Kino

Tops und Flops der 85. Oscar-Nominierungen

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Die größten Ärgernisse und die freudigsten Überraschungen unter den diesjährigen Nominierungen für die Academy Awards.

Die Oscar-Nominierungen stehen fest, und wir alle hatten nun genug Zeit, diese Flut an Informationen sacken zu lassen. «Lincoln» ist mit zwölf Nennungen also Spitzenreiter, in der Kategorie für die beste Hauptdarstellerin kämpfen die jüngste und älteste Schauspielnominierte ums Gold und deutsche Medien werden in den kommenden Wochen gewiss nicht müde, die österreichischen Nominierungen der Bundesrepublik anrechnen zu wollen. Kurzum: Wir wissen jetzt, was Oscar-Fakt ist. Aber was hätte stattdessen passieren müssen und worüber dürfen wir uns am meisten freuen?

Nachfolgend finden Sie fünf Höhepunkte sowie fünf Tiefpunkte der diesjährigen Oscar-Nominierungen.

Fünf Nominierungen, die hätten sein sollen:

1.: Ben Affleck in der Kategorie „Beste Regie“


Dass Ben Affleck für die Inszenierung des siebenfach Oscar-nominierten Kritikerlieblings «Argo» keine Nennung in der Regie-Kategorie erhielt, ist der größte Schock unter den diesjährigen Oscar-Nominierungen. «Argo» gehört zu den am meisten geachteten Filmen des Jahres und Affleck wurde unter anderem bei den Golden Globes, den BAFTAs sowie den Preisen der Regisseurgewerkschaft berücksichtigt. Und dennoch blieb dem Schauspieler, der für seine Wandlung zu einem versierten Regisseur gefeiert wird, zum dritten Mal eine Oscar-Nominierung in dieser Kategorie verwehrt.

2.: «Looper» in der Kategorie „Bestes Original-Drehbuch“


Der clevere, in sich erstaunlich plausible und mehrschichtige Sci-Fi-Film «Looper» von Rian Johnston hatte, allein schon aufgrund seines Genres, niemals nennenswerte Oscar-Chancen. Dennoch hätte das Drehbuch mit seinen glaubwürdigen, dramatischen Figuren, seiner detaillierten Konstruktion und der hohen Dramatik eine Oscar-Nominierung vollauf verdient. Die Autorengewerkschaft zumindest sprang über ihren Schatten und nahm den Genrefilm in ihren erlesenen Kreis der Nominierten auf.

3.: «Ziemlich beste Freunde» in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“
Die französische Dramödie schien ein garantierter Kandidat zu sein: Sie begeisterte Kritiker in allen Teilen der Welt und war obendrein ein erstaunlicher Publikumserfolg. Mit über 400 Millionen Dollar weltweitem Einspiel landete sie auf dem 13. Platz der Jahreshitliste 2012 und übertraf unter anderem «Life of Pi», «Snow White and the Huntsman» und «Prometheus».

4.: Javier Bardem in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“


Dass ein Schauspieler für seine Performance in einem Bond-Film eine Oscar-Nominierung erhält, hätte kaum jemand für realistisch gehalten. Doch dann kam «Skyfall» und mit ihm der einschüchternde, erschreckend sympathische und kurzweilige Schurke Silva, gespielt von einem magnetischen Javier Bardem. Herausragende Schurkenrollen sind bei den Oscars gern gesehen, man denke nur an «No Country for Old Men», «Inglourious Basterds» und «The Dark Knight», und mit Nominierungen bei den BAFTAs, den Screen Actors Guild Awards und den Broadcast Film Critics Association Awards im Nacken war die Oscar-Nominierung plötzlich keine undenkbare Vorstellung mehr. Realität sollte sie dennoch nicht werden …

5.: Mehr «Moonrise Kingdom», «The Dark Knight Rises» und «Cloud Atlas»
Es mag zwar geschummelt sein, gleich mehrere sogenannte „Snubs“ zusammenzufassen, aber wenn so viele Einzelleistungen übersehen werden, muss man als Oscar-Beobachter gegebenenfalls was mogeln. Wes Andersons magische Dramödie «Moonrise Kingdom» (Foto) etwa hätte sich wunderbar in die Kategorien „Beste Kamera“, „Bestes Szenenbild“ oder „Beste Kostüme“ eingefügt. Mit einer Drehbuch-Nominierung kam sie jedoch deutlich besser davon als «Cloud Atlas» und «The Dark Knight Rises». Dass diese ambitionierten Produktionen in den großen Kategorien leer ausgehen werden, war zu ahnen, doch dass sie komplett leer ausgehen, erstaunt dann doch. Keine Ton-, Effekt- oder Kamera-Nominierung, kein Szenenbild, keine Musik, nichts. Dafür erhielt der technisch unauffällige «Silver Linings» eine Nominierung für den besten Schnitt. Seltsame Welt.

