Die Kritiker

«Das Gewissen der Superreichen»

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Warren Buffett und Bill Gates, zwei der reichsten Männer der Welt, starteten im Juni 2010 eine ungewöhnliche Kampagne: Der Investmentguru und der Microsoft-Milliardär sagten zu, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden. "The Giving Pledge" heißt diese philanthropische Initiative, der sich inzwischen rund 70 US-Milliardäre angeschlossen haben. "The Giving Pledge" bringt mittlerweile die unfassbare Summe von rund 200 Milliarden US-Dollar zusammen. Seit der großen Verkündigung ist weltweit eine Diskussion über Fluch und Segen des geschenkten Geldes entbrannt.

Denn die Aufforderung trifft auf eine Öffentlichkeit, die dem Kapitalismus zunehmend skeptisch gegenüber steht. Banken gingen Pleite oder konnten nur mit Steuergeldern gerettet werden. Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal stehen vor dem finanziellen Kollaps. In Italien, Spanien und Griechenland demonstrieren Hunderttausende gegen die Macht der Wirtschaft. In den USA und der übrigen westlichen Welt verschwindet die Mittelklasse.

Reicht es da aus, wenn einige Reiche einen Teil ihres Geldes nach ihrem Gusto spenden wollen? Welches ist ihre persönliche Motivation hinter dem Spendenversprechen? Welcher Verantwortung wollen die Milliardäre gerecht werden? Welcher moralische Anspruch steckt dahinter?

Der Dokumentarfilm «Das Gewissen der Superreichen» zeigt die Innenansicht von "The Giving Pledge" und eröffnet damit zugleich einen einzigartigen Zugang in die Welt reicher Philanthropen. Entlang der spektakulären US-Initiative entfacht sich eine Auseinandersetzung über Chancen und Grenzen der Philanthropie in einem kapitalistischen System und die Verantwortung der Reichen in unserer Gesellschaft.

18 Monate lang begleiteten die Filmemacher den Multimilliardär Warren Buffett, erforschten seine Beweggründe und sprachen mit Befürwortern und Gegnern seiner Initiative, wie Bill und Melinda Gates, Karstadt-Retter Nicolas Berggruen, der französischen Baroness Ariane de Rothschild, dem Sozialstaat-Fan und Reeder Peter Krämer sowie dem SAP-Gründer Hasso Plattner. Und mit den Aktivisten der weltweiten Occupy-Bewegung, die der Meinung sind: Zurückgeben ist nicht genug.

Kritik
Gisela Baur und Ralph Gladitz haben offensichtlich den Anspruch, mit ihrem Film eine differenzierte Auseinandersetzung über die Möglichkeiten und Grenzen zu präsentieren, die reichen Philanthropen gesetzt sind. Dementsprechend fällt die Dokumentation auch wohltuend nuanciert aus: Beide Seiten, sowohl die Superreichen als auch die Occupy-Bewegung, kommen zu Wort, ihre Aussagen bleiben größtenteils ohne redaktionellen Kommentar und man verzichtet bewusst auf Vorführeffekte oder Suggestion. Baur und Gladitz nähern sich dem Thema ohne Hass oder Vorurteile, lassen sich nicht (wie viele ihrer Kollegen) zum stammtischaffinen Kapitalismusbashing hinreißen, sondern präsentieren die fundierten Argumente derer, die sie interviewt haben, und geben interessante Einblicke in deren persönliche Hintergründe.

Der große Aufwand hinter diesem Dokumentarfilm hat sich gelohnt, kann er doch wunderbar als Diskussionsanstoß über die angesprochenen Themen dienen. Zwar konzentrieren sich Baur und Gladitz eher auf das Präsentieren als auf das Kommentieren, doch wenn von ihnen eine Einordnung vorgenommen wird, geschieht dies treffend, kurz und korrekt: Etwa am Ende des Films, wenn sie die interessante Beobachtung ins Feld führen, dass die europäischen Superreichen im Hinblick auf Buffets „Giving Pledge“ tendenziell durch eine große Hinwendung zum Staat auffallen, die amerikanischen One-Percenters dagegen die Philanthropie lieber selbst in die Hand nehmen – vielleicht auch ein Ausfluss der unterschiedlichen Demokratievorstellungen auf den beiden Seiten des Atlantiks.

Unterm Strich besticht «Das Gewissen der Superreichen» durch einen sehr hohen Informationswert, ein dramaturgisch stringentes narratives Konstrukt und eine unterhaltsame Verpackung – die wahrscheinlich zu einem beträchtlichen Teil darin begründet ist, dass man Warren Buffett wohl stundenlang zuhören könnte. Der Film ist eine wertvolle Bereicherung der aktuellen Diskussion darüber, ob Reiche und Superreiche mehr in die Pflicht genommen werden müssen, und vor allem, wie dies vonstatten gehen sollte.

Das Erste strahlt «Das Gewissen der Superreichen» am Dienstag, den 3. Juli 2012, um 22.45 Uhr aus.

Kurz-URL: qmde.de/57659
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