdienst des Regisseurs Andreas Prochaska, der bereits den ersten Fall Brocks meisterlich inszenierte.

Ebenfalls zurückgekehrt ist David Slama an der Kamera. Die Bilder, die Slama erzeugt, zeichnen eine verstörende Atmosphäre des tristen Wien; teils wackelt die Kamera, selten stark, mal leicht. Einige Einstellungen kommen aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, oftmals porträtiert Slama die Darsteller in entwaffnenden Großaufnahmen. Nur selten bricht man mit den kühlen Bildern grau-in-grau. Die musikalische Untermalung – dicht, aber sehr zurückhaltend, teilweise nur aus repetitiven Geräuschen bestehend – intensiviert das Fernseherlebnis.

Besonders brisant ist dieser Fall, da Brock im geistlichen Milieu ermitteln muss. Die Spur führt zu einem Generalvikar, der den vermeintlich pädophilen Selbstmörder Ulmer gut kannte. Auch hier rüttelt Brock, der überzeugte Atheist, nicht an sich selbst. Philosophische Grundfragen („Glauben Sie an Gott?“) beantwortet der Kriminalist kühl und verschlossen, ohne Überlegung und Selbstreflexion angesichts des Mordfalls. Und nur einmal huscht Brock ein leises, ungekünsteltes Lächeln über das Gesicht – beim morgendlichen Jogging mit seiner Tochter: „Also was ist jetzt? Willst du plaudern oder laufen?“, fragt sie rhetorisch, als Brock wieder beginnt, über den Fall zu reden. Jetzt darf – oder muss – er mal abschalten. Die Gedankenarbeit steht für kurze Zeit still.

Ein unangenehmer, depressiver, herausfordernder Film. Und ein herausragender.

«Spuren des Bösen – Racheengel» läuft am Dienstag um 20.15 Uhr im ZDF.

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