Sonntagsfragen

Wie echt ist «Undercover Boss», Herr Sapper?

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Sonntagsfragen an einen Undercover Boss: Der Vorstandsvorsitzende der DFH AG, Thomas Sapper, nahm dieses Jahr am RTL-Projekt teil. Im Interview mit uns erklärt Sapper, was sich in seiner Firma verändert hat, wie er die Dreharbeiten mit RTL empfand und wie authentisch er das Format sieht.

Herr Sapper, ein gutes halbes Jahr nach «Undercover Boss»: Was hat sich in Ihrer Firma dank «Undercover Boss» verändert?
«Undercover Boss» trägt zu einem großen Anteil dazu bei, dass die Führungsetage ein ganz anderes Verständnis zur Belegschaft bekommt, da man hautnah erlebt, was die einzelnen Mitarbeiter leisten. Das Verständnis für unsere Mitarbeiter ist nach «Undercover Boss» ein ganz anderes.

Sie sagten damals auch, dass Sie zukünftig so etwas wie einen „Undercover“-Tag für alle Führungspersonen regelmäßig durchführen wollen.
Da sind wir gerade in der Konzeptionsphase. Wir sind gerade dabei einen Schulungsplan einzuleiten, sodass jede Führungskraft einen „Mitarbeiter“-Tag im Jahr einlegen soll, um dann mit den Leuten vor Ort unterwegs zu sein. So waren die ersten beiden Führungskräfte schon draußen und nehmen an einer Pilotphase teil. Wenn das dann durch ist, wird das bei uns fester Bestandteil werden.

Wie kommt man überhaupt auf die Idee sich bei RTL zu bewerben und eine Woche „undercover“ ins eigene Unternehmen zu gehen?
Wir haben mit RTL bereits früher viel gemacht. Die DFH ist Marktführer im Fertigbau für Ein-und Zweifamilienhäuser und das Thema Immobilien eine ganz interessante Sache. Dann bleibt es nicht aus, dass RTL auch hier mal anklopft und fragt: Mensch, könnt ihr euch nicht vorstellen mal mitzumachen? Wir haben spontan gesagt: Ja klar interessiert es uns, unser Unternehmen einmal aus einem ganz anderen Deutungswinkel kennenzulernen.

Lief das problemlos ab oder gab es diesbezüglich Bedenken von anderen Führungsmitgliedern?
Gar nicht. Wir haben die Führungskultur, dass jeder konstruktiv und offen Kritik üben darf und dieser konstruktiven Kritik stellt sich natürlich auch die Führungsmannschaft. Die Berührungsangst der Führungsriege gegenüber «Undercover Boss» war nahezu Null. Ganz im Gegenteil eigentlich.

Das Projekt dauerte fünf Tage an. Wie lange haben Sie täglich mit RTL gedreht?
Das war unterschiedlich. Wir waren einmal morgens ab 6.00 Uhr hier unterwegs, abends sind wir dann nach Frankfurt auf den Flughafen und von dort aus nach Hamburg gereist. Da sind wir dann nachts um 22 oder 23 Uhr angekommen. Das war schon ein ziemlich langer Drehtag. Es gab aber auch den einen oder anderen Drehtag, der nicht so lange dauerte, so waren wir auch mal nur von früh morgens bis nachmittags unterwegs.

Hatten sie Bedenken, dass RTL bei der TV-Ausstrahlung Dinge so zusammenschneiden bzw. darstellen könnte, dass sie zum Nachteil Ihrer Firma hätten angesehen werden können, beispielsweise irgendwelche Mängel in Ihrem Unternehmen, von denen Sie ggf. selbst nichts wussten?
Das war schon eine Sorge, da wir anfänglich gar nicht das Ziel kannten. Ich habe mir damals die «Undercover Boss»-Folge von Burger King angeschaut. Ich wusste dann natürlich nicht, was ist auf der einen Seite wirklich vorgefallen und was wurde auf der anderen Seite vielleicht verkürzt dargestellt. Da habe ich auch intensiv mit RTL drüber gesprochen und gesagt: Was ist eure Intention? Worum geht es euch eigentlich genau? Als mir klar wurde, dass aus dem Format durchaus beide Seiten als Gewinner rausgehen können, habe ich gesagt: Okay, machen wir. Ich war aber trotzdem die ersten Tage sehr kritisch.
Betrachtet man die Zielsetzung des Formats, muss man sich als «Undercover Boss» schon im Vorhinein bewusst sein, dass man dabei als Chef auch mal relativ „doof“ aussieht. Da muss man drüber stehen, dann profitiert nicht nur die Unternehmensführung, sondern auch die Belegschaft davon.

