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Die deutsche Serie ist wieder da – oder doch nicht?

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Der dritte Teil des Quotenmeter.de-Serienspecials beleuchtet eine bedeutende Trendwende innerhalb der deutschen Serienlandschaft. Hatte diese bereits den Ruf weg, eher unbedeutend zu sein, begann man plötzlich, sich an erfolgversprechenden US-Formaten zu orientieren. Man beobachtete, kupferte ab – und flog auf die Nase. Mehrfach! Doch schaut man genauer hin, findet man auch kleine Perlen unter Deutschlands Serien, die mit ihrer Strategie doch durchaus richtig gefahren sind.

Der deutsche Serienmarkt steckt in der Krise. Sagt man. Der US-Markt hingegen boomt. Sagt man. Ist dem wirklich so? Macht der Erfolg von Sitcoms wie «Two and a Half Men» oder Dramaserien wie «Grey's Anatomy» schon ein ganzes Image aus? Und darf man Flops wie «Dr. Molly und Karl», «Klinik am Alex» und «Lasko» vor große Erfolge wie «Danni Lowinski» stellen, nur um das angeschlagene deutsche Serienimage nicht zu verbessern? Eine Analyse.

Bislang war das deutsche Serienfernsehen hauptsächlich für gediegene, seichte Abendunterhaltung bekannt. Produktive Formate wie die «Lindenstraße», «Forsthaus Falkenau» oder «Der Landarzt» (Foto) laufen teilweise bereits in der 19. Staffel – doch Notiz davon nimmt keiner. Für Kritiker sind sie uninteressant geworden. Sprechen sie doch vornehmlich die ältere Fernsehgeneration jenseits der 60 an. Dass sie erfolgreich sind, steht außer Frage. Doch ihnen fehlt das Prestige, welches der deutsche Serienmarkt braucht, um es ernsthaft mit dem internationalen aufzunehmen. Man ist schmerzlich auf der Suche nach kreativen Ideen, vermisst Schauspieler, die eins mit ihrer Rolle werden, wie es ein Hugh Laurie in «Dr. House» vormacht – um nur eines von vielen Beispielen zu nennen. So begnügt man sich mit Serien, die über Jahre hinweg ohne Tiefgang dahinplätschern. Dass sie es so niemals in die Primetime schaffen, ist selbstredend. Ebenso die Tatsache, dass man derartige Sendekonzepte keineswegs international vermarkten könnte.

Ein ähnliches Beispiel ist der «Tatort». Die seit 1970 ausgestrahlte Krimireihe ist aus dem deutschen Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Sie liefert allwöchentliche Spitzenquoten und gilt bei Zuschauern aller Zielgruppen als feste Bank im Wochenprogramm. Doch kaum kommen die Macher hinter dem Format mit neuen, frischen Ideen daher, geht ein Aufschrei durch die Fan- und Kritikergemeinde. Erst kürzlich verband man das alteingesessene Format mit dem Trend „Social Media“. Was folgte, waren teils verächtliche Stimmen seitens des Publikums, mit diesem Schachzug in die falsche Richtung gesteuert zu sein, da man viele Zuschauer der älteren Generation vergrault hätte. Ebenso verhält es sich mit Folgen, die aus dem üblichen Krimischema ausbrechen und sowohl in andere Genres überlappen, als auch thematisch kritischere Themen ansprechen, anstatt sich lediglich des obligatorischen Mordfalls anzunehmen. Dies hat zur Folge, dass die Experimentierfreudigkeit der Macher abnimmt, die Reihe in ihrem üblichen Trott daherkommt und nur allzu selten aus diesem ausbricht. In den USA zeigt man sich weitaus risikobereiter und widmet einigen Folgen gewisser Formate sogar ganz eigenständige Oberthemen.

Diese ebenso unterschiedlichen wie unauffälligen Unterhaltungssparten machten lange Zeit den Großteil der Serienlandschaft hierzulande aus. Bis eine Trendwende kam und man sich entschied, mutiger zu werden. Man blickte über den großen Teich und begann, sich am internationalen Geschmack zu orientieren. Das Risiko bestand darin, ab sofort zu adaptieren, anstatt nur noch einzukaufen. Und es schien in der Anfangsphase tatsächlich zu funktionieren. Als man 1996 mit der Ausstrahlung des RTL-Dauerbrenners «Alarm für Cobra 11» begann, traute sich zunächst niemand, wirklich an einen Erfolg zu glauben. Heute, ganze 16 Jahre später, befindet sich die Actionserie schlechthin bereits in der 16. Produktionsstaffel. Ausschlaggebend für den Erfolg sind simple Faktoren. Mit «Cobra 11» startete RTL zunächst konkurrenzlos. Ein derartiges Format, das zu 90 Prozent aus eindrucksvollen Explosionen und Verfolgungsjagden bestand, gab es zuvor nicht. Hinzu kam, dass man auf Darsteller baute, die mit anderen Serien vorab nicht in Verbindung gebracht werden konnten. Man lernte sie kennen als „Die Autobahnpolizei“, wodurch sie automatisch mehr mit der Serie zusammenwuchsen, dementsprechend glaubwürdiger wurden und trotz der doch seichten Storyplots zu so etwas wie Charakterdarstellern wurden. Als das Format sich bereits derart etabliert hatte, dass sogar ein Schauspielerwechsel unter den Protagonisten dem Erfolg nichts mehr anhaben konnte, war endgültig besiegelt, dass sich der Mut des Senders rentiert hatte.

