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Image ist alles! Wie steht es um deutsche Serien?

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Der deutsche Serienmarkt steckt in der Krise. Sagt man. Der US-Markt hingegen boomt. Sagt man. Ist dem wirklich so? Macht der Erfolg von Sitcoms wie «Two and a Half Men» oder Dramaserien wie «Grey's Anatomy» schon ein ganzes Image aus? Und darf man Flops wie «Dr. Molly und Karl», «Klinik am Alex» und «Lasko» vor große Erfolge wie «Danni Lowinski» stellen, nur um das angeschlagene deutsche Serienimage nicht zu verbessern? Eine Analyse.

Im ersten Teil dieses mehrteiligen Serienspecials werfen wir einen Blick auf die US-Serien in Deutschland. Was haben sie für ein Image, wie gelang ihnen innerhalb eines Jahrzehnts eine derartige Etablierung und auf welche Marketingstrategie baute man innerhalb der letzten Jahre?

Mitte Juni fand in Cannes die MipCom statt. Ihres Zeichens TV-Messe und Wegweiser für die internationale Serienlandschaft. Was hier präsentiert wird, wird geschaut – oder eben nicht. Ob eine Serie ein Highlight wird oder im Laufe der Zeit zu einem Flop avanciert, eines ist ihnen allen gemeinsam: der Wille zum Erfolg. Zum Hype. Zum Klassiker. In diesem Jahr fällt auf: Die Wiederauferstehung der klassischen Sitcom scheint allgegenwärtig. Kein Wunder. Denn nicht nur in den USA boomt dieses meist halbstündige Comedyformat, das seinen Durchbruch aus der Situationskomik zieht und gleichzeitig mit einzigartigen Charakterdarstellern auftrumpft. Charlie Sheen machte es einst vor: als CBS im September 2003 seine neue Sitcom «Two and a Half Men» auf Sendung schickte, konnte vorab niemand ahnen, welch ein Hype im Laufe der Jahre um diese Sendung und vor allem um Sheen gemacht werden würde. Fans, Kritiker, Macher: alle für den Triumph relevanten Gremien konnte das freche Format begeistern und sie machten die Serie zeitweise zu Amerikas erfolgreichster ihrer Art. Es passte einfach alles.

Nicht nur, weil «Two and a Half Men» sich über die Jahre zum Dauerbrenner entwickelte, sonder auch, weil das Produzieren von Sitcoms eine äußerst kostengünstige Angelegenheit ist, war es selbstverständlich, dass im Fahrwasser dieses Zustroms früher oder später konzeptuell ähnliche Formate aus dem Boden schießen würden. Und nur zwei Jahre später schickte man, ebenfalls bei CBS, die Kulttruppe um Jason Segel, Neil Patrick Harris und Alyson Hannigan auf Sendung: in der mehrfach preisgekrönten Sitcom «How I met your Mother». Wieder zwei Jahre später wurde es Zeit für die Nerds von «The Big Bang Theory» und ein Ende der Erfolgsgeschichte ist bis heute nicht in Sicht. Doch Abstriche musste zumindest die Mutter aller aktuellen Sitcoms im Laufe der Zeit machen: ausgerechnet bei «Two and a Half Men» kam es Ende 2010 zum Zerwürfnis zwischen Charlie Sheen und der Produktionsfirma. Ein Rausschmiss Sheens war die Folge. Absetzen aber wollte man das Format nicht. Stattdessen entschied man sich für die denkbar einfachste, jedoch vielleicht schlechteste Lösung, um die Sendung am Leben zu erhalten und griff auf Hollywoodstar Ashton Kutcher als „neuen Sheen“ zurück. Die Folge: viele Fans drehten dem Format den Rücken zu und nach dem typischen, neugierbedingten Höhenflug der ersten Folge, fährt das Format heute einen Negativrekord nach dem anderen ein. Gerade anhand dieses Beispiels zeigt sich die Abhängigkeit des Erfolgs von den Seriengesichtern – nur in den seltensten Fällen glückt ein Wechsel des Hauptdarstellers.

Diese Darstellung der US-amerikanischen Sitcom-Verhältnisse ist ein Paradebeispiel für die Entstehung von Serientrends. Nachdem die Sitcom-Welle über die USA hereinschwappte, dauerte es gute eineinhalb Jahre, bis auch das deutsche Fernsehen nicht mehr nur auf Sitcom-Konserven von «Die Nanny» oder «Hör mal, wer da hämmert» zurückgreifen musste. Plötzlich waren sie da: junge, frische Situationscomedys. Aktuell und den Humor an moderne Standards angepasst. Nicht immer politisch korrekt, aber den Bedürfnissen der heutigen Sitcomfans angeglichen. Dank dieser Erfolgsstrategie fährt der Sender ProSieben, der seit Jahren auf einen Comedy-Dienstag mit den eben genannten Sitcoms baut, Woche für Woche herausragende Quoten ein. Eine Serienstreckenprogrammierung par excellence.