Am letzten Tag Ihrer fünftägigen Mission waren Sie im Hauptsitz in Simmern und dort ist Ihre Verkleidung dann auch aufgeflogen. Da stellte sich für einige die Frage: Wie viele Freiräume lässt RTL, wer sucht die Unternehmen aus und wie klug war es für das Projekt in den Hauptsitz zu gehen und nicht eine andere Möglichkeit zu suchen?
Der Hauptsitz in Simmern ist auch unser Produktionsstandort. Neben der Montage, also den Arbeiten draußen auf der Baustelle, wo Mitarbeiter tätig sind, die mich selten übers Jahr sehen, ist aber natürlich auch unsere Fertigung ein zentraler Arbeitsbereich, der für den Zuschauer interessant ist. Da wir möglichst viele verschiedene Arbeitsschritte abbilden wollten, war ein Tag in der Produktion unerlässlich. Die Mitarbeiter am Produktionsstandort sehen mich allerdings zwei bis drei Mal die Woche. Es war daher auch eine ganze große Befürchtung von mir, in der Produktion erkannt zu werden, da ich seit 15 Jahren im Unternehmen als eine führende Kraft tätig bin und mich die meisten Mitarbeiter somit auch persönlich kennen. Insbesondere meinen Dialekt, den Sie sicherlich unschwer raushören, kennen die Mitarbeiter hier mittlerweile ganz gut. Hier sind wir im Hunsrück und ich habe einen schwäbischen Dialekt.
Da konnte mich das Team der Realisatoren aber beruhigen: Nein, das bekommen wir hin, wir ziehen eine Perücke auf, das geht durch. Und in der Tat: Die Leute sind so konzentriert auf die Kamera, dass ihnen eigentlich gar nicht auffällt, wer da tatsächlich mit Ihnen arbeitet. Das war für mich auch eine ganz interessante Erfahrung; das hätte ich mir nicht so einfach vorgestellt. Die Art der Verkleidung war natürlich auch ganz ordentlich. Die haben richtig aufgerüstet. Hier war eine Special-Effects Maskenbildnerin morgens da, die eine Perücke aufgesetzt hat, sodass das eigentlich ganz gut durchging. Was ja auch interessant war, dass derjenige, mit dem ich direkt zusammenarbeitete, unser Detlef aus der Produktion, gar nicht bemerkt hat. Man merkte im Verlauf des Tages, dass immer mehr Mitarbeiter aufmerksam die Aufnahmen verfolgten und hinter vorgehaltener Hand sagten: Das ist doch der Chef! Mittags um halb drei oder drei kam’s dann auch heraus.

Vielen RTL-Sendungen wird mangelnde Authentizität vorgeworfen, Doku-Soaps wie bspw. „Bauer sucht Frau“ sollen nach Drehbuch ablaufen. Sie als Teilnehmer des Projekts: Wie echt ist «Undercover Boss»?
Sehr echt. Klar, wenn man die gleiche Story zwanzig Mal dreht: Chef geht ins Unternehmen, arbeitet mit den Leuten etc., ähneln sich die Folgen natürlich. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich als Zuschauer fragt: Ja wie, schon wieder das?
Es ist aber ganz klar nicht so, dass hier Dinge reingedreht werden, bei denen das Team die Mitarbeiter auffordert: Mach’s mal so oder so. Es ist so, dass die Mitarbeiter einfach arbeiten und die Kamera läuft mit. Wo RTL nachjustiert, ist bei der Fragestellung. An jedem Tag haben Sie noch einen abschließenden Dreh dabei, wo die Redakteurin gezielt nachfragt: War das anstrengend für Sie, wie fühlen Sie sich? Da wird schon gezielt nachgefragt, so bekommt der Zuschauer aber auch die Chance, an der Gefühlswelt der Akteure teilzuhaben, was ich sehr wichtig finde.