Doch anstatt sich Schritt für Schritt an die Thematik der Serienadaption heranzutasten, fuhr man mit 1:1-Kopien ausländischer Formate erst einmal ordentlich gegen die Wand. Die bemühte Nachahmung des Dramedy-Erfolgsformats «Sex and the City», die hierzulande unter «Alles außer Sex» (Foto) lief und von ProSieben selbst produziert wurde, holte im Laufe der zweiten Staffel nicht einmal mehr zweistellige Marktanteile. Man verschob die letzten beiden Folgen auf den unbequemen Sonntagnachmittag und damit raus aus der samstäglichen Primetime. Ebenso verhielt es sich mit der fast schon dreisten Variante der BBC-Programmierer-Sitcom «The IT-Crowd», die mit Sky Du Mont in der Hauptrolle und unter dem Titel «Das iTeam – Die Jungs an der Maus» einen der Sendertiefpunkte von Sat.1 markierte. Auch der Drama-Serie «Bis in die Spitzen», die auf der britischen Serie «Cutting it» basierte, wiederfuhr dasselbe Schicksal in Form von Desinteresse. Und sogar der Kritikerliebling «Stromberg», das deutschen Pendant zu «The Office», konnte hierzulande zwar eine beachtliche Fanbase um sich scharen, sorgte trotzdem nicht für Einschaltquoten im US-Stil und galt eher als qualitativer Geheimtipp, denn als Quotengarant.

So fuhr man wieder einen Gang zurück und ließ das Abkupfern vorerst gänzlich. Stattdessen ergründete man den Hype um die großen Vorbilder anhand von verschiedenen Erfolgsbausteinen.

Besonders dadurch, dass man langsam aber sicher zu realisieren schien, dass ein beachtlicher Anteil des Serienerfolges von der passenden Besetzung abhing, begann man nun explizit, sich gerade derer zu widmen. Auf der einen Seite musste die Hauptfigur ein Darsteller sein, der durch eine bereits gespielte Rolle nicht zu sehr mit einem anderen Format in Verbindung gebracht werden durfte. Gleichzeitig sollte man schon von ihm oder ihr gehört haben, um mithilfe des bekannten Gesichts vorab den Bekanntheitsgrad der Serie zu erhöhen. Was ein Hugh Laurie für «Dr. House», ein Joshua Jackson für «Fringe» oder eine Sarah Jessica Parker für «Sex and the City» war, wurden eine Diana Amft für «Doctor’s Diary» (Foto), ein Christoph M. Orth für «Edel & Starck» oder eine Annette Frier für «Danni Lowinski». Bekannte Gesichter. Unverbrauchte Darsteller, die man durchaus bereits in der einen oder anderen TV-Produktion gesehen haben dürfte, aber nie wirklich mit einer bestimmten Rolle assoziiert wurden.

Auch bei der Genrefindung wurde man zunehmend amerikanischer. Man wollte weg von den klischeedeutschen Heimatgeschichten, von der Idylle, dem monotonen Polizeialltag und der vorhersehbaren Szenerie. All das, was anderswo zu funktionieren schien, sollte man ab sofort auch in eigenproduzierten Formaten finden. Die kesse Mann-Frau-Thematik wie man sie früher aus «Ally McBeal» oder heute aus «Castle» kennt, fand man schnell in «Edel & Starck» oder «Mit Herz und Handschellen» wieder. Das erfolgversprechende Krankenhaus-Setting wurde mit dieser Thematik verknüpft und eindrucksvoll in «Doctor’s Diary» zusammengefügt. Die Serie «Countdown – Die Jagd beginnt» verband das schnelle US-amerikanische Grundtempo und eine stylische Schnitttechnik damit, ebenfalls auf ein gemischtes Ermittlerduo zu setzen, das mit kleinen Reibereien untereinander die Prise Leichtigkeit in die Serie brachte. Trotzdem baute man dabei zunehmend auf nicht zimperliche Thematiken, Schießereien und Explosionen. Das Resultat: die Erkenntnis, dass man damit den Nerv der Zuschauer traf. Über vier Millionen Zuschauer sahen 2009 die Pilotepisode. Und der Trend sollte sich halten – zunächst.

Plötzlich schossen sie aus dem Boden: eigenproduzierte, deutsche Serien. Sie orientierten sich an den US-Vorbildern, beinhalteten vielversprechende Attribute, die andernorts für den Erfolg verantwortlich gemacht wurden. Teilweise wurde man sogar noch mutiger und setzte auf Konzepte, die man so selbst außerhalb deutscher Landen noch nie gesehen hatte. An den zwei eindrucksvollsten Beispielen «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» – aktuell wohl die Paradebeispiele für qualitatives, deutsches Serienfernsehen – zeigt sich besonders, dass es nicht alle erfolgversprechenden Faktoren für die Anerkennung der Zuschauer braucht. Mit perfekt besetzten Haupt- und Nebendarstellern und schlichtweg neuem Stoff schaffte man es, sich auch zwischen der US-Konkurrenz zu etablieren.

Doch leider sollte gerade dieser neue Serien-Boom nur wenigen vergönnt werden. Denn das mittlerweile zwar aufgeschlossenere, aber umso kritischere Publikum ließ nicht nur «Countdown» allzu schnell fallen. Auf den Höhenflug folgte die Talfahrt. Auf die Talfahrt die Absetzung. Und so zog es sich durch das gesamte Fernsehprogramm. «Lasko», «Die Draufgänger» oder «Klinik am Alex» – sie alle vermochten in der kleinlauten Serienrevolution der deutschen Produzenten nicht mitzumischen. Und so bleibt die Frage: Wer ist dafür verantwortlich? Die Produzenten? Die Sender? Oder muss sich Deutschland einfach damit abfinden, dass sich der Serienmarkt niemals gegen die ausländische Konkurrenz durchsetzen wird?

Der Versuch, diese Frage zu beantworten, nächste Woche im vierten und letzten Teil des Quotenmeter.de-Serienspecials.

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