Fünf freudige Überraschungen

1.: Die Liebe der Academy für «Liebe»


Michael Hanekes Drama «Liebe» hatte einen Ehrenplatz auf nahezu sämtlichen Prognosenzetteln der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ – aber diese Sparte war nicht genug für die herzzerreißende deutsch-österreichische Produktion. Es ist eine Rarität, dass fremdsprachige Filme außerhalb „ihrer“ Kategorie nominiert werden, und «Liebe» gelang es sogleich vier Mal. Zwar wären Siege in den Kategorien für das beste Drehbuch, die beste Hauptdarstellerin, die beste Regie und den besten Film massive Überraschungen, dennoch zeigen die fünf Nominierungen, dass die Academy sehr wohl über den Hollywood-Tellerrand blickt.

2.: Joaquin Phoenix wird trotz Hass auf Preisverleihungen nominiert


Es ist eines der beständigsten Oscar-Vorurteile, dass Schauspielerinnen und Schauspieler nur dann Chancen auf Academy-Award-Nominierungen haben, wenn sie sich bei der Academy einschleimen. Phoenix gab vermehrt lautstark bekannt, dass er Preisverleihungen dämlich findet und ging zudem bei den Screen Actors Guild Awards leer aus, so dass es völlig unerwartet kommt, dass er für seine verlorene Figur aus «The Master» sehr wohl eine Oscar-Nominierung erhielt. Manchmal setzt sich Qualität halt allen Widrigkeiten zum Trotz durch.

3.: Christoph Waltz schafft es in die Nebendarsteller-Kategorie


Für viele Gelegenheitsbeobachter des Oscar-Spektakels dürfte die zweite Nominierung für den österreichischen Charmebolzen keine Überraschung sein. Da aber die Schauspielergewerkschaft keine Nominierungen für Quentin Tarantinos «Django Unchained» aussprach und in der Nebendarsteller-Kategorie Waltz, Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson um die Aufmerksamkeit der stimmberechtigten Zuschauer buhlen, verschwand Waltz vom Radar vieler Oscar-Experten. Er und seine Kollegen würden sich gegenseitig die Stimmen klauen. Falsch gedacht.

4.: Stop-Motion regiert die Animations-Kategorie


Es ist nicht allzu lange her, da prophezeiten Trickfilmliebhaber wehmütig, dass die Kunst des Stop-Motion-Films durch die explodierende Popularität der Computeranimation aussterben wird. Stattdessen fanden dieses Jahr neben Tim Burtons «Frankenweenie», dem momentanen Favoriten in Sachen Awardliebe, auch die ohne große Studiounterstützung umgesetzte Horrorhommage «ParaNorman» und völlig überraschend auch Aardman Animations kurzweiliger Knetspaß «Die Piraten» Einzug ins fünf Filme umfassende Oscarfeld für den besten Animationsfilm.

5.: «Skyfall» wird für die beste Instrumentalmusik nominiert


Actionfilme haben bei den Academy Awards auch abseits der Ton- und Effekt-Sparten Chancen auf Nominierungen, so etwa bei der besten Originalmusik. Actionfilmmusik „muss“ jedoch üblicherweise sehr bombastisch und gerne auch etwas skurril daherkommen, wie etwa Hans Zimmers Kompositionen für «Sherlock Holmes» und «Inception». Dass Thomas Newman für seine geerdete, im besten Sinne altmodische Orchestermusik in «Skyfall» nominiert wurde, passt also absolut nicht ins Academy-Schema – aber da Newman dynamische, kraftvolle Melodien lieferte, ist dagegen nichts zu sagen. Und so bekommt Bond zum 50. Kinojubiläum endlich seine zweite Score-Nominierung (bislang ergatterte nur «Der Spion, der mich liebte» eine Nennung in dieser Kategorie).

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