Wie Sie eben schon gesagt haben: Die Folgen des Formats sind sehr austauschbar. Wie lange ist «Undercover Boss» noch im Fernsehen zu halten? Wie lange werden die Zuschauer auf das Konzept noch anspringen?
Aus meiner Sicht als Zuschauer, würde ich mir schon Modifikationen wünschen. Aber um diese Frage zu beantworten, bin ich sicherlich nicht der richtige Ansprechpartner. Schließlich bin ich kein Redakteur, sondern mein Fachgebiet ist die Herstellung und der Vertrieb von Fertighäusern.

Nichtsdestotrotz: «Undercover Boss» war und ist ein Hit im RTL-Programm. Viele Menschen haben durch die Ausstrahlung vermutlich auch das erste Mal ihr Unternehmen kennengelernt. Wie hat sich das Projekt aus wirtschaftlicher Sicht auf ihr Unternehmen ausgewirkt?
Klar, über so etwas erlangt man ganz automatisch Bekanntheit. Da wir aber der größte Hersteller von Fertighäusern sind, sind wir aber eigentlich auch schon bekannt. Aber es birgt auch Nachteile: ein Stück weit wird die mediale Präsenz von den Kunden zu deren Vorteil genutzt. Ein Beispiel: Wenn ein Kunde beispielsweise nach acht Jahren berichtet: Das Fenster klemmt, so müsste unsere Antwort eigentlich lauten: die Gewährleistung hierfür ist leider nach fünf Jahren abgelaufen. Seit «Undercover Boss» kommt nun auch mal die Antwort von Kundenseite: Ja, der "Undercover Boss" sollte aber wissen, dass wir nach acht Jahren auch mal einen Kundendienst vorbeischicken müssen. In solchen Situationen entscheiden Sie dann in aller Regel gegen das Unternehmen, um zu vermeiden, dass es heißt: Schaut mal, der "Undercover Boss“ interessiert sich gar nicht für uns.

Wie unterhaltsam stufen Sie persönlich «Undercover Boss» ein? Ist es stellenweise nicht unnötig überdramatisiert?
Nein, das glaube ich nicht. Überdramatisiert hieße ja, dass einer das Heft in die Hand nehmen und sagt: Wir machen jetzt einen Drehplan und machen Dinge, die dann überzogen werden. Es wird natürlich schon das Witzigste des Tages rausgeschnitten. Ich weiß noch als ich auf dem Dach stand. Am Anfang war das alles relativ langweilig, weil ich da noch gut mitgehalten haben, und wenn dann die Kräfte am Nachmittag nachlassen – weil Sie es nicht gewohnt sind – sind Sie dann auch in der Berichterstattung mit dabei, wie Sie dann schwitzend auf dem Dach stehen und sich nicht mehr bewegen können. Ich finde aber, gerade das ist eigentlich das Spannende: Zu sehen, wo der Chef versagt. Dem müssen Sie sich auch stellen, da müssen Sie drüberstehen.

Wenn Sie einmal alle Aspekte berücksichtigen: Können Sie die Teilnahme an «Undercover Boss» auch anderen Firmen zu empfehlen?
Ja, ich glaube, wenn sich die Geschäftsführung der Kritik offen stellen möchte und das Unternehmen aus einem ganz anderen Blickwinkel kennenlernen möchte, ist das mit Sicherheit eine ganz gute Chance. Denn wenn Sie als Chef ins Unternehmen reingehen, sind Sie immer der Chef. Gehen Sie als Praktikant ins Unternehmen, sind Sie der Praktikant und lernen aus Praktikantensicht eine ganze neue Welt kennen.

Thomas Sapper, Vorstandsvorsitzender der DFH AG, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Bitteschön.

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