Parallel hierzu setzt die Konkurrenz ihr Vertrauen in einen anderen US-Amerikanischen Serientrend. 2003, knappe eineinhalb Jahre nach der Erstausstrahlung der Kult-Crime-Serie «Monk» um Tony Shalhoub alias Adrian Monk, sicherte sich die RTL-Group die Ausstrahlungsrechte des USA Network-Formats. Mit «Monk» um 22.15 Uhr bastelte sich RTL nach und nach einen später unglaublich erfolgreichen Serienabend zusammen. Nach weiteren Einkäufen von Hits wie CBS‘ «CSI: Miami» (ab 2004), FOX‘ «Dr. House» (ab 2006) und «Psych» (2007) hatte man sich im Laufe der Jahre eine beachtliche Zahl an Stammzuschauern herbeiprogrammiert – und fährt mit dieser Strategie bis heute sehr gut, wenngleich ein baldiges Ende dieser Quotengarant-Strecke aufgrund der Beendigung von «CSI: Miami» und «Dr. House» abzusehen ist.

Auch seine Tochtersender lässt RTL ein Stück vom Kuchen abbekommen und überlässt ihnen entsprechende Formate, die ebenfalls in den USA erfolgreich sind, vom Themenschwerpunkt her aber nicht hundertprozentig in die Crime-Schiene von RTL passen wollen. Mit der leichtfüßigen Ermittlerserie «Rizzoli & Isles», die in den USA bei TNT und hier seit März bei VOX läuft, ist auch die kleine Schwester von RTL nun auf dem besten Weg, ihren US-Serien-Marathon, wie er bei RTL funktioniert, auszubauen. Mit den CSI-Formaten «CSI – Den Tätern auf der Spur» und «CSI: New York», sowie unter anderem «Burn Notice», «Crossing Jordan» und «Criminal Intent», die im Vergleich zu RTL bislang allerdings verhältnismäßig unregelmäßig liefen, funktionierte dies bereits in der jüngsten Vergangenheit gut.

Neben Comedy bei ProSieben und Crime innerhalb der RTL-Group beansprucht die ProSiebenSat.1-Gruppe auch den dritten aller US-Trends für sich und setzt seit einem knappen Jahrzehnt auf die Drama-Schiene, was 2005 mit «Desperate Housewives» begann und zum damaligen Zeitpunkt noch in einem Rutsch mit «Sex and the City» gesendet wurde. Das treue, zumeist weibliche Publikum nahm diesen dramaturgischen Wechsel von Comedy zu Drama zur Kenntnis – und begrüßte ihn mit offenen Armen. Ein halbes Jahr später programmierte ProSieben das ähnlich gestrickte «Greys Anatomy» im Anschluss. Der Start verlief schleppend, auch hier war es der spätere Sendeplatz nach 22.00 Uhr, der steigende Quoten herbeibeschwörte. Später diente «Grey’s» als Zugpferd für weitere Serien, wie zum Beispiel den Ableger «Private Practice». Der Erfolg mochte sich dauerhaft nicht vollständig einstellen – dazu programmierte die Konkurrenz allzu häufig starke Formate parallel dazu in seine späte Primetime. Doch für ProSieben sollte dies noch lange kein Beinbruch sein, hatte man doch mit dem „Mystery Montag“ (später „Mission Monday“) auch hier eine weitere quotenbringende US-Strecke im Ärmel. Immer mit der Zeit gehend sorgten hier Formate wie das sich an das jüngere Publikum richtende «Supernatural» (The CW, seit 2008) oder «Fringe» (FOX, seit 2009) für ordentliche Quoten.

Mit den kleineren Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe verfuhr man ähnlich wie bei RTL. Eher weniger populäre Formate gingen zu kabel eins und Sat.1. Letzterem Sender sollte mit «Navy CIS», was seit März 2005 in seiner Primetime ausgestrahlt wird, ein herausragender Überraschungserfolg gelingen. Ob die Programmierung der CBS-Serie ProSieben einen ähnlichen Erfolg gebracht hätte, ist allerdings äußerst fraglich. Die Serie passte bislang schlichtweg in keine der programmierten Serienstrecken. Dafür nutzte Sat.1 den aufsteigenden Hype um das Crime-Format und verhalf «Criminal Minds» und «The Mentalist», was sonntags im Anschluss an «NCIS» gezeigt wurde, zu ähnlichen Erfolgen. Bei kabel eins hingegen greift man gut und gern auf Wiederholungen bereits anderorts gesendeter Formate zurück, experimentiert nebenbei aber auch mit unbekannten Formaten. Bislang brachte dies zum Beispiel mit «Castle», das in Deutschland mittlerweile in der vierten Staffel läuft und dem vorab kein so wirklicher Hype vorausging, den gewünschten Erfolg. Diese kleine, wenngleich in den USA sehr erfolgreiche ABC-Serie, wäre bei ProSieben wahrscheinlich untergegangen – bei kabel eins hingegen sind die Marktanteile nach kleinen Anlaufschwierigkeiten seit Mitte der zweiten Staffel durchgehend zufriedenstellend – Wiederholungen mit eingerechnet. Somit zeigt sich: die perfekte Mischung aus Experimentierfreude und das Zurückgreifen auf garantierte Quotengaranten dürfte wohl das Geheimrezept der anhaltenden US-Serienwelle sein. Auf den ersten Blick. Doch dass es auch unter den so oft gewürdigten US-Hits einige Ausreißer nach unten gibt, wird gern unter den Teppich gekehrt.

Teil 2 des Serien-Specials erscheint bei Quotenmeter.de in der kommenden Woche.

Kurz-URL: qmde.de/57764
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