Hingeschaut

Jetzt Mal im Ernst!

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Nach «Switch Reloaded» und der «heute-show» will sich auch Das Erste mit dem «Ernsten» selbstironisch zeigen. Ob die Pilotausgabe der Polit- und Mediensatire überzeugen konnte, verrät Julian Miller in seiner Rezension.

Man kann Polit- und Mediensatire auf viele Arten machen: So wie «Switch Reloaded», indem man alle dazu einladenden Formate (von Assi bis Hochglanz) überspitzt, überdreht und nachstellt. So wie die «heute-show» mit einem meinungsfreudigen Anchor sowie Autoren und Parodisten, die kein Blatt vor den Mund nehmen und den ganz alltäglichen Wahnsinn in der deutschen Politik und Gesellschaft so bissig kommentieren, wie es gerade noch rechtlich zulässig ist. So wie Benjamin von Stuckrad-Barre in seiner Talk-Show, in die er sich Politiker einlädt und mit ihnen ein Gespräch ohne Netz und doppelten Boden führt.

Oder wie «Das Ernste». Nur wird dann wohl kaum einer lachen.

Man hatte Selbstironie versprochen. Ein Format, in dem sich der aufgeblähte ARD-Apparat mit seinen festgefahrenen Strukturen, seinen manchmal sonderbaren Programmentscheidungen und seinen üppigen finanziellen Mitteln selbst auf die Schippe nehmen wollte. ProSieben und das ZDF haben mit ihren Satire- und Parodiesendungen beweisen können, dass sie auch zu bissiger Selbstironie fähig sind – allzu freundlich kommen einige Sendungen aus dem eigenen Haus bei «Switch Reloaded» schließlich nicht weg. Und auch Formate wie die «heute-show» oder «NeoParadise» sparen nicht an Spitzen gegen die eigene Sendeanstalt.

Beim «Ernsten» beschränkte man sich in der Pilotsendung, die aus Produktionsgründen ohne Aktualitätsbezug auskommen musste, auf einen kurzen Bericht über ein Treffen der ARD-Verantwortlichen auf den Cayman Islands, wo diese ein Sparprogramm beschließen wollten, sowie auf einen kleinen satirischen Denkanstoß, die fünf Polit-Talks des Ersten in einer «Ultimativen Talk-Show» mit sechsstündiger Länge zusammenzufassen, in der sich Will, Jauch, Plasberg, Maischberger und Beckmann im selben Studio die ganze Zeit unterbrechen. Harmlos im Vergleich zu dem, was möglich gewesen wäre.

Die wirklichen Probleme der ARD werden durch eine ins völlig Groteske gehende Überspitzung dermaßen ins Lächerliche gezogen, dass sie jedwede Ernsthaftigkeit verlieren. Damit eine Kritik an der eigenen Institution polemisch zu transportieren, wird schwierig, wenn man alles derart ad Absurdum führt.

Die «heute-show» geht da ganz andere Wege. Wege mit Biss und dem Risiko, auch einmal tatsächlich anzuecken. Nur als Beispiel etwa, wenn Ulrich von Heesen im Rahmen des Berliner Flughafenchaos um den fehlenden Brandschutz konstatiert, dass sich (zum Zeitpunkt der Ausstrahlung) lediglich das Abschiebegefängnis in einem nahezu fertigen Zustand befunden habe. Und dann den Nachsatz anfügt, dass man in deutschen Abschiebegefängnissen ja gerne auf den Brandschutz verzichtet. Sozialkritik, Sarkasmus und Satire – wunderbar vereint. Derartiges gelang dem «Ernsten» nicht einmal im Ansatz.

Es fehlt dem «Ernsten» an Biss, an der lachenden Bitterboshaftigkeit eines Oliver Welke. Stattdessen präsentiert Florian Schröder (Foto) Kalauer über das „Zeugungsverweigerungsrecht“ oder sagt Werbeparodien im Stil von „Senfglas repariert – Senfglas tauscht aus“ an, die schon zu «Wochenshow»-Zeiten vor weit über zehn Jahren absolute Rohrkrepierer gewesen wären.

Wenn es politisch werden soll, kommt ein kleiner Gag über Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers langen Namen, der auf kaum eine Unterschriftenzeile passt. Oder eine Führung von Angela Merkel durch ihr Haus, die stolz ihren Nussknacker präsentieren darf, mit dem sie schon „die Nüsse von Christian Wulff, Roland Koch und Norbert Röttgen geknackt“ habe. Politische Satire war schon mal relevanter. Und bissiger. Und lustiger. Sogar deutlich.

Und an einem solchen Format werkeln die ARD-Anstalten seit der Ankündigung über ein Jahr herum?

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