Fernsehfriedhof

Der Sitcomfriedhof: Wir brauchen mehr nackte Brüste

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Folge 215: Eine Comedyserie, die auf den Spuren von «Tutti Frutti» und «Klimbim» wandern wollte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der „frech-frivolen Comedy-Serie“ aus dem Rokoko.

«Schloss Pompon Rouge» wurde am 15. September 1991 bei RTLplus geboren und entstand zu einer Zeit, als sich der noch junge Fernsehsender zum erfolgreichsten privaten Anbieter entwickelte. Einen wichtigen Anteil an diesem Aufstieg hatten stets auch gewollte Skandale und Grenzüberschreitungen. So sorgte beispielsweise die Strip-Show «Tutti Frutti» mit Hugo Egon Balder ab Januar 1990 für viel Aufsehen und regelmäßig über vier Millionen Zuschauer am späten Sonntagabend. Dass die Show wenig Inhalt hatte und kaum von den meisten Zuschauern verstanden wurde, war egal, denn es gab schließlich stets nackte Brüste zu sehen. An diese Tradition wollte der Kanal dann auch mit einer eigenen Sitcom anschließen, die Comedy mit Erotik zu verbinden versuchte. Offenbar angespornt vom Erfolg von «Tutti Frutti» wuchs die Idee schnell zu einem Großprojekt heran, das ein Budget von 13 Millionen D-Mark für 52 Episoden vorsah, wobei ein erheblicher Anteil auch durch ausländische Geldgeber aufgebracht werden sollte.

Die Serie handelte von einem unbedeutenden, deutschen Rokokohof im 18. Jahrhundert, dessen Bewohner aus Langeweile beschließen, es dem französischen Königshaus gleichzutun und fortan ebenso ausschweifend in Völlerei, Luxus und Verschwendung zu leben. Das piefige deutschen Adelsgut Bommelroth wurde daher in „Pompon Rouge“ umbenannt und die Bewohner Heinrich und Maria verwandelten sich in Henri und Marie-Antoinette. Da die Familie jedoch weder gut französisch sprechen konnte, noch über gutes Benehmen oder große finanzielle Mittel verfügte, fiel das angestrebte Ergebnis stets dürftig aus, woraus sich letztlich die Komik ergeben sollte.

Weil das Produkt aber auch Erotik enthalten musste, tauchten in den mäßig komischen Handlungen immer wieder entblößte Darsteller auf, die mit zweideutigen Anspielungen um sich warfen. Wegen dieser Freizügigkeit und aufgrund eines ähnlich flachen Humors erinnerte das Konzept der Serie sehr an die legendäre Ulk-Show «Klimbim», in der ab 1973 gefühlt jeder Sketch darin gipfelte, dass die Darstellerinnen blank zogen. Konsequenterweise übernahm dann auch «Klimbim»-Star Elisabeth Volkmann die Hauptrolle in der RTL-Sendung und zeigte ihre bekannten Brüste nun im Privatfernsehen.

An ihrer Seite ergänzten die Darsteller Jörg Bräuer, Franz Hermann Hanfstingl, Imo Heite, Stephan Meyer-Kohlhof sowie Kindermoderator und Sänger Ron Williams die Besetzung. Um das Entblößen von Brüsten nicht nur Elisabeth Volkmann zu überlassen, wurde zudem Katja Bienert engagiert, die zuvor in den Sexfilmchen «Schulmädchenreport 13» und «Die nackten Superhexen vom Rio Amore» mitgewirkt hatte.

Mit diesem Konzept und dieser Besetzung begannen im Juni 1990 in den Berliner Union Studios dann die Dreharbeiten. Als erste fertige Folgen jedoch der Sendeleitung präsentiert wurden, war diese wenig begeistert vom Ergebnis. Kritikpunkt waren hierbei weder der fehlende Witz noch das ständige sinnfreie Ausziehen, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Serie zu zaghaft sei. Der verantwortliche Redakteur soll gar die Worte „Schnarchnummer hoch drei“ gewählt haben. Zusätzlich gab es aber auch Differenzen über das Budget, da die eingeplanten Koproduzenten fehlten. Als Resultat wurden die Dreharbeiten nach der Fertigstellung der ersten 22 Ausgaben vorerst gestoppt.

Zur Fortsetzung der Produktion im Januar 1991, erfuhr sie eine komplette Überarbeitung. Bei dieser wurden nicht nur die Anzahl der nackten Brüste noch einmal erhöht und um zahlreiche Liebesszenen zwischen Frauen ergänzt, sondern auch die Inhalte neu ausgerichtet. Nun ging es verstärkt um Impotenz, Sex mit Tieren und Analverkehr. Zusätzlich wurde das ehemalige Playmate Sibylle Rauch als weitere Darstellerin verpflichtet. Sie war durch ihre Auftritte in den «Eis am Stiel»-Filmen und in mehreren Hardcore-Pornos bekannt geworden. Diese Neuausrichtung des Konzepts stieß jedoch bei vielen bisherigen Beteiligten auf Widerstand, weswegen einige Nebendarsteller, der Kameramann, der Regisseur und der bisherige Produzent das Projekt verließen.

Zu diesem Zeitpunkt galt das Vorhaben jedoch schon als verloren, was auch dadurch deutlich wurde, dass lediglich vier Folgen mit dem neuen Konzept entstanden, bevor die Dreharbeiten endgültig eingestellt und die schon vorliegenden Ausgaben noch einmal überarbeitet wurden. Zudem verschob man die Ausstrahlung, die ursprünglich fürs Frühjahr 1991 angekündigt war, um ein halbes Jahr nach hinten und versendete das Format am späten Sonntagabend. Die Resonanz der Presse fiel erwartungsgemäß furchtbar aus. So urteilte der Tagesspiegel „ein Programm unterbietet sich“, während die taz die Sendung gar als die „schlechteste Fernsehserie aller Zeiten“ bezeichnete und hämisch schrieb „Erotik-Klamauk ging in die Hose“. Auch der damalige Senderchef Helmut Thoma ließ kein gutes Haar an ihr und erklärte das Versagen später in einem Interview mit dem SPIEGEL: "«Pompon Rouge» war ein Flop, weil es keine wirkliche Erotikserie war. Wer Elisabeth Volkmann in voller Ausrüstung in die Badewanne setzt, der kann doch von Sex keine Ahnung haben.“

«Schloss Pompon Rouge» wurde am 03.Mai 1992 beerdigt und erreichte ein Alter von 26 Folgen. Die Serie hinterließ die Hauptdarstellerin Elisabeth Volkmann, die dann nur noch vereinzelt Film- und Fernsehengagements erhielt, wobei ihre Rolle in Hape Kerkelings Komödie «Kein Pardon» ein Highlight war. Parallel lieh sie in der deutschen Synchronfassung der «Simpsons» der Figur Marge ihre Stimme, bevor sie im Jahr 2006 verstarb. Sybille Rauchs Karriere geriet ab Mitte der 1990er Jahre ins Stocken. Angeblich liegt ihr derzeit ein Angebot vor, im Januar 2013 an der Dschungelshow «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!» als Kandidatin teilzunehmen.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der deutschen Kopie von «Wer ist hier der Boss?».

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